Veröffentlichungspflicht für alle klinischen Studien

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Veröffentlichungspflicht für alle klinischen Studien

Beitrag von Presse » 25.11.2009, 07:52

IQWiG fordert Veröffentlichungspflicht für alle klinischen Studien

Hersteller, die Daten unter Verschluss halten, schaden Patienten und behindern die Arbeit von IQWiG und G-BA

Eine Verpflichtung zur Registrierung und Publikation der Ergebnisse aller klinischen Studien hat heute das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) gefordert. Die Bundesregierung müsse darauf dringen, dass auf EU-Ebene eine verbindliche Regelung umgesetzt wird, wie sie seit 2008 in den USA in Kraft ist. Anlass für die Forderung ist die Publikation des Abschlussberichts zu drei Antidepressiva, dessen Erstellung durch den Hersteller Pfizer massiv behindert worden war. Das Unternehmen hatte sich über lange Zeit geweigert, dem IQWiG Informationen zu Studien zur Verfügung zu stellen. Erst unter öffentlichem Druck legte Pfizer die Daten schließlich offen.

"Durch das Verschweigen von vorhandenen Studiendaten nimmt der Hersteller Patienten und Ärzten die Möglichkeit, sich informiert zwischen verschiedenen Therapieoptionen zu entscheiden", sagt Peter T. Sawicki, Leiter des IQWiG. Außerdem wird dadurch die Arbeit von Institutionen wie dem IQWiG behindert. Ziel des IQWiG ist es, verlässliche Schlussfolgerungen über Nutzen und Schaden der Medikamente zu ziehen. Diese dienen dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) als wissenschaftliche Grundlage für Entscheidungen über die Erstattungsfähigkeit von Medikamenten.

Kein Kavaliersdelikt

Dass Ergebnisse von Studien nur teilweise veröffentlich werden, ist seit mehr als 20 Jahren als "Publikations-Bias" (engl. für Verzerrung, Schieflage) bekannt. Dabei hat sich gezeigt, dass insbesondere sogenannte negative Studien, in denen beispielsweise das eigene Arzneimittel nicht das erhoffte Ergebnis gebracht oder sich sogar als wirkungslos erwiesen hat, erst Jahre später oder gar nicht veröffentlicht werden. Das hat zur Folge, dass Patienten und Ärzte allein auf Basis der veröffentlichten Berichte ein geschöntes Bild der Effekte erhalten.

Diese Tendenz gilt nach wie vor als eine der wichtigsten und tückischsten Fehlerquellen in der Medizin. "Irreführung durch Verschweigen ist kein Kavaliersdelikt", sagt Sawicki: "Ohne vollständige Information können Patienten im Extremfall sogar nutzlose oder gar schädliche Behandlungen erhalten." So haben andere Wissenschaftler bereits für mehrere Wirkstoffe zur Behandlung von Depressionen gezeigt, dass die Wirkung in der publizierten Literatur ausnahmslos überschätzt wurde - um bis zu 70 Prozent (im Mittel etwa 30%). Für einige Wirkstoffe ist sogar fraglich, ob überhaupt noch ein Nutzen nachweisbar ist, wenn man alle Studien einbezieht.

Selbstverpflichtungen genügen nicht

Besonders tückisch ist, dass Ärzte und Forscher oft nicht einmal davon wissen, dass unveröffentlichte Studien existieren. Um dieses Problem aus der Welt zu schaffen, hat das IQWiG mit dem Verband forschender Arzneimittelhersteller (VFA) bereits 2005 eine grundsätzliche Einigung zur Übergabe solcher Daten vereinbart. Darüber hinaus haben die internationalen Verbände der pharmazeutischen Industrie im Januar 2005 eine Selbstverpflichtung zur Offenlegung von Informationen zu klinischen Studien abgelegt.

Allerdings ist auf diese Ankündigungen der pharmazeutischen Industrie kein Verlass. Firmen haben es in den letzten Jahren wiederholt abgelehnt, dem Institut Unterlagen zu Studien zur Verfügung zu stellen, die es für die Nutzenbewertung von Arzneimitteln benötigte. Diese Daten sind oft auch nicht in Studienregistern vorhanden, die in den letzten Jahren eingerichtet wurden.

Lediglich ein Drittel der Daten zu Reboxetin öffentlich zugänglich

Bei dem jetzt abgeschlossenen Projekt ging es darum, den Nutzen der drei Wirkstoffe Reboxetin, Mirtazapin und Bupropion XL bei der Behandlung und Vorbeugung der Depression zu bewerten. Die jetzt vorliegenden vollständigen Daten zu Reboxetin zeigen, dass in den 17 für die Nutzenbewertung geeigneten Studien etwa 5100 Patienten behandelt wurden. Hinreichend transparent publizierte Daten lagen lediglich von etwa 1600 Patienten vor. Demnach fehlen in der öffentlich zugänglichen Literatur die Ergebnisse von etwa 2/3 der Patienten. Dabei suggerieren die veröffentlichten Ergebnisse einen Nutzen, der sich bei Betrachtung aller Daten jedoch nicht belegen lässt.

Kurzfristige Umsetzung gesetzlicher Regelungen notwendig

Die Erfahrungen des IQWiG zeigen, dass die bisherigen Gegenmaßnahmen, die in Deutschland und Europa vor allem auf freiwillige Lösungen setzen, nicht ausreichen. Es ist offen, wie und wann gesetzliche Regelungen, die das Problem beheben sollen, tatsächlich greifen. Das IQWiG fordert deshalb eine an enge Fristen gebundene EU-weite Verpflichtung zur Veröffentlichung der Ergebnisse klinischer Studien.

"In den USA ist diese Verpflichtung seit 2008 klar gesetzlich umgesetzt", sagt Sawicki. "Wir brauchen schnellstmöglich eine vergleichbar konkrete und transparente Umsetzung für Europa." Wichtig ist dabei, dass die Verpflichtung rückwirkend auch für bereits zugelassene Medikamente gelten muss. Darüber hinaus sind gesetzliche Regelungen nötig, damit Institutionen wie dem IQWiG oder dem G-BA auf Anforderung alle Daten bereit gestellt werden.

Mit dem Verschweigen von Daten verstoßen Hersteller auch gegen Absprachen, die mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Studien geschlossen wurden: Sie stellen sich freiwillig und uneigennützig für die Experimente zur Verfügung und gehen dabei Risiken ein, weil sie durch ihre Teilnahme und die Veröffentlichung der Ergebnisse anderen Erkrankten helfen wollen. Dies ist die Voraussetzung für ihre Einwilligung, an Medikamentenstudien teilzunehmen: "Wer Ergebnisse einer Studie geheim hält, hintergeht die teilnehmenden Patientinnen und Patienten und stellt die Rechtmäßigkeit ihrer Einwilligung zur Studienteilnahme in Frage", sagt Sawicki.

Kontakt: Tel. 0221-35685-0, info@iqwig.de

Weitere Informationen:
http://www.iqwig.de/index.981.html - PM zum Abschlussbericht "Bupropion, Mirtazapin und Reboxetin bei der Behandlung der Depression"
http://www.iqwig.de/index.582.html - Abschlussbericht und Kurzfassung

Quelle: Pressemitteilung vom 24.11.2009
Dr. Anna-Sabine Ernst, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

URL dieser Pressemitteilung: http://idw-online.de/pages/de/news345608

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Studien: IQWiG fordert Pflicht zur Veröffentlichtung

Beitrag von Presse » 06.12.2009, 08:00

Dtsch Arztebl 2009; 106(49)

hil
Klinische Studien: IQWiG fordert Pflicht zur Veröffentlichtung
http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/art ... p?id=66972

Abschlussbericht des IQWiG´s
http://www.iqwig.de/download/A05-20C_Ab ... sionen.pdf

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Transparenz bei Arznei-Studien!

Beitrag von Presse » 12.01.2010, 12:24

Transparenz bei Arznei-Studien!
Professor Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, hat "mehr Transparenz bei der Veröffentlichung klinischer Studien" angemahnt. mehr »
http://www.aerztezeitung.de/nel/?sid=58 ... olitik&c=1

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Informationen über Arzneimittel für Ärzte & Patienten

Beitrag von Presse » 12.01.2010, 15:44

AkdÄ:
Ärzte und Patienten brauchen gesicherte Informationen über Arzneimittel

„Wir brauchen dringend mehr Transparenz bei der Veröffentlichung klinischer Studien. Zu oft werden die Ergebnisse von der Pharmaindustrie zu spät bekannt oder überhaupt nicht publiziert. Es ist deshalb richtig und wichtig, dass sich das Bundesgesundheitsministerium für eine schnelle Veröffentlichung von Studienergebnissen bei der Arzneimittelforschung einsetzen will“, sagte der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig, bei einem Symposium der AkdÄ im Rahmen des 34. Interdisziplinären Forums der Bundesärztekammer in Berlin. Ludwig warnte in diesem Zusammenhang davor, die Informationen mehr als nötig als vertraulich einzustufen und dadurch der Öffentlichkeit vorzuenthalten.

Selbst bei bereits zugelassenen Medikamenten ist es für Ärzte und Patienten schwierig, verlässliche Informationen zu erhalten. „Etwa 80 bis 90 Prozent der Informationen zu neuen Arzneimitteln erreichen die ÄrztInnen über die Industrie“, berichtete Ludwig auf dem Symposium, das sich in diesem Jahr mit dem Thema „unabhängige Arzneimittelinformationen“ befasste. Einige Beispiele für die vielfältigen Aktivitäten der AkdÄ auf diesem Gebiet nannte die stellvertretende Vorsitzende der Arzneimittelkommission, Prof. Dr. Ursula Gundert-Remy: „Die AkdÄ stellt unabhängige Informationen über neu zugelassene Arzneimittel und über unerwünschte Arzneimittelwirkungen bereit.“ Seit 2009 habe die Kommission in knapp 50 Flyern unter dem Titel „Neue Arzneimittel“ über Indikation, Bewertung, klinische Studien und unerwünschte Wirkungen neu zugelassener Medikamente sowie über deren Anwendung bei besonderen Patientengruppen informiert. Auf dem Gebiet der Arzneimittelsicherheit versende die AkdÄ regelmäßig aktuelle Risikoinformationen per „Drug Safety Mail“.

Auch in der breiten Öffentlichkeit werden immer häufiger verlässliche Informationen über Medikamente nachgefragt. „Patienten benötigen gesicherte Informationen über die Nutzenwahrscheinlichkeit und Risiken von Arzneimitteln“, sagte Prof. Dr. David Klemperer von der Hochschule Regensburg. Wichtigste Informationsquelle sei nach wie vor der Arzt. Dieser müsse gewährleisten können, dass die Informationen für die Patienten zuverlässig sind. Wichtig seien auch Publikationen mit unabhängigen Informationen über Medikamente. Klemperer verwies in diesem Zusammenhang auf die Zeitschrift „Gute Pillen – Schlechte Pillen“, die von den deutschen unabhängigen Arzneimittel-Bulletins herausgegeben werde und ohne Einfluss der Pharmaindustrie und ohne Werbung neutrale Bewertungen von medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten liefere. Der Kardiologe und Mitherausgeber des Informationsblattes „Der Arzneimittelbrief“, Prof. Dr. Walter Thimme, berichtete in seinem Vortrag über die „International Society of Drug Bulletins“ (ISDB), einem weltweiten Zusammenschluss unabhängiger und ohne Anzeigen der pharmazeutischen Industrie erscheinender Arzneimittelzeitschriften. Eine wichtige Zielsetzung der 62 Mitgliedszeitschriften sei es, Ärzten zu helfen, sich ein unabhängiges Urteil über Wirksamkeit und Sicherheit neuer Arzneimittel zu bilden.

Neben der Arzneimittelsicherheit rückt die Arzneimitteltherapiesicherheit immer stärker in den Blickpunkt der Gesundheitsberufe und der Öffentlichkeit. „Wechselnde Behandlungsteams und das hektische Umfeld einer akuten Krankenversorgung können dazu führen, dass ohne gezielte Maßnahmen eine hohe Versorgungsqualität nicht zu gewährleisten ist“, erklärte Prof. Dr. Walter Emil Haefeli vom Universitätsklinikum Heidelberg. Zunächst müssten die aktuelle Versorgungsqualität und der Interventionsbedarf ermittelt werden. Bei der Fehleranalyse hätten sich in der Vergangenheit elektronische Hilfsmittel bewährt, mit denen etwa Überdosierungen oder unerwünschte Wechselwirkungen vermieden werden sollen. Diese Systeme müssten aber zunächst im Alltag getestet werden, weil andernfalls durch deren Nutzung neue Fehler verursacht werden könnten, warnte Haefeli.

Quelle: Pressemitteilung der Bundesärztekammer vom 11.01.2010

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