Selbstmedikation des Bewohners und Pflegepersonal!
Darauf, dass die Pharmakotherapie des multimorbiden Geriatriepatienten einen besonderen Behandlungsstandard erfordert, haben wir schon des Öfteren hingewiesen. Dies gilt nicht nur für die sog. ärztlich angeordnete Bedarfsmedikation im Besonderen, sondern gleichsam auch für die rationale Pharmakotherapie im Allgemeinen.
Die klassische „Qualitätssicherung“ der ärztlichen Tätigkeit und damit die seiner therapeutischen Entscheidung orientiert sich hierbei ausnahmslos im Rahmen der verordneten Pharmakotherapie am individuellen Krankheitspanorama des Patienten und dies setzt freilich voraus, dass der Therapeut seinen Patienten persönlich in Augenschein nimmt, um „seine“ Pharmakotherapie evaluieren und der „Symptomfalle“ einer vermeintlich kausalen Diagnose von einem bestimmten Krankheitsbild vor dem besonderen Multimorbiditätsrisiko des Alterspatienten entgehen zu können. Dies gilt freilich insbesondere in den Fällen, wo eine „Bedarfsmedikation“ gleichsam die Qualität einer „Dauermedikation“ annimmt, so dass der den Alterspatienten betreuende Arzt regelmäßig verpflichtet ist, sich über den Stand der Medikation selbständig zu erkundigen; ggf. kommt hier dem Pflegepersonal die Aufgabe zu, jeweils den oder die Ärzte bei einer Mehrfachtherapie zu informieren.
Sofern nun die Pharmakotherapie des geriatrischen Patienten durch eine von ihm selbst veranlasste Selbstmedikation nachhaltig beeinflusst wird, ergeben sich erhöhte Sorgfaltspflichten für die an der Pharmakotherapie Beteiligten. Dies gilt freilich auch für das Pflegepersonal, dass im Rahmen der Selbstmedikation des Patienten diesem die Medikamente stellen.
In der Praxis wird hierzu gelegentlich die Auffassung vertreten, dass die Pflegefachkraft mindestens dieselbe Verantwortung für die Medikation einer Befindlichkeitsstörung übernehmen soll und kann, wie dies bei einer Pflege zuhause von pflegenden Angehörigen auch selbstverständlich praktiziert wird.
So plausibel diese Auffassung auch sein mag, begegnet diese doch prinzipiellen Bedenken, mögen die Medikamente auch frei verkäuflich sein. Die polypharmakologische Behandlung könnte vielmehr durch die Selbstmedikation bei scheinbar einfachen Befindlichkeitsstörungen zusätzlich erschwert werden und zu höchst unangenehmen Folgewirkungen führen, mal ganz abgesehen davon, dass auch die vermeintlich leichten Befindlichkeitsstörungen stets eine Diagnose voraussetzen. Prinzipiell gilt auch für die Selbstmedikation: Vor der Therapie haben die Götter die Diagnose gesetzt und in diesem Sinne muss eine medizinische Indikation festgestellt werden. Die „Freiverkäuflichkeit“ eines Medikaments ändert nichts an diesem ehernen Grundsatz.
Insgesamt sind mit dem Thema der Selbst- und Bedarfsmedikation des geriatrischen Patienten Rechtsfragen angesprochen, die einer intensiveren Erörterung bedürfen. Hierzu wird in Kürze ein weiterer Beitrag erfolgen müssen.
Lutz Barth (21.05.08)
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