Hausbesuchspflicht des Arztes?
Schriftwechsel in einer Mailingliste (anonymisiert):
Frage:
Nehmen wir folgenden Fall an: ein Patient mit einer Tetraplegie GdB 100 Pflegestufe III wird von seinem Vater und einem Pflegedienst (PD) versorgt. Dieser stellt deutlich reduzierten Algemeinzustand und erhöhte Temperatur fest. PD ruft Hausarzt und bittet um Hausbesuch. Dies wird abgelehnt mit dem singem. Hinweis ich kann heut nicht kommen habe schon soviel Hausbesuche.. Arzt verordnet am Telefon MCP Tropfen u Lopedium. Pflegedienst fährt in Apotheke und holt in Ausführung der "Verordnung" Rezept und Medies. . Einen tag später geht es dem Patienten noch schlechter. Vater des Patienten fährt zu Hausarzt (2KM ) entfernt und verlangt energisch Hausbesuch oder Krankenwagen. Arzt will 1.30 Min. später erst selber kommen dann über Einweisung entscheiden . . Arzt kommt und weist ein . Klinik stellt eine hochgradige Exikose Fieber (fast 40) und
Campylobacter jejuni fest. 8 Tage stat. Behandlung erforderlich.
Fragen:
1. Hätte der Ha. schon nach Anruf durch PD kommen müssen?
2. Hat der Arzt sich strafbar und oder schmerzensgeldpflichtig gemacht?
3 Was ist zu tun?
der PD hat die Sachlage in die Doku eingetragen. Örtlich zuständiges Gesundheitsamt ist durch KH wg. Meldepflicht informiert.
Antwort:
Sehr geehrter Herr ...,
ob der zunächst angesprochene Arzt fehlerhaft gehandelt hat, kann allein anhand des o.a. Sachverhalts kaum zuverlässig beantwortet worden.
Allgemein kann aber gesagt werden, dass Ärzte grundsätzlich zu Hausbesuchen verpflichtet sind, wenn solche Besuche objektiv notwendig sind. Sie finden zum Thema weiterführende Informationen mit Verweisungen auf die einschlägige Rechtsprechung in meinem Forum unter der Adresse:
viewtopic.php?t=868&highlight=hausbesuch
Im konkreten Fall hätte der Arzt möglicherweise intensiver nachfragen und ggf. eine andere geeignete Hilfe (z.B. Aufsuchen der Praxis oder Inanspruchnahme eines anderen Arztes) empfehlen müssen. Die telefonische Verordnung von Medikamenten ohne persönliche Untersuchung halte ich für sehr problematisch. Der Arzt hätte bei Verweigerung des Hausbesuches vielleicht auch sagen müssen, was zu tun ist, wenn sich die Gesundheitsstörungen trotz Medikamente verschlimmern.
Die Verweigerung eines zeitgerechten Hausbesuches und die telefonische Verordnung von Medikamenten (ohne Patientenuntersuchung, also per Ferndiagnose) stellen sich möglicherweise als Berufspflichtverletzungen dar. Insoweit wären für aufsichtsrechtliche Maßnahmen die zuständige Kassenärztliche Vereinigung bzw. die Ärztekammer zuständig. Es können auch strafrechtliche Erwägungen angestellt werden (allerdings wird es angesichts der konkreten Fallschilderung wohl kaum Konsequenzen geben). Schadensersatzrechtliche Folgerungen erscheinen auch wenig sinnvoll, weil vielfältige Fragen zu beantworten wären (Schaden, Kausalität, Beweis ..).
Wenn man einen Behandlungsfehler mit Schadensfolge unterstellt, könnte auch die zuständige ärztliche Gutachter- oder Schlichtungsstelle (bei der Ärztekammer, i.d.R. kostenfrei) eingeschaltet werden. Man muss aber aufpassen: Wenn es zu strafrechtlichen Ermittlungen kommen sollte, wird die Gutachter- und Schlichtungsstelle aufgrund entsprechender Verfahrensvorschriften u.U. nicht tätig.
Weil es für die GKV möglicherweise keinerlei Schaden gibt, wird sich die zuständige Krankenkasse voraussichtlich kaum intensiv in die Angelegenheit einschalten. Daher sollte man diesbezüglich keine wirkliche Hilfe erwarten.
Was ist zu tun? Wenn es unter den gegebenen Verhältnissen die Möglichkeit gibt, einen Arztwechsel vorzunehmen, sollte man ihn in Erwägung ziehen. Gibt es diese Möglichkeit eher nicht, dann wäre auf jeden Fall anzuraten, die aufgezeigten Folgerungen "im Rahmen zu halten". Denn jede Beschwerde / Anzeige wird die Arzt-Patienten-Beziehungen belasten. Bei Störung des Vertrauensverhältnisses kann auch der Arzt die Behandlung aufkündigen.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell - http://www.wernerschell.de
Ärzten obliegt grundsätzlich eine Hausbesuchspflicht
Moderator: WernerSchell
-
- Administrator
- Beiträge: 25258
- Registriert: 18.05.2003, 23:13
-
- Administrator
- Beiträge: 25258
- Registriert: 18.05.2003, 23:13
Warum wurde nicht Notruf gewählt?
Zum Thema "Hausbesuchspflicht" hat ein Experte des Patienten- und Pflegerechts zu dem o.a. Statement folgende Stellungnahme abgegeben:
Sehr geehrter Herr Schell,
ja, das sehe ich auch so. Das Problem besteht weniger darin, dass der Arzt nicht sofort kam. Das mußte er mit Sicherheit nicht. Niemand kann verlangen, daß ein niedergelassener Arzt alle anderen Patienten sitzen- oder stehenläßt und sofort zu einem kranken Patienten fährt. Dazu gibt es Notärzte.
Wenn er hier einen Fehler gemacht hat, dann, daß er gemeint hat, den Fall am Telefon diagnostizieren und behandeln zu können, statt auf den Notruf zu verweisen. Das muß freilich für die Verschlechterung des Zustands erst auch noch kausal gewesen sein. Womöglich war die weitere Entwicklung am ersten Tag ja ohnehin noch nicht zu erkennen.
Man kann sich freilich auch fragen, weshalb der Vater nicht spätestens am zweiten Tag von sich aus auf die Idee gekommen ist, den Notruf zu wählen.
.... N.N.
Sehr geehrter Herr Schell,
ja, das sehe ich auch so. Das Problem besteht weniger darin, dass der Arzt nicht sofort kam. Das mußte er mit Sicherheit nicht. Niemand kann verlangen, daß ein niedergelassener Arzt alle anderen Patienten sitzen- oder stehenläßt und sofort zu einem kranken Patienten fährt. Dazu gibt es Notärzte.
Wenn er hier einen Fehler gemacht hat, dann, daß er gemeint hat, den Fall am Telefon diagnostizieren und behandeln zu können, statt auf den Notruf zu verweisen. Das muß freilich für die Verschlechterung des Zustands erst auch noch kausal gewesen sein. Womöglich war die weitere Entwicklung am ersten Tag ja ohnehin noch nicht zu erkennen.
Man kann sich freilich auch fragen, weshalb der Vater nicht spätestens am zweiten Tag von sich aus auf die Idee gekommen ist, den Notruf zu wählen.
.... N.N.
Bei dem oben beschriebenen Beispiel wird das eigentliche Problem nicht deutlich. Offensichtlich hatte der Patient massiven Durchfall, was allein die Medikation erklärt. Dies ist bei reduziertem Allgemeinzustand grundsätzlich als lebensbedrohlich einzustufen.
Allerdings muß auch die Reaktion des Pfegedienstes hinterfragt werden. Eine Fachkraft bittet in einem solchen Fall nicht um einen Arztbesuch sondern fordert ihn.
Tatsächlich muß eine Fachkraft immer entscheiden, welche Maßnahme angemessen ist. Das ist eine große Verantwortung und setzt eine gute Ausbildung voraus.
Allerdings muß auch die Reaktion des Pfegedienstes hinterfragt werden. Eine Fachkraft bittet in einem solchen Fall nicht um einen Arztbesuch sondern fordert ihn.
Tatsächlich muß eine Fachkraft immer entscheiden, welche Maßnahme angemessen ist. Das ist eine große Verantwortung und setzt eine gute Ausbildung voraus.
-
- phpBB God
- Beiträge: 542
- Registriert: 15.11.2005, 15:04
Pflegedienst war gefordert
Hallo,
ich denke, dass die o.a. Ausführungen im Wesentlichen die rechtlichen Erwägungen betrafen und insoweit gut nachvollziehbar sind. Allerdings hat Thorstein recht mit seinen Hinweisen auf die pflegedienstlichen Anforderungen. Insoweit stellen sich in der Tat auch einige Fragen.
MfG Rauel
ich denke, dass die o.a. Ausführungen im Wesentlichen die rechtlichen Erwägungen betrafen und insoweit gut nachvollziehbar sind. Allerdings hat Thorstein recht mit seinen Hinweisen auf die pflegedienstlichen Anforderungen. Insoweit stellen sich in der Tat auch einige Fragen.
MfG Rauel
Pflegeversicherung - Pflegebegriff erneuern und Finanzierung nachhaltig sichern! BürgerInnen müssen mehr Informationen erhalten - z.B. wg. Individualvorsorge!