Zu viele Zwangsmaßnahmen in Pflegeheimen: Modellprojekt ReduFix zeigt Alternativen auf
- Bei jedem Fünften der betroffenen Heimbewohner kann auf eine Fixierung verzichtet werden - Stolz fordert zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema auf -
12.07.2006 Nach Expertenmeinungen sind zwischen 30 und 40 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner in Alten- und Pflegeheimen von bewegungseinschränkenden Maßnahmen betroffen. 5 bis 10 Prozent werden mit Gurten fixiert. „Die Angst vor sturzbedingten Verletzungen führt häufig dazu, dass freiheitsbeschränkende Maßnahmen wie Bettgitter und Fixierungen als vermeintlich einziger Ausweg Unfällen eingesetzt werden, um Unfälle zu vermeiden. Dies kann so nicht hingenommen werden. Maßnahmen, die Heimbewohner in ihrer Bewegung einschränken, müssen immer hinterfragt werden, auch wenn sie oftmals in guter Absicht vorgenommen werden“, sagte Arbeits- und Sozialministerin Dr. Monika Stolz am 12. Juli 2006 in Stuttgart.
Die Ergebnissen des bislang umfangreichsten wissenschaftlichen Modellprojekts zur Reduzierung von Gurtfixierungen und freiheitsbeschränkenden Maßnahmen – ReduFix – hätten gezeigt, dass bei jedem fünften Heimbewohner auf eine Fixierung verzichtet werden könne, erläuterte die Ministerin. Beispielhaft nannte sie eine bedarfsgerechte bauliche Gestaltung des Umfelds, spezielle Konzepte im Umgang mit demenzkranken Menschen, wie „Nachtcafes“ oder auch den Einsatz von nicht freiheitsbeschränkenden technischen Hilfsmitteln wie Hüftprotektoren oder Sensormatten. .„Es ist wichtig, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Pflegeeinrichtungen mögliche Alternativen kennen und entsprechend geschult werden“, sagte die Ministerin. Es müsse auch verdeutlicht werden – so das Ergebnis der Studie -, dass Bewegungseinschränkungen schlussendlich gar nicht geeignet wären, Stürze zu vermeiden.
Die Ministerin würdigte die Arbeit der Projektträger und das beispielhafte Engagement der beteiligten Einrichtungen, die mit großem Aufwand an der Untersuchung mitgewirkt haben „Sie haben ein schwerwiegendes Problem für die Lebensqualität Pflegebedürftiger erkannt und Alternativen aufgezeigt, die beweisbare und deutliche Verbesserungen bringen.“ Ziel müsse sein, einen Expertenstandard zu entwickeln, wie mit freiheitsentziehenden Maßnahmen in Pflegeheimen umzugehen ist. Dafür wolle sie sich einsetzen, so Stolz weiter.
Hinweis für die Redaktionen:
Das Projekt ReduFix ist das bislang umfangreichste wissenschaftliche Projekt mit dem Ziel, Fixierungen zu reduzieren. Es wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Das Robert-Bosch-Krankenhauses Stuttgart und die Evangelische Fachhochschule Freiburg haben Untersuchungen in 45 Heimen durchgeführt. Im Rahmen des Projekts wurden 364 Personen erfasst, davon waren 231 in der Interventionsgruppe und 133 in einer Wartegruppe. Insgesamt konnte bei einem Fünftel der betroffenen Heimbewohner die Fixierung beendet werden oder zumindest die Zeit der Fixierung deutlich reduziert werden. In dem Projekt wurde in einer kontrollierten Studie untersucht, ob sich durch den Einsatz von technischen Hilfsmitteln mit entsprechend geschulten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Ausmaß körpernaher Fixierungsmaßnahmen reduzieren lässt. An den Untersuchungen von ReduFix waren Einrichtungen in drei Bundesländern beteiligt. Die Ergebnisse der Studie wurden in Stuttgart auf einem Abschlusssymposium zum Modellprojekt vorgestellt und in den Kontext weiterer Forschung in Deutschland und im europäischen Ausland gestellt. Ein Fortsetzungssprojekt um landesweit Schulungen durchführen zu können, ist bereits konzipiert.
Quelle: Pressemitteilung des Arbeits- und Sozialministeriums vom 12.7.2006
http://www.sozialministerium-bw.de/de/M ... l&_min=_sm
Zu viele Zwangsmaßnahmen in Pflegeheimen
Moderator: WernerSchell