Zimmerdurchgänge im Nachtdienst

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

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Christian, Pfleger

Zimmerdurchgänge im Nachtdienst

Beitrag von Christian, Pfleger » 03.01.2006, 17:28

Hallo,

leider finde ich zu diesem Thema hier keine Einträge, obwohl es sich um ein häufig diskutiertes Thema handelt:
In welchem Zeitabstand bin ich als Pfleger im Nachtdienst dazu verpflichtet nach schlafenden Patienten zu sehen?
Gibt es da irgendwelche gesetzliche Vorgaben, Regelungen (z.B. in Krankenhäuser), Grundsatzurteile oder Ähnliches?

Vielen Dank im Voraus für die Infos
Christian

Herbert Kunst
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Zimmerdurchgänge im Nachtdienst

Beitrag von Herbert Kunst » 04.01.2006, 07:39

Hallo Christian,

in diesem Forum ist bereits wiederholt zum Thema "Durchgänge" diskutiert worden. Siehe u.a.
http://www.kmvw.net/forum/viewtopic.php?t=1670

Dort ist u.a. ausgeführt worden:
"Patienten müssen mit der erforderlichen Sorgfalt pflegerisch und ärztlich versorgt werden. Zu dieser Versorgung kann das Gebot gehören, Patienten in bestimmten Zeitabständen aufzusuchen, um ihren Zustand zu beobachten (zur Pflege gehört die Krankenbeobachtung).
In welchen Zeitabständen Rundgänge (auf Station) durchzuführen sind, um die erforderliche Krankenbeobachtung zu gewährleisten, hängt im Wesentlichen von den konkreten Umständen bzw. Patienten ab. Die Rundgänge müssen sich daran orientieren, was pflegerisch bzw. medizinisch notwendig ist. So können Kontrollgänge in bestimmten Situationen z.B. alle 15 Minuten geboten erscheinen. In anderen Fällen kann eine Kontrolle längerfristig vertretbar sein oder gar ganz entbehrlich sein. Bei angeordneten Sicherungsmaßnahmen nach dem PsychKG NRW ist sogar eine ständige Beobachtung sicherzustellen.
Eine routinemäßige Verpflichtung, in der Nacht - unabhängig von den Einzelumständen - mindestens alle zwei Stunden Kontrollgänge durchzuführen, kann ich nicht erkennen. Letztlich ist auch entscheidend, in welchem Umfang der Arbeitgeber, d.h. die vorgesetzten Dienstkräfte, Kontrollen / Aufsichtsmaßnahmen anordnen."

Dann weiter:
"Zitat: Die Frage ist: Müssen die Rundgänge angeordnet oder sonstwo festgeschieben sein?
...
das Handeln der Arbeitnehmer wird weitgehend von Weisungen bestimmt. Auch in der medizinischen Versorgung bedarf es vielfältiger Weisungen / Anordnungen dieser Art.
Ich denke, dass in einem Haus / auf einer Station festgelegt sein soll, bei welchen Patienten in welchem Umfange Kontrollgänge durchgeführt werden müssen / sollen. Das kann man generell regeln (Dienstanweisung), aber auch an Einzelanordnungen aufhängen.
Gibt es keine Weisungen dieser Art, sind Arbeitnehmer gleichwohl verpflichtet, mit der erforderlichen Sorgfalt zu arbeiten. Sie müssen Patienten vor Schädigungen bewahren. Wenn man nicht weiß, in welchem Umfange man durch Kontrollen und Beobachtung tätig werden soll, muss man nachfragen und sich entsprechende Instruktionen abholen!"

Ergänzend:
"Zitat: Ja, aber wo steht das? Gibt es ein Urteil oder ist das nur Wunschdenken?
...
es ist nicht alles gesetzlich exakt geregelt. Im BGB gibt es aber allgemeine Hinweise, z.B. in den §§ 276, 278, 832 BGB. Hier gibt es Aussagen darüber, dass Sorgfaltspflicht und Aufsichtspflicht angesagt ist. Wer dagegen verstößt, wird ggf. in Haftung genommen. Dazu gibt es zahllose Gerichtsentscheidungen, die insgesamt die Rechtslage prägen.
Rd. 280 Gerichtsentscheidungen zum Pflegerecht hat z.B. Herr Schell in seiner Veröffentlichung "Pflegerecht im Spiegel der Rechsprechung" vorgestellt. Dies in Verbindung mit einer Darstellung des Haftungsrechts.
Siehe dazu
http://www.pflegerechtportal.de "

Und weiter:
"Zitat: Gehören 2-stündliche Rundgänge durch die Patientenzimmer zur angeborenen Sorgfaltspflicht des Pflegepersonals?
....
eine solche Pflicht gibt es in allgemeiner Form natürlich nicht. Ob und ggf. inwieweit Rundgänge (im Nachtdienst) durchzuführen sind, hängt von den Einzelumständen, von den konkreten Sicherungspflichten gegenüber den Patienten / Bewohnern, ab. Das alles wurde ja im Prinzip schon ausgeführt.
Es kann im Einzelfall sogar von den betroffenen Personen gewünscht sein, dass die nachts nicht gestört werden. Dies müßte beachtet werden. Und jetzt kommt wieder die Einschränkung: wenn nicht besondere Aufsichtspflichten bestehen, z.B. Überwachung angeordnet ist (frisch Operierte!) oder eine Fixierung besteht. Gibt es konkrete Überwachungsnotwendigkeiten, kann es sein, dass die Rundgänge engmaschig durchzuführen sind. Feste Regeln gibt es aber nicht!"

Alles klar oder noch Fragen?
Gruß
Herbert Kunst

Jennifer

Durchgangspflichten - ggf. Hinweise erbitten

Beitrag von Jennifer » 05.01.2006, 08:40

Christian, Pfleger hat geschrieben: ... In welchem Zeitabstand bin ich als Pfleger im Nachtdienst dazu verpflichtet nach schlafenden Patienten zu sehen?
Gibt es da irgendwelche gesetzliche Vorgaben, Regelungen (z.B. in Krankenhäuser), Grundsatzurteile oder Ähnliches? ...
Ich bin auch der Meinung, dass die Beobachtung von Patienten in der Nacht von den Einzelumständen abhängt.
Welcher Bedarf besteht insoweit? Geht es um (problematische) Frischoperierte oder gewöhnlich durchschlafende Patienten? Sind konkrete Feststellungen erforderlich, Blutdruckmessung usw.?
Wenn Unklarheiten hinsichtlich der "Durchgangspflichten" bestehen sollten, würde ich an die leitenden Dienstkräfte herantreten und um nähere Hinweise bitten, ggf. schriftlich.

MfG
Jennifer

Christian, Pfleger

Beitrag von Christian, Pfleger » 08.01.2006, 12:36

Vielen Dank - ich habe dies alles tatsächlich nicht gefunden!

Bei meinen Kollegen herrscht eine gewisse Panik, dass sie irgendwann einmal vor einem Richter stehen und dieser fragt wie es denn sein könne, dass ein Patient bereits seit z.B. sechs Stunden tot gewesen sei bevor dieses bemerkt wurde.
Ich persönlich denke, dass diese Durchgänge weder eine wirksame Suizidprophylaxe (hiermit werden die Durchgänge häufig begründet - es handelt sich um eine psychiatrische Klinik) darstellen noch natürliche Tode oder andere Ereignisse wirklich verhinden. Da durch die regelmäßigen "Kontrollen" auch noch der Nachtschlaf beeinträchtigt wird sind sie für mich mitunter das Gegenteil einer Sorgfaltspflicht...
Bitte nicht falschverstehen: Es gibt durchaus Situationen, in denen man mit Hilfe dieser Durchgänge Sicherheit und Schutz vermitteln kann also Positives erreichen kann (Von ständiger Beobachtung bei Fixierungen bzw. Vitalgefährdung ganz zu schweigen). Man muss also nach meiner Meinung individuell handeln. Eine Weisung durch den AG gibt es nicht.

Kennt denn Jemand z.B. ein Urteil in dem es darum geht (Z.B. Pflegekraft verurteilt, da stundenlang nicht nach Pat. gesehen - oder so etwas Ähnliches).

Schöne Grüße
Christian

Herbert Kunst
phpBB God
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Durchgänge nach der gebotenen Sorgfalt

Beitrag von Herbert Kunst » 09.01.2006, 08:23

Christian, Pfleger hat geschrieben:... Kennt denn Jemand z.B. ein Urteil in dem es darum geht (Z.B. Pflegekraft verurteilt, da stundenlang nicht nach Pat. gesehen - oder so etwas Ähnliches). ...
Hallo Christian,

ein Urteil, dass sich genau mit einer solchen Situation befasst, ist mir wirklich nicht bekannt. Urteile sind im Übrigen keine Gesetze. Sie beschreiben nur die Auffassung eines Gerichts in einer ganz konkreten Situation. Ich würde also Urteile, wenn sie nicht gerade von einem höchsten Gericht, z.B. BGH, gefällt worden sind, nicht überbewerten.
Entscheidend ist im Einzelfall, dass man sich anhand der konkreten Umstände mit der gebotenen Sorgfalt einem Patienten zuwendet - oder evtl. auch nicht, weil nicht nötig. Wenn man den Sorgfaltsmaßstab selbst nicht abschätzen kann, muss man die Entscheidung der vorgesetzten Dienstkräfte einholen.

Gruß
Herbert Kunst

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