Ist die Medikamentengabe ohne Aufklärung zulässig?
Schriftwechsel in einer Mailingliste (anonymisiert):
...
Ein Betreuter von mir, der sich auf freiwilliger Basis in einer Klinik
befindet, bekommt seit dem 3 März ein älteres Psychopharmacum. Obwohl ich mit dem Arzt am Dienstag 4 März 2008 telefoniert habe, hat er mich nicht über die Medikamentenumstellung informiert. Ein Gesprächstermin am nächsten Tag konnte er nicht wahrnehmen. Einen Arzt der mich über die Medikation aufklären sollte, hat er nicht stellen können. Der Oberarzt war anderweitig beschäftigt. Am Mittwoch hatte ich dann ein Gespräch mit dem Sozialpädagogen. Dort erfuhr ich von der Medikationsumstellung. Weitere Angaben machte er nicht. Am folgenden Tag habe ich ein Fax vorab an den Arzt geschickt, mit der Bitte mich telefonisch über die Medikamentenumstellung zu informieren. Das Schreiben wurde als Brief hinterhergeschickt. Bis heute hat sich niemand aus der Klinik gemeldet. Ich bin besorgt über die Eingriffe in die Gesundheit meines Betreuten, der nicht einwilligungsfähig ist. Für mich ist das eine Körperverletzung.
Was denkt ihr. Ich würde mich auch über eine inhaltliche Auseinandersetzung freuen.
Carpe diem ....
Antwort:
Sehr geehrter Herr ...,
das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht stellt nicht nur auf die Einwilligung des Patienten (bzw. seines Rechtsvertreters) ab, sondern macht eine Aufklärung über therapeutische Maßnahmen zur Pflicht. Ich sehe daher die verantwortlichen Ärzte in der Pflicht, diesbezüglich zu informieren. Dies ist umso mehr geboten, weil Sie als Patientenvertreter konkret nachgefragt haben. Die von Ihnen geschilderte Praxis ist aber wohl eher "Standard", zeigt wieder einmal, dass die Patientenrechte (noch) nicht gebührend zur Kenntnis genommen worden sind.
In meinem Forum finden Sie Texte zur Aufklärung und Einwilligung, z.B. unter
viewtopic.php?t=5742&highlight=aufkl%E4rungspflicht
viewtopic.php?t=7689&highlight=aufkl%E4rungspflicht
viewtopic.php?t=6407&highlight=aufkl%E4rungspflicht
Mit freundlichen Grüßen
Ist Medikamentengabe ohne Aufklärung zulässig?
Moderator: WernerSchell
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Ist Medikamentengabe ohne Aufklärung zulässig?
Zuletzt geändert von WernerSchell am 01.05.2008, 08:26, insgesamt 2-mal geändert.
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Therapiemaßnahme ist tatbestandsmäßige Körperverletzung
Weitere Rückmeldungen zu der o.a. Betreueranfrage und Antwort:
(1) ... Aber gleich an Körperverletzung zu denken, halte ich für übertrieben. Ich würde erst einmal davon ausgehen, dass die Ärzte sich gut überlegt haben, warum eine Medikamentenumstellung nötig ist und auch ein Stück darauf vertrauen, dass die ihren Arbeit sorgfältig erledigen.
(2) .... ich bin zwar kein Strafrechtler, möchte Ihnen aber dringend raten das VormG von Ihren Erkenntnissen zu unterrichten, vielleicht mit der Bitte, zu prüfen ob das Gericht die Staatsanwaltschaft hinzuzieht. .
Sehr geehrter Herr ...,
zu den o.a. Rückmeldungen:
(1) Therapeutische Maßnahmen, auch gut gemeint, sind tatbestandsmäßige Körperverletzungen. Strafrechtlich relevant werden sie dann, wenn sie uner Missachtung der Patientenselbstbestimmung durchgeführt werden (v.a. konkret Mängel in Aufklärung und Einwilligung vorliegen). Ärztlche Sorgfatlspflicht erfordert gerade konsequente Achtung der Patientenrechte. - Ich plädiere damit aber nicht für eine Strafanzeige!
(2) Eine ordnungsgemäße Aufklärung einzufordern - und ggf. Folgerungen zu ziehen - ist Sache des Betreuers. Eine Beteiligungsnotwendigkeit des Vormundschaftsgerichts sehe ich weit und breit nicht.
Mit freundlichen Grüßen
(1) ... Aber gleich an Körperverletzung zu denken, halte ich für übertrieben. Ich würde erst einmal davon ausgehen, dass die Ärzte sich gut überlegt haben, warum eine Medikamentenumstellung nötig ist und auch ein Stück darauf vertrauen, dass die ihren Arbeit sorgfältig erledigen.
(2) .... ich bin zwar kein Strafrechtler, möchte Ihnen aber dringend raten das VormG von Ihren Erkenntnissen zu unterrichten, vielleicht mit der Bitte, zu prüfen ob das Gericht die Staatsanwaltschaft hinzuzieht. .
Sehr geehrter Herr ...,
zu den o.a. Rückmeldungen:
(1) Therapeutische Maßnahmen, auch gut gemeint, sind tatbestandsmäßige Körperverletzungen. Strafrechtlich relevant werden sie dann, wenn sie uner Missachtung der Patientenselbstbestimmung durchgeführt werden (v.a. konkret Mängel in Aufklärung und Einwilligung vorliegen). Ärztlche Sorgfatlspflicht erfordert gerade konsequente Achtung der Patientenrechte. - Ich plädiere damit aber nicht für eine Strafanzeige!
(2) Eine ordnungsgemäße Aufklärung einzufordern - und ggf. Folgerungen zu ziehen - ist Sache des Betreuers. Eine Beteiligungsnotwendigkeit des Vormundschaftsgerichts sehe ich weit und breit nicht.
Mit freundlichen Grüßen
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- Sr. Member
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- Registriert: 05.12.2005, 08:38
Aufklärungspflicht auch bei Medikationsentscheidungen
Sehr geehrter Herr Schell,
ich danke Ihnen für die Klarstellung zur Aufklärungspflicht auch bei Medikationsentscheidungen. Insoweit gibt es nach meinen Erkenntnissen große Nachlässigkeiten, die angesprochen gehören!
MfG
Anja Jansen
ich danke Ihnen für die Klarstellung zur Aufklärungspflicht auch bei Medikationsentscheidungen. Insoweit gibt es nach meinen Erkenntnissen große Nachlässigkeiten, die angesprochen gehören!
MfG
Anja Jansen