Ein tagespolitisches Konfliktthema: Der Papst-Besuch

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Lutz Barth
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Ein tagespolitisches Konfliktthema: Der Papst-Besuch

Beitrag von Lutz Barth » 17.09.2011, 07:10

Ich mache aus meinem „Herzen keine Mördergrube“: Die allgemeine Aufregung mancher Abgeordneter und vor allem die der selbstgerechten Humanisten ist für mich persönlich schwer nachvollziehbar und dem Papst sollte der gebührende Respekt entgegengebracht werden. Der HVD hat in einem Schreiben die Bundeskanzlerin seiner Erwartungshaltung Ausdruck verliehen, dass die Bundeskanzlerin dem „Vorrang der Gebote echter Humanität die erforderliche Geltung im Rahmen der Begegnung mit Benedikt XVI. verschaffen (soll)“ (vgl. dazu HVD v. 13.09.11 >>> http://www.humanismus.de/pressemitteilu ... ela-merkel <<<).

Ein vornehmstes Gebot sog. „echter Humanität“ (was auch immer darunter zu verstehen sei) könnte zuvörderst darin zu erblicken sein, letztlich anzuerkennen und zu tolerieren, dass es nicht nur „Weltanschauungsgemeinschaften im Sinne des Grundgesetzes“ gibt, sondern auch Religionsgemeinschaften, die sich ebenfalls auf die Verfassung berufen können. In der Verfassung sind fundamentale Rechte für die Kirchen im Allgemeinen und freilich den „Gläubigen“ im Besonderen als Individualrechte verbürgt, während demgegenüber auch der überzeugte Humanist an einen „echten Humanismus“ glauben und hierauf seine Mission ausrichten kann.

Der „Humanismus“ – auch ein solcher evolutionärer Natur – sollte nicht um den „Preis“ etwa der Religionsfreiheit und entsprechender Religionsgemeinschaften die jahrtausende alte Philosophiegeschichte negieren, von der gelegentlich zu Recht behauptet wird, sie belaste u.a. die Zentralnorm unseres Grundgesetzes mit einem unverbrüchlichen Bekenntnis zur „Würde des Menschen“.

Unser Grundgesetz ist gleichsam die „Heimstatt“ höchst differenter Menschenbilder und spiegelt einen Pluralismus von Werten wider, die miteinander zu harmonisieren dem Staat als Aufgabe allerersten Ranges aufgegeben ist. Insofern sind auch die politisch Verantwortlichen gut beraten, in einen Dialog mit den Kirchen zu treten und da finde ich es denn schon für kleinkariert, wenn einige Abgeordnete oder zur „Aufklärung“ berufene Humanisten gleichsam im säkularen Verfassungsstaat den Besuch des Papstes und seiner Rede vor dem Parlament im Deutschen Bundestag „geißeln“ müssen. Der Papst ist als Gast eingeladen und als solcher sollten in erster Linie die Abgeordneten den Würdenträger auch willkommen heißen und zwar ungeachtet der von ihm im einzelnen vertretenen Positionen, die selbstverständlich einer Diskussion zugänglich sind und dennoch aus der Binnenperspektive des katholischen Selbstverständnisses und der Dogmenlehre strikte Geltung beanspruchen – eine „normative Verbindlichkeit“, die sich in erster Linie für den „gläubigen Christen“ als notwendige Folge eben aus der Glaubenslehre ergibt, ohne dabei zur allgemeinen Richtschur im säkularen Verfassungsstaat zu werden.

Nicht „Ausgrenzung“, sondern die Wahrnehmung der Möglichkeit zum Dialog bei gegenseitiger Toleranz ist angesichts anstehender „Wertedebatten“ das Gebot der Stunde und in diesem Sinne kann es nur hilfreich sein, auch eine Stimme der katholischen Kirche zu vernehmen, die letztlich von zentraler Bedeutung ist.

Von Humanisten darf deshalb ein Stück weit mehr „Humanismus“ erwartet werden, der nicht nur „gepredigt“, sondern auch ganz konkret praktiziert wird.

Jedwede Form der "Dogmatisierung" gilt es angesichts des Toleranzprinzips zu vermeiden und zwar gerade mit Blick auf das Selbstbestimmungsrecht, nach der Würde des Menschen der höchste Wert in unserem Grundgesetz!

Lutz Barth (17.09.11)
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Dieter Radke
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Papst-Besuch - warum nicht

Beitrag von Dieter Radke » 17.09.2011, 17:12

Lutz Barth hat geschrieben: .... Die allgemeine Aufregung mancher Abgeordneter und vor allem die der selbstgerechten Humanisten ist für mich persönlich schwer nachvollziehbar und dem Papst sollte der gebührende Respekt entgegengebracht werden. ....
Guten Tag Herr Barth,
Ihrer Sichtweise stimme ich gern und voll zu. M.E. kann es nicht ernsthaft beanstandet werden, wenn ein Staatsoberhaupt (hier der Kath. Kirche) im Bundestag spricht. Die gegenläufige Diskussion und so manche Wortbeiträge dazu sind kaum verständlich.
Es grüßt Dieter Radke
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WernerSchell
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Vatikan und der Deutsche Papst - TV-Tipp für den 18.09.2011

Beitrag von WernerSchell » 18.09.2011, 06:25

Siehe den TV-Tipp zum Vatikan und zum deutschen Papst unter
viewtopic.php?p=61573#61573
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Lutz Barth
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Benedikt XVI. am Pranger der Zivilgesellschaft

Beitrag von Lutz Barth » 23.09.2011, 08:31

Der humanistische Pressedienst informiert aktuell über die Demonstration "Keine Macht den Dogmen" und es scheint, als ob der Papst am Pranger der Zivilgesellschaft steht.

Vgl. dazu >>> http://hpd.de/node/12001 <<< (html)

Die einzelnen Statements selbsternannter und wohl selbstgefälliger Humanisten belegen pikanterweise, dass auch der "Humanismus zum Dogma" hochstilisiert wird, der es nicht selten an der gebotenen Toleranz vermissen lässt und im Übrigen Wissensdefizite offenbart, die nur schwer erträglich erscheinen.
Es kann und muss im Interesse eines Humanismus liegen, zuvörderst auf einen dialogischen Prozess zu setzen und die einzelnen Argumente zur Diskussion zu stellen. Hierbei sollte sich einer "Sprache" bedient werden, die nicht verletzend ist, mag diese auch pointierend sein.

Auch den "Humanisten" ist gelegentlich anzuraten, einen Blick in das Grundgesetz zu werfen und nicht in die Glaskugel eines "weltlichen Humanismus", der so "revolutionär" nun wahrlich nicht ist.

Die Feststellung, "der Papst gehöre nicht in den Deutschen Bundestag, sondern vor ein internationales Gericht" mag zwar für einen Moment die "Massen" begeistern, bevor dann ein weiteres Nachdenken die Absurdität einer solchen unsinnigen Aussage plausibel machen dürfte.

Freilich - es gibt viel Diskussionsstoff und beileibe müssen wir nicht alle die Position eines Papstes oder die der katholischen Kirche teilen; aber es bleibt dem Einzelnen frei verantwortlich überlassen, zu "glauben" und dass dem so ist, lässt sich unzweideutig aus der Verfassung herauslesen.

Auch eine "vitale Diskussion" gerade in den zentralen Fragen unserer Gesellschaft sollte mit Anstand geführt werden und würde ich es doch auch begrüßen wollen, wenn "Humanisten" sich gelegentlich der wissenschaftlichen Tugenden erinnern und im "wissenschaftlichen Wettbewerb" mit der Qualität ihrer Argumente statt mit vollmundigen Botschaften zu überzeugen versuchen.

Nehmen wir die Botschaft in der Rede des Papstes doch positiv auf:

"In einem Großteil der rechtlich zu regelnden Materien kann die Mehrheit ein genügendes Kriterium sein. Aber daß in den Grundfragen des Rechts, in denen es um die Würde des Menschen und der Menschheit geht, das Mehrheitsprinzip nicht ausreicht, ist offenkundig: Jeder Verantwortliche muß sich bei der Rechtsbildung die Kriterien seiner Orientierung suchen."

(Quelle: >>> http://www.papst-in-deutschland.de/file ... stag_B.pdf <<< pdf.)

Und in der Tat: Hier gilt es, anzuknüpfen und den Blick für die bioethischen Debatten nochmals zu schärfen. In erster Linie sind die Bürgerinnen und Bürger für die Kritierien ihrer Orientierung verantwortlich. Sie mögen sich ganz dem kirchlichen Lehramt anvertrauen oder einem "evolutionären Humanismus"; von der hohen Last der Entscheidung indes werden sie nicht befreit und dies ist auch gut so. Wer "Freiheit" für sich reklamiert, muss sie auch anderen zugestehen: Man/frau kann die Angebote des "Humanismus" annehmen so wie die 10 Gebote und die sich daraus ergebenden Zentraldogmen etwa der katholischen Kirche - aber man/frau muss es nicht!

In diesem Sinne bleiben also auch die "Humanisten" aufgerufen, sich in Toleranz zu üben, so wie wir es von der Kirche erwarten. Weder der Papst noch irgendwelche "Oberhumanisten" sind an den Pranger zu stellen.
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Papstbesuch und angemessenes Statement

Beitrag von Rita Reinartz » 24.09.2011, 16:47

Hallo Herr Barth,
Sie haben nach meiner Einschätzung sehr ansprechend auf den Papstbesuch reagiert. Ihren Ausführungen stimme ich gerne vorbehaltlos zu.
Es grüßt Rita Reinartz
Menschenwürdegarantie bedarf bei der Umsetzung entsprechender Rahmenbedingungen. Insoweit gibt es aber Optimierungsbedarf!

Lutz Barth
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Toleranz ist gefordert!

Beitrag von Lutz Barth » 24.09.2011, 17:14

Nun - ich denke, dass wir uns alle in mehr Toleranz üben sollten und da finde ich es besonders beschämend, wenn im Namen des "Humanismus" fragwürdige Botschaften verkündet werden, die nicht haltbar sind. Auch den Humanisten sollte es möglich sein, sich ein stück weit zu bescheiden und sich gelegentlich den Mühen eines wissenschaftlich geprägten Lesestudiums unterziehen. Auch "Humanisten" betreiben gelegentlich gerne "Hobbyphilosophie", anstatt sich auf rationaler Ebene mit der Argumentation der katholischen Kirche thematisch auseinander zu setzen.

Mit Verlaub - solche Botschaften der "Humanisten" tragen lediglich zur Verunsicherung wider besseren Wissens bei und sollten ebenso wie manches Zentraldogma der Kirche entmythologisiert werden. Die Religions-, Glaubens- und Gewissensfreiheit wird nicht umsonst als "Urgrundrecht" bezeichnet und in diesem Sinne können wir alle im stillen Kämmerlein nach unserer Facon selig werden; die Aufgabe des Verfassungsrechts besteht zuvörderst darin, die widerstreitenden "Positionen" zu moderieren und ggf. miteinander zu harmonisieren, sei es auch nur Blick darauf, dass die Verfassung sich hierzu "neutral" verhält. Mehr, aber eben auch nicht weniger ist gefordert.

Dass dies die "Humanisten" nicht erkennen, ist bedauerlich. Für die gläubigen Menschen in unserer Gesellschaft jedenfalls scheint ein neues Dogma in Gestalt eines "evolutionären Humanismus" höchst überflüssig zu sein und dass dies durchaus zu praktischen Konsequenzen führen kann, sehen wir an dem unsäglichen "Streit" über den Wert der christlichen Patientenverfügung und letztlich in allen anderen sog. bioethischen Hochdiskursen.
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

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Beitrag von Lutz Barth » 24.09.2011, 18:11

"Uns wird vorgeworfen, wir seien uncool und verbissen – d.h. wir würden uns anmaßen, alle anderen zu belehren und zu erziehen, und wir würden jede Art von weltanschaulich geprägter Kultur und Lebensgefühl aus dem öffentlichen Raum verbannen wollen.

Auch dies weisen wir zurück: Wir wollen anderen nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben, die Selbstbestimmung ist uns ein hohes Gut. Wir sind durchaus tolerant, aber es wäre doch ganz unvernünftig, im Namen der Toleranz auch noch die offen erklärte Intoleranz zu tolerieren!"

Quelle: HVD Bundesverband >>> http://www.humanismus.de/aktuelles/tren ... und-kirche <<< (html)

Zitat aus der Rede v. Frieder Otto Wolf auf der Kundgebung der Anti-Papst-Demo

Hier scheint mir das zentrale Problem zu liegen: die Verkennung des Toleranzbegriffs!

Sei es drum; auch der Humanismus wird reifen.
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

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