Personalfragebogen - Fragerecht des Arbeitgebers?

Arbeits- und Arbeitsschutzrecht, Allgemeine Rechtskunde (einschließlich Staatsrecht), Zivilrecht (z.B. Erbrecht)

Moderator: WernerSchell

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Hermann
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Personalfragebogen - Fragerecht des Arbeitgebers?

Beitrag von Hermann » 04.11.2005, 15:23

Personalfragebogen - Fragerecht des Arbeitgebers?

Meine Tochter hat sich Anfang Oktober als HEP bei einer kirchlichen Einrichtung (Diakonie-Wohnheim) beworben. Sie erhielt heute eine Einladung zu einem kurzfristig anberaumten Vorstellungsgespräch. Gleichzeitig mit dieser Einladung bekam sie einen Fragebogen zu ihrer Personalie, den sie umgehend ausfüllen und zurücksenden soll.

Der Fragebogen ist zwar als "Fragebogen zur Bewerbung" betitelt, enthält aber alle persönlichen Fragen, die - soweit mir bekannt - normalerweise erst bei oder nach einer erfolgten Einstellung zu beantworten sind. Unter anderem sind die Fragen zum Familienstand, Ehegatten, Behinderung, gesundheitliche Beschwerden, jetziger Arbeitgeber/Kündigungsgrund usw. zu beantworten.

Weiter wird noch nach dem schulischen und beruflichen Werdegang/Ausbildung/ letztes Einkommen/ Gehaltsvorstellung/Strafen/Schulden/Pfändungen gefragt.

Zudem soll die Versicherung der wahrheitsgemäßen und vollständigen Angaben abgegeben werden mit dem Hinweis, dass falsche/unvollständige Angaben zu einer Vertragsanfechtung führen kann.

Ich hatte meiner Tochter zunächst geraten, den Vordruck auszufüllen und zwar in der Annahme, sie würde wohl eine aussichtsreiche Kandidatin für die angeboten Stelle sein. Nachdem ich mir den Fragebogen jetzt aber angesehen habe, kommen mir doch leise Bedenken.

Meine Frage: ist es üblich, vor einem Bewerbungsgespräch diese Fragen zu stellen bzw. ist es überhaupt ratsam, den Fragebogen ( entweder komplett oder teilausgefüllt) noch vor dem Bewerbungsgespräch abzugeben?

Welche arbeitsrechtliche Auswirkungen könnte dieser Fragebogen gegebenenfalls nach sich ziehen?

Berti
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Personalfragebogen

Beitrag von Berti » 04.11.2005, 17:14

Hallo,
ich kann zunächst nicht erkennen, weshalb die angesprochenen Fragen nicht gestellt werden dürfen. Der Arbeitgeber sich umfassend ein Bild von seinem zukünftigen Mitarbeiter machen können, und zwar bezogen auf Lebenslauf, Qualifikation, bisherige Beschäftigung, körperliche Eignung, Zuverlässigkeit (Strafen), Pfändungen (wg. Belastung der Personalstelle), Religion (da Tendenzbetrieb) etc.
Dass unrichtige Angaben zu einer Anfechtung führen können, ergibt sich aus dem BGB und bedarf eigentlich keiner ausdrücklichen Erklärung.
Wo werden die Probleme gesehen?
Gruß Berti

Personalverlag.de

Fragen im Einstellungsverfahren auf einen Blick

Beitrag von Personalverlag.de » 26.11.2005, 08:38

Die zulässigen und die unzulässigen Fragen im Einstellungsverfahren auf einen Blick

Welche Fragen Sie in einem Einstellungsverfahren stellen dürfen und welche Sie besser vermeiden.

Frage nach Zulässig?
- beruflichem Werdegang Ja (z. B. Fähigkeiten, Erfahrungen, Zeugnisnoten)
- Eheschließung, geplanter Nein
- Gesundheitszustand Ja, soweit die Frage die Einsatzfähigkeit des Bewerbers am vorgesehenen Arbeitsplatz betrifft
- Gewerkschafts-, Partei- oder Religionszugehörigkeit Nein, Ausnahme: Tendenzbetriebe sowie Sektenzugehörigkeit bei Vertrauensstellung
- Kur, geplanter Ja
- Lohn-/Gehaltspfändungen Strittig, im Zweifel fragen
- Schwangerschaft Nein
- Schwerbehinderung Nach bisheriger Rechtsprechung ja, unter Diskriminierungsaspekten eher nein
- Vergütung beim vorherigen Arbeitgeber Ja, sofern für die Entgeltfindung in der angestrebten Position bedeutsam
- Vermögensverhältnisse Ja, sofern die angestrebte Stelle eine Vertrauensposition ist (z. B. leitende Angestellte, Kassierer usw.)
- Vorstrafen Ja, sofern für die zu besetzende Position relevant
- Wehr-/Zivildienst Nein (nach herrschender Auffassung)

Quelle: Miteilung Personalverlag,
ein Unternehmensbereich
der Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG
Theodor-Heuss-Strasse 2 - 4
53177 Bonn
Internet: www.personalverlag.de
(Beitrag wird mit Genehmigung vorgestellt)

Verona

Fragerecht des Arbeitgebers - nicht unvernünftig

Beitrag von Verona » 28.12.2005, 08:06

Das Fragerecht des Arbeitgebers kann / muss weit gehen. Denn er muss doch wissen, welche(r) Mitarbeiter(in) eingestellt werden soll. Schließlich geht es bei einem Arbeitsverhältnis um ein Dauer-Vertragsverhältnis, das will gut bedacht sein.
Also bitte nicht nur an die Interessen der Bewerber / Arbeitnehmer, sondern auch an die Interessenlage des Betriebes denken. Nur so ist eine vernünftige Beurteilung des Fragerechts möglich.

Verona

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Schwerbehinderung - Auskunft an Arbeitgeber?

Beitrag von Service » 09.07.2007, 07:07

Muss man eine Schwerbehinderung immer beim Arbeitgeber angeben?

Nach Angaben des Deutschen Anwaltvereins (DAV) in Berlin sind Arbeitnehmer lediglich verpflichtet, darüber Auskunft zu geben, ob sie unter körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen leiden, durch die sie für die vorgesehene Tätigkeit ungeeignet sind.

Weitere Informationen unter:
http://www.familienratgeber.de/de/famil ... News2.html

Quelle: Pressemitteilung der Aktion Mensch, 08. Juli 2007

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Darf der Arbeitgeber nach einer Schwerbehinderung fragen?

Beitrag von Presse » 29.02.2012, 07:39

Darf der Arbeitgeber nach einer Schwerbehinderung fragen?

Seit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ist es umstritten, ob der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nach einer Schwerbehinderung fragen darf. Nun hat hierzu das Bundesarbeitsgericht eine teilweise Klärung vorgenommen. Rechtsanwalt Dr. Marc Spielberger von Beiten Burkhardt erklärt, was die Entscheidung für die Praxis bedeutet. ..... weiter lesen unter
http://www.haufe.de/personal/newsDetail ... 0fragen%3F

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Arbeitgeber darf nach einer Behinderung fragen

Beitrag von WernerSchell » 09.04.2012, 06:38

Die Zeitschrift "CAREkonkret" hat in ihrer Ausgabe vom 05.04.2012 berichtet:
Bundesarbeitsgericht stärkt Fragerecht des Arbeitgebers
Arbeitgeber darf nach einer Behinderung fragen
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Frage nach der Schwerbehinderung

Beitrag von Presse » 29.05.2012, 06:39

Frage nach der Schwerbehinderung im bestehenden Arbeitsverhältnis
BAG, Urteil vom 16. Februar 2012 - 6 AZR 553/10

Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist jedenfalls nach sechs Monaten, also nach dem Erwerb des Sonderkündigungsschutzes für behinderte Menschen, die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung zulässig. Das gilt insbesondere zur Vorbereitung von beabsichtigten Kündigungen.
Aus den Gründen:
Der mit einem GdB von 60 schwerbehinderte Kläger stand seit dem 1. November 2007 in einem bis zum 31. Oktober 2009 befristeten Arbeitsverhältnis. Am 8. Januar 2009 wurde der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Arbeitgeberin bestellt. Während des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbat der Beklagte in einem Fragebogen zur Vervollständigung bzw. Überprüfung der ihm vorliegenden Daten ua. Angaben zum Vorliegen einer Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten. Der Kläger verneinte seine Schwerbehinderung. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kündigte der Beklagte als Insolvenzverwalter am 26. Mai 2009 dem Kläger zum 30. Juni 2009.
Der Kläger, der in der Klageschrift vom 9. Juni 2009 seine Schwerbehinderung mitgeteilt hat, hält die Kündigung vom 26. Mai 2009 für unwirksam, weil das Integrationsamt ihr nicht zugestimmt habe. Das Arbeitsgericht ist dem gefolgt und hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat dagegen angenommen, der Kläger könne sich auf den Kündigungsschutz für Schwerbehinderte nicht berufen, weil er die Frage nach der Schwerbehinderung wahrheitswidrig verneint habe.
Die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Frage nach der Schwerbehinderung im Vorfeld einer vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung steht im Zusammenhang mit der Pflichtenbindung des Arbeitgebers durch die Anforderungen des § 1 Abs. 3 KSchG, der die Berücksichtigung der Schwerbehinderung bei der Sozialauswahl verlangt, sowie durch den Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX, wonach eine Kündigung der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf. Sie soll es dem Arbeitgeber ermöglichen, sich rechtstreu zu verhalten. Die Frage diskriminiert behinderte Arbeitnehmer nicht gegenüber solchen ohne Behinderung. Auch datenschutzrechtliche Belange stehen der Zulässigkeit der Frage nicht entgegen. Infolge der wahrheitswidrigen Beantwortung der ihm rechtmäßig gestellten Frage nach seiner Schwerbehinderung ist es dem Kläger unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens verwehrt, sich im Kündigungsschutzprozess auf seine Schwerbehinderteneigenschaft zu berufen.

Quelle: Mitteilung vom 28.05.2012
Verband Kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rheinland-Westfalen-Lippe
Weißenburger Straße 12
44135 Dortmund
Tel.: 0231/ 579743
Fax: 0231/ 579754
E-Mail: info@vkm-rwl.de

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Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit

Beitrag von WernerSchell » 22.11.2014, 08:52

Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit

Bild

Die Aufforderung eines Arbeitgebers an die in seinem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer zu erklären, ob sie einer bestimmten Gewerkschaft angehören, kann die Koalitionsbetätigungsfreiheit der betroffenen Gewerkschaft unzulässig einschränken.

Die Klägerin - die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) - ist Mitglied der dbb tarifunion. Die beklagte Arbeitgeberin gehört dem Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern e.V. (KAV Bayern) an. Dieser schloss im Jahr 2006 mit ver.di und der dbb tarifunion jeweils einen gleichlautenden „Tarifvertrag Nahverkehrsbetriebe Bayern“. Nach deren Kündigungen und zunächst gemeinsam geführten Verhandlungen erzielte ver.di mit dem KAV Bayern am 20. August 2010 eine Einigung. Die dbb tarifunion erklärte die Verhandlungen am 25. August 2010 für gescheitert und kündigte die Durchführung einer Urabstimmung über Streikmaßnahmen an. Mit Schreiben vom selben Tag forderte die Arbeitgeberin die in ihrem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer auf, unter Angabe von Name und Personalnummer mitzuteilen, ob man Mitglied in der GDL ist oder nicht.

Die GDL hat von der Arbeitgeberin verlangt, es zu unterlassen, die in ihrem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer nach einer Mitgliedschaft in der GDL zu befragen. Eine solche Frage verletze ihre durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit und sei generell unzulässig. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat ihm mit Einschränkungen entsprochen. Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat den Antrag insgesamt abgewiesen.

Zwar beeinträchtigt die Fragebogenaktion die kollektive Koalitionsfreiheit der GDL. Art. 9 Abs. 3 GG schützt als koalitionsmäßige Betätigung den Abschluss von Tarifverträgen und hierauf gerichtete Arbeitskampfmaßnahmen. Die geforderte Auskunft verschafft der Arbeitgeberin genaue Kenntnis vom Umfang und Verteilung des Mitgliederbestands der GDL in ihrem Betrieb. Sie zielt nach Art und Weise der Befragung während einer laufenden Tarifauseinandersetzung mit Streikandrohung darauf ab, den Verhandlungsdruck der GDL unter Zuhilfenahme ihrer Mitglieder zu unterlaufen. Das von der Arbeitgeberin vorgebrachte Interesse, die mit ver.di erzielte Tarifeinigung umzusetzen, rechtfertigt eine solche Befragung nicht.

Gleichwohl hatte der nicht auf den vorstehenden Sachverhalt beschränkte, sondern alle denkbaren Fallgestaltungen umfassende Unterlassungsantrag der GDL aus deliktsrechtlichen Gründen keinen Erfolg. Der Senat hatte daher nicht darüber zu befinden, ob in einem sogenannten tarifpluralen Betrieb grundsätzlich ein Fragerecht des Arbeitgebers nach der Gewerkschaftszugehörigkeit besteht oder nicht. Die weiteren Unterlassungsanträge der GDL waren aus verfahrensrechtlichen Gründen abzuweisen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. November 2014 - 1 AZR 257/13 -
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil vom 7. November 2012 - 12 Sa 654/11 -

Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 18.11.2014 Nr. 61/14
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E-Mail: pressestelle@bundesarbeitsgericht.de  Internet: http://www.bundesarbeitsgericht.de
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