Überlastungsanzeige - Informationen gesucht

Arbeits- und Arbeitsschutzrecht, Allgemeine Rechtskunde (einschließlich Staatsrecht), Zivilrecht (z.B. Erbrecht)

Moderator: WernerSchell

Antworten
Sören

Überlastungsanzeige - Informationen gesucht

Beitrag von Sören » 20.07.2003, 13:56

Überlastungsanzeige - Informationen gesucht

Ich fand soeben dieses Forum und möchte gleich eine Frage einstellen:
Zum xten Mal diskutieren wir im Team (Krankenhaus) über die Überlastungsanzeige. Seit einiger Zeit sind wir zusätzlichem personellen Druck ausgesetzt, viele eigentlich notwendige Arbeiten bleiben unerledigt.
Wer hat von Euch Infos zur Überlastungsanzeige. Ich denke, wir können nicht mehr weiter still halten. Wir müssen gegenüber PDL / Arbeitgeber etwas unternehmen.
Dank Euch!
Sören

Gast

Re: Überlastungsanzeige - Informationen gesucht

Beitrag von Gast » 20.07.2003, 13:56

Hallo Sören,
zu dem von Dir angesprochenen Themenkreis gibt es im archivierten Forum umfangreiche Texteinstellungen, die umfassend informieren (mit der Suchfunktion auffindbar!). Nachfolgend habe ich eine Texteinstellung des Teams Werner Schell angefügt. Darin sind alle wesentlichen Aussagen gemacht. Auch in der Rubrik Rechtsalmanach, Nr. 16, gibt es einige Artikel zum Thema Überlastungsanzeige. Bitte dort nachlesen. Wenn es dann noch Fragen gibt, bitte wieder melden.
Gruß Berti

Texteinstellung im Forum von am 24.Dec.2001:

Zum Thema erreichen uns immer wieder Anfragen. Exemplarisch für die erbetenen Informationen ist der nachfolgende Text von Juli 2000:

Auf unserer Intensivstation in einem Haus der Maximalversorgung gibt es die Möglichkeit, Überlastungsanzeigen zu schreiben.
Meine Fragen zum Thema Überlastungsanzeigen:
1. Gibt es eine Rechtliche Grundlage für Überlastungsanzeigen?
2. Wann muss die Ueberlastunganzeige dem Vorgesetzen angezeigt werden?
2.a.) In schriftlicher Form, mit Unterschrift (wer muss unterschreiben)?
2.b.) reicht es aus die Ueberlastung telefonisch zu Dienstbeginn anzuzeigen?
3. Wann muessen Vorgesetzte (Kliniksleitungen) darauf reagieren, muessen sie abhilfe schaffen?
4. Duerfen Kliniksleitungen Ueberlastungsanzeigen ignorieren?
5. Inwieweit muss der Betriebsrat über die Thematik informiert werden?
6. Koennen Mitarbeitern der Station Nachteile entstehen, wenn sie Ueberlastungsanzeigen schreiben? Wenn ja, welche?

Dazu stellen wir unsere seinerzeit gegebene Antwort vor:
Wir wiederholen noch einmal unsere (per E-Mail) gegebene Empfehlung, sich in diesem Forum anhand früherer Texteinstellungen zum Thema Überlastungsanzeige ( und ggf. „Gefährliche Pflege“, „Sorgfaltspflicht“ ) zu informieren ( Textbeiträge können mittels Suchmaschine aufgefunden werden ). Zu den aufgeworfenen Fragen geben wir noch folgende allgemeine Hinweise:
1. Eine Rechtsvorschrift für Überlastungsanzeigen ist uns nicht bekannt.
2. Hinsichtlich der Formulierung und Gestaltung der Überlastungsanzeige gibt es ebenfalls keine konkreten Vorschriften. Wie Ihnen schon mitgeteilt wurde, stehen insoweit eher Zweckmäßigkeitserwägungen im Vordergrund. Oder anders: Eine Überlastungsanzeige sollte dann formuliert und abgeliefert werden, wenn sich die Arbeitsbedingungen entsprechend darstellen und sorgfältiges Arbeiten in Frage steht ( vgl. Schell, W. „Arbeits- und Arbeitsschutzrecht für die Pflegeberufe von A bis Z“. Brigitte Kunz Verlag, Hagen 1998 ). Es versteht sich, dass allein aus Beweisgründen eine schriftliche Überlastungsanzeige auf jeden Fall zweckmäßig ist. Sie sollte von demjenigen unterzeichnet werden, der die Überlastung beklagt. Erscheint eine Überlastungsanzeige dringlich, kann sie ggf. vorweg auch telefonisch erfolgen.
3. Da das Instrumentarium der Überlastungsanzeige nicht verbindlich geregelt ist, gibt es folgerichtig auch keine Rechtspflicht des Arbeitgebers, in irgendeiner Forum zu reagieren. Allerdings sind mit der Fertigung und Ablieferung einer Überlastungsanzeige die Haftungsvoraussetzungen ggf. verändert. Der Arbeitnehmer hat sich möglicherweise weitgehend von einer Haftung entlastet (Schuld ist eher auf den Arbeitgeber bzw. die Führungskräfte verlagert; Organisationsgewalt ist gefordert!).
4. Wenn Sie so wollen, können Überlastungsanzeigen ignoriert werden. Allerdings sind die genannten haftungsrechtlichen Voraussetzungen geändert ( siehe Nr. 3 ).
5. Wir sind in unseren bisherigen Meinungsäußerungen immer davon ausgegangen, dass es durchaus vernünftig ist, zeitgerecht die jeweilige Arbeitnehmervertretung ( z.B. Personalrat ) einzuschalten. Denn bei den Problemen, die Gegenstand einer Überlastungsanzeige sind, geht es oft um Angelegenheiten, die mehrere Bedienstete ( z.B. Schicht bzw. Station ) betreffen. Es sollte vielleicht auch bedacht werden, ob es sinnvoll ist, eine Überlastungsanzeige erst nach ( vergeblicher ) Einschaltung der Arbeitnehmervertretung abzuliefern.
6. Eine sachlich formulierte und objektive richtige Überlastungsanzeige sollte eigentlich aus Arbeitgebersicht begrüßt werden. Allerdings wird doch gelegentlich das Gegenteil festgestellt. Wegen der angedeuteten Haftungsverlagerung kann eine Verärgerung auf Arbeitgeberseite nicht ausgeschlossen werden. Arbeitsrechtliche Sanktionen ( Rüge, Abmahnung, Kündigung usw. ) wegen einer korrekten Überlastungsanzeige erscheinen uns aber als abwegig.
6. Ihre per E-Mail zum § 14 BAT gestellte Frage beantworten wir noch wie folgt: Der § 14 BAT verweist auf die beamtenrechtlichen Haftungsvorschriften mit der Folge, dass dem BAT unterworfene Bedienstete im Allgemeinen nur bei grober Fahrlässigkeit haften müssen ( vgl. hierzu z.B. Schell, W. „Haftpflichtversicherungen - Schadensregulierung bei Pflichtwidrigkeiten in Behandlung und Pflege“ in Zeitschrift, „Krankendienst“, 2/2000 ).
Mit freundlichen Grüßen
Team Werner Schell

Gast

Re: Überlastungsanzeige - Informationen gesucht

Beitrag von Gast » 20.07.2003, 13:57

Hallo, danke Dir für die schnellen und wirklich guten Infos!
mfG
Sören

Gast

Re: Überlastungsanzeige - Informationen gesucht

Beitrag von Gast » 26.07.2003, 22:54

Die von Berti vorgestellten Infos finde ich sehr wichtig. Allerdings darf auch nicht verschwiegen werden, dass einige Arbeitgeber / Führungskräfte nicht möchten, dass ihre Mitarbeiter Überlastungsanzeigen schreiben. Wenn dies dennoch geschieht, gibt es Vorhaltungen / Druck usw.
Dies ist zwar nicht korrekt. Ich will es aber dennoch sagen, damit niemand die Illusion bekommt, Überlastungsanzeigen wären überall willkommen.
Dass Überlastungsanzeigen meist keinerlei Konsequenzen nach sich ziehen (z.B. Organisationsentscheidung, Personaleinstellung), ist auch Fakt.
Auf jeden Fall sind aber solche Anzeigen nicht entbehrlich, Haftungsrisiken werden dem Arbeitnehmer weitgehend genommen!

Thomas Pietz

Gast

Re: Überlastungsanzeige - Informationen gesucht

Beitrag von Gast » 02.08.2003, 02:22

..vor einiger zeit habe ich erfahren, das es sehr nützlich sein kann,den personalrat mit in den verteiler für solche ü-anzeigen aufzunehmen...
geht es nämlich um mehrfach von den arbeitnehmern remonstrierte sachverhalte (unterbesetzung,gefahr v. pflegefehlern aufgrund mangelnder fachl.besetzung usw.)ist damit schon der erste schritt für eine handhabe gegen den ag getan...

liebe grüße

Gast

Re: Überlastungsanzeige - Informationen gesucht

Beitrag von Gast » 02.08.2003, 11:02

Es ist in der Tat anzuraten, die Arbeitnehmervertretung einzubeziehen. Vielleicht ist es sogar sinnvoll, vor Abfassung einer Überlastungsanzeige die Problemsituation mit dieser Vertretung zu bereden bzw. zu erkunden, ob und ggf. sie bereit ist, den Missständen entgegen zu treten. Meist ist es ja so, dass nicht nur ein Arbeitnehmer zur Überlastungsanzeige Veranlassung hat. Nicht selten sind mehrere Mitarbeiter betroffen, so dass sich die Einschaltung der Arbeitnehmervertretung geradezu aufdrängt. Leider hört man aber immer wieder, dass sich die Arbeitnehmervertretungen eher zurückhalten, d.h. im Zweifel weniger auf der Seite der Arbeitnehmer stehen.
Gruß Sven

Gast

Überlastungsanzeige - Vorsicht ist geboten !

Beitrag von Gast » 14.12.2003, 14:29

Hallo Experten,
ich kann nur dazu raten, mit Überlastungsanzeigen doch ein wenig vorsichtig umzugehen. Wer bei uns in dieser Richtung vorgeht, wird mit allen möglichen - egentlich abseitigen - Vorhaltungen unter Druck gesetzt. Gründe findet man immer. Das kann man mit dem Beginn von Mobbing umschreiben.
Also man muss die zwei Seiten beachten. Überlastungsnazeige kann richtig und notwendig sein. Wer aber voreilig oder etwas zu mutig mit einer Überlastungsanzeige ankommt, kann das Nachsehen haben. Ich will das nicht als korrekt beschreiben. Aber so isses nun mal.
MfG
Sebastian Küffen


WernerSchell
Administrator
Beiträge: 25301
Registriert: 18.05.2003, 23:13

Überlastungsanzeige im Bereich der Pflege

Beitrag von WernerSchell » 17.01.2009, 08:07

Buchtipp!

Verd.di b+b - Arbeitsmaterialien (Redaktion RA`in Doreen Lindner):

Die Überlastungsanzeige im Bereich der Pflege und sozialen Dienstleistungen

Näheres hier:
http://www.verdi-bub.de/buch/130019/cat/14/backPID/29/
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
Bild

WernerSchell
Administrator
Beiträge: 25301
Registriert: 18.05.2003, 23:13

Umgang mit Mängeln in Pflegeeinrichtungen - Buchtipp

Beitrag von WernerSchell » 14.02.2016, 07:40

Was sollten Pflegekräfte tun, wenn sie merken, dass die Pflege nicht mehr optimal gewährleistet werden kann? Welche Möglichkeiten bestehen, um korrekt auf Mängel aufmerksam zu machen, ohne dabei persönliche Nachteile (z.B. Rüge, Abmahnung, Kündigung) erfahren zu müssen? Das Buch "100 Fragen zum Umgang mit Mängeln in Pflegeeinrichtungen" informiert zur Rechtslage. Weil es hier in jüngster Zeit hier zahlreiche Anfragen (per Telefon bzw. E-Mail) von Pflegekräften gegeben hat, wird auf die Veröffentlichung aufmerksam gemacht wird
> viewtopic.php?f=5&t=21519
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
Bild

WernerSchell
Administrator
Beiträge: 25301
Registriert: 18.05.2003, 23:13

Entlastungsanzeige / Gefährdungsanzeige

Beitrag von WernerSchell » 11.08.2016, 07:18

Am 11.08.2016 bei Facebook gepostet:
Gefährdungsanzeige: Helios-Konzern scheitert mit Ausschlussverfahren gegen Betriebsratsmitglied Jana!
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk hält Gefährdungs- bzw. Entlastungsanzeigen für wichtig und für ein geeignetes Mittel,
auf personelle Engpässe aufmerksam zu machen.
viewtopic.php?f=5&t=21752
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
Bild

WernerSchell
Administrator
Beiträge: 25301
Registriert: 18.05.2003, 23:13

Überlastungsanzeige / Gefährdungsanzeige = Rechtspflicht

Beitrag von WernerSchell » 25.01.2018, 18:18

Am 25.01.2018 bei Facebook gepostet:
Pflegepersonal sollte den Arbeitgeber/Dienstgeber bei (mutmaßlichen oder tatsächlichen) Gefährdungen schnellstmöglich mittels Überlastungs- bzw. Gefährdungsanzeigen informieren. Damit wird der insoweit bestehenden Rechtspflicht entsprochen! So urteilte am 14.12.2017 das ArbG Göttingen und bestätigte eindrucksvoll klar die Rechtslage. Die Urteilsschrift liegt hier in anonymisierten Fassung vor und verdient uneingeschränkte Zustimmung. Versuche, die Beschäftigen von solchen Anzeigen abzuhalten, sind nicht akzeptabel, u.U sogar rechtsmissbräuchlich. In einer Buchveröffentlichung (von 2011) habe ich für die Beschäftigen bereits Handlungsanleitungen zum korrekten Vorgehen präsentiert. Angesichts der unzureichenden Stellenschlüssel sind Mitteilungen der hier angesprochenen Art vorprogrammiert.
> viewtopic.php?f=5&t=22435&p=101962#p101962
> http://www.wernerschell.de/Buchtipps/10 ... tungen.php
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
Bild

Antworten