Berufliche Flexibilität schadet der Psyche

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Berufliche Flexibilität schadet der Psyche

Beitrag von Presse » 17.08.2012, 05:25

Fehlzeiten-Report 2012: Zu viel berufliche Flexibilität schadet der Psyche

Berlin (ots) - Durch die zeitliche und räumliche Flexibilisierung der Arbeitswelt stoßen Arbeitnehmer an ihre psychischen Belastbarkeitsgrenzen. Insbesondere bei ständiger Erreichbarkeit, häufigen Überstunden, wechselnden Arbeitsorten und langen Anfahrtswegen zur Arbeit leiden Beschäftigte zunehmend an psychischen Beschwerden. Das belegt der heute in Berlin vorgestellte "Fehlzeiten-Report 2012" des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). "Im Grunde ist es gut für die Gesundheit, wenn Beschäftigte ihre Arbeit räumlich und zeitlich an die eigenen Bedürfnisse anpassen können. Aber diese Flexibilität braucht ihre Grenzen", sagte Helmut Schröder, Herausgeber des Fehlzeiten-Reports und stellvertretender Geschäftsführer des WIdO.

Eine repräsentative Befragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) für den neuen Fehlzeiten-Report belegt dies deutlich. Mehr als jeder dritte Erwerbstätige hat in den letzten vier Wochen häufig Anrufe oder E-Mails außerhalb der Arbeitszeit erhalten (33,8 Prozent) oder Überstunden geleistet (32,3 Prozent). Auch Arbeit mit nach Hause zu nehmen (12,0 Prozent) oder an Sonn- und Feiertagen zu arbeiten
(10,6 Prozent) stellt kein Randphänomen dar. Nahezu jeder achte Beschäftigte gibt zugleich an, dass er Probleme mit der Vereinbarkeit von Arbeit und Freizeit hat (13,2 Prozent) oder auch wegen beruflicher Verpflichtungen Pläne für private Aktivitäten geändert hat (12,8 Prozent).

"All diese Belastungen im Arbeitsalltag führen dazu, dass diese Beschäftigten mehr an psychischen Beschwerden leiden als diejenigen, die diesen Belastungen nicht ausgesetzt sind", erläuterte Helmut Schröder. Dabei berichten die Befragten nicht nur über Erschöpfung
(20,8 Prozent) oder das Problem in der Freizeit nicht abschalten zu können (20,1 Prozent), sondern auch über Kopfschmerzen (13,5 Prozent) oder Niedergeschlagenheit (11,3 Prozent). Nennt im Durchschnitt jeder Beschäftigte über 1,5 dieser Beschwerden in den letzten vier Wochen, führen die verschiedenen Entgrenzungsformen von Arbeit und Freizeit zu deutlich mehr psychischen Problemen: Bei häufig mangelnder Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit werden mehr als doppelt so viele Beschwerden benannt ( 3,2 ). Auch wer häufig private Aktivitäten aufgrund beruflicher Belange verschiebt ( 2,8 ), an Sonn- und Feiertagen arbeitet oder häufig Überstunden leistet ( jeweils 2,0 ) berichtet häufiger von psychischen Beschwerden.

Lust und Last der Mobilität

Immer öfter sind Arbeitnehmer mobil: Heute sind bereits rund 40 Prozent der Berufstätigen zirkulär oder residenziell mobil. Das heißt, sie sind entweder Wochenendpendler, pendeln täglich mindestens eine Stunde zur Arbeit oder haben ihren Wohnort aufgrund beruflicher Anforderungen gewechselt. Viele Beschäftigte nehmen auch lange Fahrtzeiten zu ihrem Arbeitsplatz in Kauf. Aus der räumlichen Mobilität ziehen Arbeitnehmer durchaus Vorteile, etwa indem sie Arbeitslosigkeit vermeiden oder Aufstiegschancen an anderen Orten nutzen. Gleichzeitig sind sie aber auch stärker psychischen Belastungen ausgesetzt. Die Beschäftigtenbefragung des WIdO belegt, dass die Belastung durch übermäßiges Pendeln mit einer Zunahme von psychischen Beschwerden wie Erschöpfung oder Niedergeschlagenheit einhergeht. Ergänzende Fehlzeitenanalysen bestätigen einen Zusammenhang von Fehltagen sowie Fallzahl psychischer Erkrankungen und der Länge des Anfahrtsweges zur Arbeit. Bei Beschäftigten, deren Arbeitsplatz mehr als 500 km von ihrem Wohnort entfernt ist, gab es
2011 statistisch fast einen halben Fehltag mehr aufgrund einer psychischen Erkrankung als bei Beschäftigten, die weniger als 30 km zur Arbeit pendeln. Die 7,5 Millionen bei der AOK versicherten Be-schäftigten, die bis zu 30 km zur Arbeit fahren, haben aufgrund von psychischen Erkrankungen knapp 12 Millionen Fehltage. Dies entspricht 9,1 Prozent der Fälle je 100 Versicherte. Dieser Wert steigt kontinuierlich mit der Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsort.
Bei Beschäftigten, die mehr als 500 km von ihrem Wohnsitz arbeiten, waren dies immerhin 11,1 Prozent. Damit unterliegen Pendler mit großen Strecken einem um 20 Prozent höheren Risiko, an psychischen Symptomen zu erkranken. "Hier gilt es, die Innovationen bei den modernen Kommunikationsmedien zu nutzen. So können Unternehmen und Beschäftigte Flexibilitätsanforderungen und gesundes Arbeiten besser miteinander in Einklang bringen", so Helmut Schröder.

Psychische Erkrankungen nehmen weiter zu

Parallel zur zunehmenden Flexibilisierung der Arbeitswelt nimmt die Zahl der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen bei den Beschäftigten weiter zu. Im Vergleich zu 2010 ist der Anteil der Arbeitsunfähigkeitstage im vergangenen Jahr um 0,3 Prozentpunkte angestiegen. Seit 1994 ist die Zahl der psychischen Erkrankungen um
120 Prozent angestiegen. Das macht sich bei den Fehlzeiten bemerkbar:
2011 waren Ausfallzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen mit im Schnitt 22,5 Tagen je Fall mehr als doppelt so lange wie andere Erkrankungen mit durchschnittlich 11 Tagen je Fall.

Immer häufiger lautet die Diagnose "Burnout". Nach einer Hochrechnung des WIdO, bezogen auf die mehr als 34 Millionen gesetzlich krankenversicherten Beschäftigten in Deutschland, waren
2011 mehr als 130.000 Personen wegen eines Burnouts krankgeschrieben.
Das führte zu insgesamt 2,7 Millionen Fehltagen. Betroffen waren insbesondere die Beschäftigten in sozialen Berufen. Außerdem waren Frauen häufiger betroffen als Männer.

Krankenstand nahezu auf Vorjahresniveau

Insgesamt ist der Krankenstand im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken und lag 2011 bei 4,7 Prozent. Im Durchschnitt dauerte eine Arbeitsunfähigkeit im vergangenen Jahr 11,0 Tage. Dabei hat sich der Krankenstand auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau eingependelt.
Die meisten der 140 Millionen Krankheitstage entfielen 2011 auf die Gruppe der Muskel- und Skeletterkrankungen (23,1 Prozent). Darauf folgen Atemwegserkrankungen (12,4 Prozent), akute Verletzungen (12,3
Prozent) und psychische Erkrankungen (9,6 Prozent).

Fehlzeiten differieren deutlich nach Branchen und Tätigkeiten

Die Fehlzeiten unterscheiden sich deutlich nach Branchen und Tätigkeiten. 2011 wurde in vielen Branchen ein Anstieg des Krankenstandes festgestellt. Der höchste Krankenstand war in der Branche "Energie, Wasser, Entsorgung und Bergbau" mit 5,6 Prozent zu finden. Ebenfalls hohe Krankenstände verzeichneten die Branchen "Öffentliche Verwaltung und Sozialversicherung" (5,5 Prozent), "Verkehr und Transport" (5,2 Prozent) sowie das Baugewerbe (4,9 Prozent). Die Branche "Banken und Versicherungen" hatte mit 3,3 Prozent den niedrigsten Krankenstand.

Die Berufsgruppen mit den meisten Ausfalltagen waren im Jahr 2011 vor allem in körperlich stark beanspruchenden Berufen zu finden, wie etwa bei Straßenreinigern und Abfallbeseitigern (28,4 Tage) sowie bei
Fleisch- und Wurstwarenherstellern (25,2 Tage). Die niedrigsten Krankenstände waren bei Hochschullehrern und Dozenten (4,4 Tage) zu verzeichnen.

Die vollständige Pressemitteilung und Graphiken auf http://www.wido.de und auf http://www.aok-presse.de

Quelle: Pressemitteilung vom 16.08.2012 Wissenschaftliches Institut der AOK
Pressekontakt: Wissenschaftliches Institut der AOK
Markus Meyer
Tel.: 030 / 346 46 2393
E-Mail: bgf@wido.bv.aok.de
AOK-Bundesverband
Pressestelle
Christine Göpner-Reinecke
Tel.: 030 / 346 46 2298
E-Mail: christine.goepner-reinecke@bv.aok.de

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Pendeln und gesundheitliche Beschwerden

Beitrag von WernerSchell » 23.04.2018, 06:26

Pendeln und gesundheitliche Beschwerden

(Quelle: BAuA) Rund die Hälfte aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer pendeln täglich bis zu 30 Minuten zur Arbeit, fast ein Drittel sogar bis zu einer Stunde. In dem jetzt veröffentlichten Faktenblatt "Pendeln und gesundheitliche Beschwerden" gibt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) einen Überblick über die Zusammenhänge von gesundheitlichen Beschwerden und dem täglichen Weg zur Arbeit. Das Ergebnis: Pendelzeiten können für Beschäftigte mit gesundheitlichen Beschwerden und Erschöpfung einhergehen. Zudem leidet die Work-Life-Balance unter der für den Arbeitsweg investierten Zeit.
Millionen Menschen in Deutschland pendeln oft dutzende Kilometer zur Arbeit. Mobilität ist eine Alltagserscheinung im Berufsleben. Dass diese Mobilität für die Menschen auch Nebenwirkungen haben kann, zeigen die Ergebnisse, zu denen die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) nach Auswertungen der repräsentativen BAuA-Arbeitszeitbefragung kommt.
Die Daten zeigen: Beschäftigte sind mit ihrer Work-Life-Balance umso unzufriedener, je mehr Zeit sie für das tägliche Pendeln investieren müssen. Mit längeren Wegezeiten nehmen zudem auch gesundheitliche Beschwerden, wie zum Beispiel Erschöpfung, Nacken- und Schulterschmerzen, Kopfschmerzen und Schlafstörungen zu.
Studien zeigen allerdings auch, dass sich diese Belastungen durch selbstbestimmte Arbeitszeiten, Gleitzeitregelungen oder planbare Arbeits- und Wegezeiten abmildern lassen können. Termin- und Leistungsdruck sowie fehlende Einflussmöglichkeiten können auf der anderen Seite verstärkend wirken.
Das Faktenblatt "Pendeln und gesundheitliche Beschwerden" gibt es als PDF im Internetangebot der BAuA unter www.baua.de/publikationen.

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Klarer Trend zu längeren Pendeldistanzen

(Quelle: IAB) Die mittlere Pendeldistanz von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist im Zeitraum von 2000 bis 2014 von 8,7 auf 10,5 Kilometer gestiegen. Das entspricht einem Zuwachs von 21 Prozent. Dabei pendeln Beschäftigte mit hohem Bildungsabschluss und komplexen Tätigkeiten am weitesten. Das zeigt eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Während der Anteil von Pendlern mit kürzeren Fahrstrecken zum Arbeitsplatz bis zehn Kilometer rückläufig ist, steigt der Anteil der Personen, die Distanzen zwischen zehn und 50 Kilometern zurücklegen. „Ein Grund hierfür ist, dass vermehrt nicht nur vom Land in die Stadt, sondern auch zwischen städtischen Regionen gependelt wird“, erklären die IAB-Forscher Wolfgang Dauth und Peter Haller.
Dabei pendeln Beschäftigte mit einem Hochschulabschluss mit im Mittel 14,5 Kilometern am weitesten. Die Distanz fällt für Personen ohne Berufsabschluss mit 8,8 und für Personen mit Berufsabschluss mit 10,5 Kilometern deutlich kürzer aus. Allerdings sind bei ihnen die Pendeldistanzen im Zeitraum von 2000 bis 2014 mit 22 bzw. 18 Prozent deutlich stärker angestiegen als die bei Hochqualifizierten mit sieben Prozent. „Offenbar ist auch für Personen mit niedrigerem formalem Bildungsniveau (mehr und mehr) eine höhere regionale Flexibilität erforderlich. Gerade in Großstädten sind die Mieten sehr stark gestiegen, sodass diese Beschäftigten eher in Vororten wohnen und in das Zentrum fahren müssen“, schreiben die IAB-Arbeitsmarktforscher.
Unterscheidet man die Distanzen nach den beruflichen Tätigkeiten der Pendler, bestätigt sich der Trend, der bei der Auswertung der Pendeldistanzen nach dem Bildungsniveau sichtbar wurde. Einfache Tätigkeiten sind mit kürzeren Strecken zum Arbeitsplatz verbunden (9,2 km), mit steigendem Anforderungsprofil erhöht sich die Entfernung (10,9 km bei qualifizierten Tätigkeiten). Besonders auffällig ist die Pendelstrecke für Ingenieurinnen und Ingenieure. Sie pendeln mit mehr als 18 Kilometern am weitesten.
Aus der IAB-Studie geht zudem hervor, dass die Entfernung zum Arbeitsplatz für Männer im Schnitt größer ist als für Frauen. So liegt die mittlere Pendeldistanz von Männern bei 12,5 km, die von Frauen bei 8,8 km. Für Frauen ist die mittlere Pendeldistanz aber stärker gestiegen als für Männer (26 Prozent bzw. 18 Prozent).
Um die Pendelverflechtungen von Metropolen mit ihrem Umland zu veranschaulichen, haben die Forscher drei Beispiele miteinander verglichen: Berlin, München sowie die Rhein-Ruhr-Region um Düsseldorf, Essen und Dortmund. Im Umland von Großstädten wie Berlin und München leben viele Beschäftigte mit langem Weg zur Arbeit. Dagegen sind die Pendeldistanzen in der dicht besiedelten Region um Düsseldorf, Essen und Dortmund deutlich kürzer.
Die Studie ist im Internet abrufbar unter http://doku.iab.de/kurzber/2018/kb1018.pdf. Dabei wurden neue Daten und Analyseverfahren genutzt, um die Pendlerbewegungen erheblich genauer als in bisherigen Studien üblich abzubilden. Dies erlaubt, Aussagen über Pendelbewegungen innerhalb und zwischen Metropolregionen, Städten und Gemeinden zu treffen, die bisher nicht möglich waren.

Quelle: Mitteilung vom 23.04.2018
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