Arbeitskampf in kirchlichen Einrichtungen - 2. und 3. Weg

Arbeits- und Arbeitsschutzrecht, Allgemeine Rechtskunde (einschließlich Staatsrecht), Zivilrecht (z.B. Erbrecht)

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Arbeitskampf in kirchlichen Einrichtungen - 2. und 3. Weg

Beitrag von Presse » 20.11.2012, 18:08

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.11.2012 Nr. 81/12
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cg ... ritter_Weg

Arbeitskampf in kirchlichen Einrichtungen - Dritter Weg

Verfügt eine Religionsgesellschaft über ein am Leitbild der Dienstgemeinschaft ausgerichtetes Arbeitsrechtsregelungsverfahren, bei dem die Dienstnehmerseite und die Dienstgeberseite in einer paritätisch besetzten Kommission die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten gemeinsam aushandeln und einen Konflikt durch den neutralen Vorsitzenden einer Schlichtungskommission lösen (sog. Dritter Weg), dürfen Gewerkschaften nicht zu einem Streik aufrufen. Das gilt jedoch nur, soweit Gewerkschaften in dieses Verfahren organisatorisch eingebunden sind und das Verhandlungsergebnis für die Dienstgeberseite als Mindestarbeitsbedingung verbindlich ist.

Die Evangelische Kirche von Westfalen, die Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, deren Diakonische Werke sowie vier diakonische Einrichtungen und ein Zusammenschluss mehrerer Diakonischer Werke haben von der beklagten Gewerkschaft ver.di nach Warnstreiks verlangt, Aufrufe zu Streiks in diakonischen Einrichtungen zu unterlassen. Sie haben sich darauf berufen, durch Streiks in ihrem grundrechtlich geschützten kirchlichen Selbstbestimmungsrecht verletzt zu werden. Ver.di hat demgegenüber geltend gemacht, aufgrund ihrer verfassungsrechtlich vorbehaltlos eingeräumten Koalitionsbetätigungsfreiheit könne sie auch in kirchlichen Einrichtungen zu Streiks aufrufen. Das Landesarbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen.

Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Revisionen der Kläger zurückgewiesen. Die Beeinträchtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts durch einen Arbeitskampf ist nicht ausnahmslos rechtswidrig. Das Recht der Evangelischen Kirche von Westfalen und ihrer diakonischen Einrichtungen aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV, die eigenen Angelegenheiten zu ordnen und zu verwalten, ist funktional auf die Verwirklichung der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG bezogen. Sein Schutzbereich umfasst auch die Entscheidung, die Arbeitsbedingungen der in der Diakonie beschäftigten Arbeitnehmer nicht mit Gewerkschaften durch Tarifverträge zu regeln, sondern entsprechend ihrem religiösen Bekenntnis einem eigenständigen, am Leitbild der Dienstgemeinschaft ausgerichteten Arbeitsrechtsregelungsverfahren zu überantworten. Das schließt die Befugnis ein, die Regelung der Arbeitsbedingungen einer paritätisch besetzten Arbeitsrechtlichen Kommission sowie einer Schiedskommission mit einem unparteiischen Vorsitzenden zu übertragen.

Dieses - von staatlichen Gerichten nicht zu überprüfende - religiöse Bekenntnis kollidiert mit der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalitionsfreiheit einer Gewerkschaft, sofern sich die Religionsgesellschaft der Privatautonomie zur Begründung von Arbeitsverhältnissen bedient. Ein wesentlicher Zweck der geschützten Koalitionsbetätigungsfreiheit ist der Abschluss von Tarifverträgen zur Regelung der Mindestarbeitsbedingungen ihrer Mitglieder. Soweit die Verfolgung dieses Koalitionszwecks vom Einsatz bestimmter Mittel abhängt, werden diese vom Schutz des Grundrechts erfasst. Dazu zählen auch Arbeitskampfmaßnahmen, soweit sie funktional auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet sind. Die Gewährleistungen des Art. 9 Abs. 3 GG sind allerdings nicht auf die Tarifautonomie beschränkt, sondern erfassen auch konsensuale Lösungen.

Diese Grundrechtskollision haben staatliche Gerichte bei der Entscheidung über einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch einem schonenden Ausgleich nach dem Grundsatz praktischer Konkordanz zuzuführen. Bei einer hiernach vorzunehmenden Güterabwägung bestimmen sich auf Seiten der Religionsgesellschaft Maß und Gewicht der Beeinträchtigung nach ihrem Selbstverständnis. Hiernach führt ein Arbeitskampf zur Erzwingung eines Tarifvertrags zur Auflösung der Dienstgemeinschaft. Er beeinträchtigt in schwerwiegender Weise das diakonische Wirken und beschädigt die Glaubwürdigkeit der Kirche. Demgegenüber bewirken der Ausschluss tarifautonomer Arbeitsrechtssetzung und eines Arbeitskampfes zu deren Erzwingung eine substanzielle Beschränkung des Koalitionsbetätigungsrechts einer Gewerkschaft. Zudem werden ihre Möglichkeiten zur Mitgliederwerbung, die für den Fortbestand einer Gewerkschaft unerlässlich ist, ganz erheblich gemindert.

Die Gewichtung dieser grundrechtlich geschützten Belange zur Herstellung praktischer Konkordanz lässt ein Zurücktreten der Rechte einer Gewerkschaft nur zu, sofern diese sich innerhalb des Dritten Weges noch koalitionsmäßig betätigen kann, die Arbeitsrechtssetzung auf dem Dritten Weg für die Dienstgeber verbindlich ist und als Mindestarbeitsbedingung den Arbeitsverträgen auch zugrunde gelegt wird.

Hiervon ausgehend waren die Klagen der dem Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen zuzuordnenden Kläger schon deshalb unbegründet, weil dort für die Arbeitgeberseite die Möglichkeit besteht, einseitig zwischen unterschiedlichen Arbeitsrechtsregelungen des Dritten Weges zu wählen. Die übrigen Revisionen waren aus allgemeinen verfahrensrechtlichen oder deliktsrechtlichen Gründen zurückzuweisen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 13. Januar 2011 - 8 Sa 788/10 -

+++
Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.11.2012 Nr. 82/12
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cg ... weiter_Weg

Arbeitskampf in kirchlichen Einrichtungen - Zweiter Weg

Entscheidet sich die Kirche, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten ihrer diakonischen Einrichtungen nur dann durch Tarifverträge auszugestalten, wenn eine Gewerkschaft zuvor eine absolute Friedenspflicht vereinbart und einem Schlichtungsabkommen zustimmt, sind Streikmaßnahmen zur Durchsetzung von Tarifforderungen unzulässig.

Der Kläger ist ein von der vormaligen Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche (NEK) gegründeter Arbeitgeberverband. Im Bereich der NEK galten seit 1961 Tarifverträge für die in den kirchlichen Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmer. Diese werden von dem klagenden Arbeitgeberverband mit Gewerkschaften abgeschlossen. Der Kläger macht die Aufnahme von Tarifverhandlungen vom Abschluss eines Grundlagentarifvertrags abhängig, nach dem Arbeitskampfmaßnahmen zur Durchsetzung eines Tarifvertragsabschlusses unzulässig sind. Nach einer Schlichtungsvereinbarung entscheidet eine Schlichtungsstelle im Konfliktfall unter dem Vorsitz eines unparteiischen Schlichters über das Zustandekommen des Tarifvertrags (sog. Zweiter Weg).

Der Bundesverband des Marburger Bundes forderte den Kläger im Jahr 2007 zu Tarifverhandlungen über den Abschluss eines Tarifvertrags für die bei den diakonischen Anstellungsträgern der NEK beschäftigten Ärzte auf. Da der Bundesverband den vom Kläger verlangten Verzicht auf die Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen ablehnte, kam es nicht zur Aufnahme von Tarifverhandlungen. Am 31. August 2009 führte der Landesverband Hamburg des Marburger Bundes einen Streik in einem diakonischen Krankenhaus in Hamburg durch, den ihm das Arbeitsgericht Hamburg vorab im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens rechtskräftig erlaubt hatte.

Der Kläger verlangt vom Bundesverband des Marburger Bundes und dessen Landesverband Hamburg, Streikmaßnahmen in Einrichtungen seiner Mitglieder zu unterlassen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Die Revision des Klägers blieb vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Die Entscheidung der NEK, auf der Grundlage eines am Leitbild der Dienstgemeinschaft ausgerichteten Tarifvertragsverfahrens die Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten zu regeln, fällt in den Schutzbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV, Art. 4 GG. Dieses bekenntnisgemäß modifizierte Tarifvertragsverfahren schließt den Arbeitskampf aus. Das kollidiert mit dem Recht einer Gewerkschaft aus Art. 9 Abs. 3 GG, sich durch den Abschluss von Tarifverträgen koalitionsmäßig zu betätigen und hierfür Arbeitskampfmaßnahmen einzusetzen.

Bei einer hiernach vorzunehmenden Güterabwägung ist zu berücksichtigen, dass sich eine Gewerkschaft auf dem Zweiten Weg koalitionsmäßig betätigen kann. Zwar kann sie zur Durchsetzung ihrer Tarifforderungen keinen Verhandlungsdruck durch Streikandrohung entfalten. Sie führt aber die Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite autonom und muss keine Rücksicht auf die Interessen von Nichtmitgliedern nehmen. Ihr bleibt ein erhebliches Maß an Einflussnahme. Sie kann unmittelbar und intensiv ihrer vom Grundgesetz vorausgesetzten Zweckbestimmung nachkommen, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu Gunsten ihrer Mitglieder zu beeinflussen. Die Nutzung des staatlichen Tarifrechts im Zweiten Weg garantiert zudem die Verbindlichkeit von Tarifabschlüssen als Mindestarbeitsbedingung. Abweichungen zu Lasten gewerkschaftlich Organisierter sind den verbandsgebundenen diakonischen Dienstgebern nicht möglich. Dieser Schutz kommt der Gewerkschaft auch bei der Mitgliederwerbung zugute. Danach hat ihr Streikrecht gegenüber dem im Zweiten Weg zum Ausdruck kommenden kirchlichen Selbstbestimmungsrecht zurückzutreten.

Allerdings hat der Kläger nicht darlegen können, dass aufgrund vergangener Arbeitskampfmaßnahmen der Beklagten die ernstliche Besorgnis weiterer Störungen besteht. Das Arbeitsgericht Hamburg hatte seinen Antrag auf Untersagung des am 31. August 2009 durchgeführten Streiks rechtskräftig abgewiesen. Damit stand fest, dass der Landesverband des Marburger Bundes diesen Arbeitskampf durchführen durfte. Hieran war der Senat gebunden. Weitere Streiks fanden nach diesem Zeitpunkt gegenüber Mitgliedern des Klägers nicht mehr statt. Damit fehlte es gegenüber beiden Beklagten an einer für das Unterlassungsbegehren notwendigen Verletzungshandlung.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. November 2012 - 1 AZR 611/11 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 23. März 2011 - 2 Sa 83/10 -

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Streikrecht in Kirchlichen Einrichtungen

Beitrag von Presse » 20.11.2012, 18:12

Pressemitteilung vom 20.11.2012
Dokumentennummer: 1279
Arbeitsgruppe: Arbeit und Soziales

Streikrecht in Kirchlichen Einrichtungen
Zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Frage des Streikrechts in Kirchlichen Einrichtungen erklären der zuständige Berichterstatter im Ausschuss Arbeit und Soziales Ottmar Schreiner und die Kirchenbeauftragte Kerstin Griese:
Heute hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass kirchlich Beschäftigten nicht generell das Streiken verboten werden darf. Gleichzeitig wurde das grundgesetzlich verankerte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen auch in arbeitsrechtlichen Fragen bestätigt.
Dieses Urteil bietet die Chance, dass gleiche Arbeitnehmerrechte für alle Beschäftigten gelten und Gewerkschaften künftig an den Verhandlungen der Arbeitsrechtlichen Kommissionen beteiligt werden. Das Urteil entspricht unserer Vorstellung, dass das Streikrecht ein Grundrecht ist, das unteilbar ist.
Die Auseinandersetzungen beruhen auch auf den Veränderungen in der sozialen Arbeit. Wir sehen Entwicklungen wie Lohndumping und Outsourcing im Sozial- und Gesundheits- und Pflegebereich mit großer Sorge und wollen Regelungen finde, die für alle Anbieter sozialer Arbeit gelten. Wir brauchen deshalb einen Branchentarifvertrag Soziales, der für allgemeinverbindlich erklärt wird, um Lohndumping zu beenden und soziale Arbeit zu würdigen.

Die komplette Pressemitteilung finden Sie hier:
http://www.spdfraktion.de/presse/presse ... richtungen

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Position von Kirche und Diakonie klar gestärkt

Beitrag von Presse » 21.11.2012, 07:28

EKD begrüßt Erfurter Urteil zum Arbeitsrecht Hans Ulrich Anke:
"Position von Kirche und Diakonie klar gestärkt"


Hannover (ots) - Der Präsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Hans Ulrich Anke, hat sich erfreut über das heutige Urteil des Bundesarbeitsgerichtes geäußert: "Wir begrüßen, dass das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil die verfassungsrechtliche Position der Kirche und ihrer Diakonie gestärkt hat. Zwar wurde in einem Fall der Antrag aus der Diakonie abgewiesen, weil der diakonische Arbeitgeber ein Wahlrecht zwischen unterschiedlichen Arbeitsrechtsregelungen hatte, und die übrigen Anträge sind aus formalen Gründen abgewiesen worden. In der Sache aber wurde das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen klar bestätigt.
Durch das Mitbestimmungsverfahren im Dritten Weg erfolgt die Regelung der Arbeitsentgelte und der sonstigen Arbeitsbedingungen unter Beachtung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts. Für die Lösung von Konflikten steht eine neutrale und verbindliche Schlichtung zur Verfügung."

Zum Thema Streik sagte der Präsident: "Über 40 Jahre Erfahrung mit dem Dritten Weg zeigen, dass auch ohne Arbeitskampfmaßnahmen gute Tarifwerke gemeinschaftlich mit der Mitarbeiterschaft entwickelt werden können." Die Erfurter Entscheidung, so Anke weiter, nehme ernst, dass der kirchliche Auftrag von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Dienstgemeinschaft wahrgenommen werde. Anke verwahrte sich dabei entschieden gegen den Vorwurf des Lohndumpings, der von Seiten der Gewerkschaften geäußert wurde: "Die materiellen Ergebnisse des Dritten Weges zeigen, dass sich die Arbeitsbedingungen in der Kirche und ihrer Diakonie sehen lassen können und keinen Vergleich mit anderen Anbietern im Sozial- und Gesundheitswesen scheuen müssen."

Im Sinne der heutigen Bestätigung unserer Rechtsposition, so der Präsident weiter, "haben wir uns vorgenommen, die Ausgestaltung der Arbeitsrechtsregelungen mit unseren Sozialpartnern in der Diakonie weiter zu entwickeln. Dafür haben die Synode und der Rat der EKD mit ihren Beschlüssen aus den vergangenen Monaten den Weg gewiesen". Von Bedeutung sei dabei, dass das Gericht darauf hingewiesen habe, dass es innerhalb des Dritten Weges kein einseitiges Wahlrechts des Arbeitsgebers geben dürfe. Abschließend bekräftigte. Anke: "Wir sind bei der Weiterentwicklung unseres Arbeitsrechts nach wie vor zum Dialog mit den Gewerkschaften bereit und laden sie erneut zur Beteiligung am Dritten Weg ein."

Quelle: Pressemitteilung vom 20.11.2012 EKD Evangelische Kirche in Deutschland
Pressekontakt: Evangelische Kirche in Deutschland
Reinhard Mawick
Herrenhäuser Strasse 12
D-30419 Hannover
Telefon: 0511 - 2796 - 269
E-Mail: reinhard.mawick@ekd.de

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Position von Diakonie und Kirche klar gestärkt

Beitrag von Presse » 21.11.2012, 07:30

Pressemitteilung vom 20.11.2012:

Diakonie begrüßt Erfurter Urteil zum Arbeitsrecht Oberkirchenrat Johannes Stockmeier: "Position von Diakonie und Kirche klar gestärkt"

Erfurt, 20.November 2012 Der Präsident der Diakonie Deutschland, Oberkirchenrat Johannes Stockmeier, hat sich erfreut über das heutige Urteil des Bundesarbeitsgerichtes geäußert: "Wir begrüßen, dass das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil die verfassungsrechtliche Position der Kirche und ihrer Diakonie gestärkt hat. Zwar wurde in einem Fall der Antrag aus der Diakonie abgewiesen, weil der diakonische Arbeitgeber ein Wahlrecht zwischen unterschiedlichen Arbeitsrechtsregelungen hatte, und die übrigen Anträge sind aus formalen Gründen abgewiesen worden. In der Sache aber wurde das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen klar bestätigt. Durch das Mitbestimmungsverfahren im Dritten Weg erfolgt die Regelung der Arbeitsentgelte und der sonstigen Arbeitsbedingungen unter Beachtung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts. Für die Lösung von Konflikten steht eine neutrale und verbindliche Schlichtung zur Verfügung."

Zum Thema Streik sagte der Diakonie-Präsident: "Über 40 Jahre Erfahrung mit dem Dritten Weg zeigen, dass auch ohne Arbeitskampfmaßnahmen gute Tarifwerke gemeinschaftlich mit der Mitarbeiterschaft entwickelt werden können." Die Erfurter Entscheidung, so Stockmeier weiter, nehme ernst, dass der kirchliche Auftrag von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Dienstgemeinschaft wahrgenommen werde. Stockmeier verwahrte sich dabei entschieden gegen den Vorwurf des Lohndumpings, der von Seiten der Gewerkschaften geäußert wurde: "Die materiellen Ergebnisse des Dritten Weges zeigen, dass sich die Arbeitsbedingungen in der Kirche und ihrer Diakonie sehen lassen können und keinen Vergleich mit anderen Anbietern im Sozial- und Gesundheitswesen scheuen müssen."

Im Sinne der heutigen Bestätigung unserer Rechtsposition, so der Diakonie- Präsident weiter, "haben wir uns vorgenommen, die Ausgestaltung der Arbeitsrechtsregelungen mit unseren Sozialpartnern weiter zu entwickeln. Dafür haben die Synode und der Rat der EKD mit ihren Beschlüssen aus den vergangenen Monaten den Weg gewiesen". Von Bedeutung sei dabei, dass das Gericht darauf hingewiesen habe, dass es innerhalb des Dritten Weges kein einseitiges Wahlrechts des Arbeitsgebers geben dürfe. Abschließend bekräftigte Stockmeier:
"Wir sind bei der Weiterentwicklung unseres Arbeitsrechts nach wie vor zum Dialog mit den Gewerkschaften bereit und laden sie erneut zur Beteiligung am Dritten Weg ein."

Für Rückfragen und weitere Informationen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.

******************************
Ute Burbach-Tasso, Pressesprecherin
Pressestelle, Zentrum Kommunikation
Telefon +49 30 65211-1780 | Fax +49 30 65211-3780
E-Mail: pressestelle@diakonie.de
Diakonie Deutschland - Evangelischer Bundesverband Caroline-Michaelis-Str. 1 | 10115 Berlin Telefon +49 30 65211-0 | Fax +49 30 65211-3333
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Bundesarbeitsgericht urteilt zu kirchlicher Arbeitsrechtsset

Beitrag von Presse » 21.11.2012, 07:45

Bundesarbeitsgericht urteilt zu kirchlicher Arbeitsrechtssetzung

Streik in der Diakonie kann nicht völlig ausgeschlossen werden
Weil in der Diakonie nicht verbindlich kirchliches Recht angewendet wird, dürfen Gewerkschaften auch zum Streik für den Abschluss von Tarifverträgen aufrufen


Die Satzungen fast aller Diakonischen Werke sehen eine Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Arbeitsrechten vor, die in einem kirchlich anerkannten Verfahren zustande gekommen sind; darüber hinaus werden durch Leitungsorgane von Diakonischen Werken weitere Ausnahmen davon zugelassen. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes bedeutet dies eine einseitige Festlegung der Arbeitsbedingungen durch die Arbeitgeberseite.
Das führe zu dem Schluss, dass nicht einmal das kirchliche Recht verbindlich auf alle Mitarbeitenden der Diakonie angewendet wird, so wie es im Verfahren vor den Gerichten dargestellt wurde. Daher hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 20. November 2013 Kirche und Diakonie eine Absage erteilt, weiter darauf zu bestehen, dass Arbeitsrechtsregelungen nur auf dem DRITTEN WEG zustande kommen können, bei dem das Streikrecht völlig ausgeschlossen ist.
Eine Abwägung zwischen dem grundgesetzlich geschützten Koalitionsrecht der Gewerkschaften und dem immer wieder von der Kirche betonten Selbstverwaltungsrecht lässt ein Zurücktreten der Rechte einer Gewerkschaft nur zu, sofern diese sich innerhalb des Dritten Weges noch koalitionsmäßig betätigen kann, die Arbeitsrechtssetzung auf dem DRITTEN WEG für die Dienstgeber verbindlich ist und als Mindestarbeitsbedingung den Arbeitsverträgen auch zugrunde gelegt wird. Kirche und Diakonie hatten immer wieder behauptet, ihr eigenes System mit der dazugehörenden Zwangsschlichtung sei besser und schließe Arbeitskampf aus, der mit dem kirchlichen Selbstverständnis nicht zu vereinbaren sei.
Grundsätzlich geht also das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass ein kircheneigene System der Arbeitsrechtssetzung bestehen kann, allerdings müssen Gewerkschaften eingebunden werden. Damit wird wohl auch eine Besetzung von Arbeitsrechtlichen Kommissionen mit Mitarbeitervertretungen zu hinterfragen sein.
In Zukunft wird Kirche und Diakonie darauf zu achten haben, die Rahmenbedingungen unter denen verhandelt wird, gemeinsam mit der Arbeitnehmerseite zu verabreden.

Quelle: Mitteilung vom 20.11.2012
Verband Kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rheinland-Westfalen-Lippe
Weißenburger Straße 12
44135 Dortmund
Tel.: 0231/ 579743
Fax: 0231/ 579754
E-Mail: info@vkm-rwl.de

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Bundesarbeitsgericht lockert Streikverbot in der Kirche

Beitrag von WernerSchell » 21.11.2012, 07:59

Deutsches Ärzteblatt - 20. November 2012
Bundesarbeitsgericht lockert Streikverbot in der Kirche
Erfurt – Auch Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen haben unter bestimmten Umstän­den ein Recht auf Streik. Das entschied das Bundesarbeitsgericht am Dienstag in Erfurt. Die Richter machten in ihrem Urteil zur Bedingung, dass die auf dem „Dritten Weg“ getroffenen Vereinbarungen verbindlich sind und die Gewerkschaften an den Verhand­lungen beteiligt werden. Ansonsten dürfe zu Streiks aufgerufen werden. Die evan­gelische Kirche hatten den Gewerkschaften Verdi und Marburger Bund verbieten wollen, in Einrichtungen der Diakonie zu Streiks aufzurufen. (Az: 1 AZR 179/11 und 1 AZR 611/11) ..... mehr ....
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/52466
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Kirchenspezifisch geprägtens Regelungssystem

Beitrag von Presse » 22.11.2012, 07:32

Marburger Bund - Bundesverband
Verband der angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte Deutschlands e.V.
Pressemitteilung Nr. 35 vom 21. November 2012


Statement des MB-Vorsitzenden Rudolf Henke zu den Urteilen des Bundesarbeitsgerichts

Zu den gestrigen Urteilen des Bundesarbeitsgerichts in der Frage von Streiks in kirchlichen Einrichtungen (Zweiter Weg und Dritter Weg) erklärt der 1. Vorsitzende des Marburger Bundes, Rudolf Henke:

„Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Abwägung von Grundrechtspositionen den Versuch unternommen, einen Interessenausgleich zu beschreiben, der das Selbstbestimmungsrecht der Kirche anerkennt und die durch Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz geschützten Rechte der Gewerkschaften wahren soll. Die Praxis wird zeigen, ob die Kirchen dem Anspruch eines eigenständigen, am christlichen Glaubensbekenntnis orientierten und aus dem Leitbild der Dienstgemeinschaft abgeleiteten Regelungsverfahrens gerecht werden können. Wenn im kirchlichen Krankenhaus betriebswirtschaftliche Eigengesetze übermächtig in den Vordergrund treten und das Christliche verdrängen, dann lässt sich das kirchliche Privileg auf Dauer nicht mehr wirksam vertreten. Das schriftlich formulierte Urteil wird wesentlichen Einfluss auf die künftige Ausgestaltung eines kirchenspezifisch geprägten Regelungssystems nehmen.“
_____________________________________________
Marburger Bund Bundesverband
Referat Verbandskommunikation
Hans-Jörg Freese (Pressesprecher)
Reinhardtstraße 36 - 10117 Berlin
Tel.: 030/746846-40
Handy: 0162-2112425
presse@marburger-bund.de
http://www.marburger-bund.de

Der Marburger Bund ist der Verband aller angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte in Deutschland. Mit mehr als 110.000 Mitgliedern ist er der größte Ärzteverband mit freiwilliger Mitgliedschaft in Europa und Deutschlands einzige Ärztegewerkschaft.

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Streiks können durchaus legitimiert sein

Beitrag von Presse » 22.11.2012, 13:16

Deutsches Ärzteblatt vom 22.11.2012:

Kirchliche Krankenhäuser: „Streiks können durchaus legitimiert sein"
Erfurt/Berlin – Caritas und Diakonie dürfen weiterhin selbst bestimmen, wie sie in ihren Einrichtungen die Arbeitsbedingungen regeln.
Dies gilt aber nur, soweit die Gewerkschaften organisatorisch über die Arbeitsrechtlichen Kommissionen in dieses Verfahren eingebunden
sind und das Verhandlungsergebnis für die Dienstgeberseite als Mindestarbeitsbedingung verbindlich ist. Das hat der Erste Senat
des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt entschieden.

Fünf Fragen an Rudolf Henke, den 1. Vorsitzenden der Ärztegewerkschaft Marburger Bund
.... (weiter lesen unter ) .... http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/52487

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Pflegekräfte sollten sich organisieren

Beitrag von Pflegefan » 25.11.2012, 10:49

Hallo Leute,
die hier vorgestellten Urteile des BAG sind sicherlich ein Schritt nach vorne. Aber jetzt sollten sich auch mehr Pflegekräfte darüber Gedanken machen, ob sie nicht einer Gewerkschaft beitreten und damit den Druck für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Vergütungen erhöhen helfen.
M.E. ist immer noch ein großes Problem der Pflege, dass der Organisationsgrad völlig unzureichend ist.
Viele Grüße Pflegefan
"Die Menschenwürde ist unanstastbar" (Art. 1 Grundgesetz). Dies muss in der Pflege oberste Handlungsmaxime sein - für alle!

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Re: Pflegekräfte sollten sich organisieren

Beitrag von PflegeCologne » 27.11.2012, 08:46

Pflegefan hat geschrieben: ... die vorgestellten Urteile des BAG sind sicherlich ein Schritt nach vorne. Aber jetzt sollten sich auch mehr Pflegekräfte darüber Gedanken machen, ob sie nicht einer Gewerkschaft beitreten und damit den Druck für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Vergütungen erhöhen helfen. M.E. ist immer noch ein großes Problem der Pflege, dass der Organisationsgrad völlig unzureichend ist.
Korrekt, so ist es.
Pflege Cologne
Alzheimer - eine Krankheit, die mehr Aufmerksamkeit erfordert! - Pflegesystem muss dem angepasst werden, auch, wenn es teurer wird! - Ich bin dabei:
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de

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Pflegekräfte sollten sich organisieren & Druck aufbauen

Beitrag von Anja Jansen » 28.11.2012, 07:50

Pflegefan hat geschrieben: .... die hier vorgestellten Urteile des BAG sind sicherlich ein Schritt nach vorne. Aber jetzt sollten sich auch mehr Pflegekräfte darüber Gedanken machen, ob sie nicht einer Gewerkschaft beitreten und damit den Druck für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Vergütungen erhöhen helfen.
M.E. ist immer noch ein großes Problem der Pflege, dass der Organisationsgrad völlig unzureichend ist.
Guten Morgen,
dieser Beurteilung stimme ich auch gerne zu. Denn ein höherer Organisationsgrad in der Pflege erscheint mir wichtig und nötig. Dann können auch mit dem gehörigen Druck berechtigte Forderungen durchgesetzt werden, ggf. mit Streik. Dieses Bedrohungspotential hat bislang weitgehend gefehlt.
MfG Anja
Es ist mehr Aufmerksamkeit für dementiell erkrankte Menschen nötig. Unser Pflegesystem braucht deshalb eine grundlegende Reform!

Rob Hüser
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Arbeitsbedingungen und Vergütungen verhandeln

Beitrag von Rob Hüser » 29.11.2012, 08:11

Die Entscheidung des BAG zum möglichen Streikrecht in kirchlichen Einrichtungen ist zunächst begrüßenswert. Es bleibt zu hoffen, dass nunmehr die Gewerkschaften in die Verhandlungen über Arbeitsbedingungen und Vergütungen eingebunden werden. Ob es aber irgendwann zu einem Streik kommen kann, hängt von dem Verhalten der Beschäftigten ab. Sie müssen sich mehr um einen höheren Organisationsgrad bemühen.

Rob
Das Pflegesystem muss dringend zukunftsfest reformiert werden!

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Gewerkschaft Verdi will Kirchen bestreiken

Beitrag von Gaby Modig » 29.12.2012, 08:22

Die Rheinische Post, Düsseldorf, berichtet am 29.12.2013:

Gewerkschaft Verdi will Kirchen bestreiken
VON MAXIMILIAN PLÜCK UND FRANK VOLLMER - zuletzt aktualisiert: 29.12.2012
Düsseldorf (RP). Sollten sich die kirchlichen Arbeitgeber weigern, Tarifverträge mit Verdi abzuschließen, will Frank Bsirske zum Arbeitskampf aufrufen.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi will den Druck auf die kirchlichen Arbeitgeber erhöhen. Gewerkschaftschef Frank Bsirske kündigte im Gespräch
mit unserer Zeitung an, bei denjenigen Trägern zum Arbeitskampf aufzurufen, die sich nicht auf Tarifverhandlungen mit Verdi einlassen wollen:
"Dort werden wir 2013 Druck mit Streiks machen. ...
http://nachrichten.rp-online.de/titelse ... -1.3119209
Pflegesystem verbessern - weg von der Minutenpflege. Mehr Pflegepersonal ist vonnöten!

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Diakonie will Beschlüsse des Bundesarbeitsgericht umsetzen

Beitrag von Service » 27.10.2013, 07:11

Diakonie will Beschlüsse des Bundesarbeitsgericht umsetzen

(Quelle: Diakonie) Die Konferenz Diakonie und Entwicklung hat eine neue Ordnung für die Arbeitsrechtliche Kommission der Diakonie Deutschland beschlossen. Damit versucht die Diakonie Deutschland auf eine Forderung des Bundesarbeitsgerichtes zu reagieren, das im November 2012 das Streikverbot bei Kirche und Diakonie an Bedingungen geknüpft hat. So müssen Gewerkschaften weiterhin organisatorisch in die Verfahren der Arbeitsrechtssetzung bei Kirche und Diakonie eingebunden werden.
Zu den wesentlichen Neuerungen gehört daher die Besetzung der Dienstnehmerseite der Kommission. Mitwirkungsbereite Gewerkschaften und Mitarbeiterverbände aus den vier Regionen Nord, Süd, Ost, West entsenden zukünftig jeweils drei Vertreter. Die Hälfte der Mitglieder der Dienstnehmerseite muss beruflich im kirchlichen oder diakonischen Dienst stehen. Die ACK-Klausel, nach der die Mitglieder der Kommission einer christlichen Kirche angehören müssen, fällt weg.
Die Neuordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission der Diakonie Deutschland entspricht auch der Änderung des Arbeitsrechtsregelungsgrundsätzegesetzes der EKD (ARGG-EKD), das die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland voraussichtlich im November beschließen wird. Das ARRGG enthält die Grundsätze für die Arbeitsrechtsregelungsverfahren sowohl für den Dritten als auch den kirchengemäßen Zweiten Weg.
Ein weiterer Beschluss der Konferenz ist ebenfalls eine Konsequenz aus dem BAG- Urteil. Die "Rahmenbestimmung Mitgliedschaft" der Diakonie Deutschland legt fest, dass diakonische Dienstgeber das Arbeitsrecht nicht mehr einseitig festlegen können. Welches Arbeitsrecht angewandt wird, muss durch die Arbeitsrechtliche Kommission von Dienstgebern und Dienstnehmern gleichermaßen beschlossen werden.

Quelle: 26.10.2013
Verband Kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rheinland-Westfalen-Lippe
Weißenburger Straße 12
44135 Dortmund
Tel.: 0231/ 579743
Fax: 0231/ 579754
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Sozialethiker warnt vor Glaubwürdigkeitsproblemen

Beitrag von Service » 10.11.2013, 07:26

Sozialethiker warnt vor Glaubwürdigkeitsproblemen

(Quelle: Böckler-Stiftung) Beim Arbeitsrecht gehen die Kirchen einen Sonderweg: Beschäftigte dürfen nicht streiken und müssen sich zum Teil weitgehende Vorschriften für ihr Privatleben gefallen lassen. Die Argumente dafür sind wenig stichhaltig. Zu diesem Ergebnis kommt Prof. Dr. Hartmut Kreß, Professor für Sozialethik an der Universität Bonn.
"Gott kann man nicht bestreiken" - so brachte die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe 2010 ihre Haltung zum Streikrecht für kirchliche Beschäftigte auf den Punkt. Hartmut Kreß hat das Für und Wider dieser Haltung erörtert. Der Professor an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn hat sich in einem Gutachten für die Hans-Böckler-Stiftung mit den Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts auseinandergesetzt. Er stellt fest, "dass die Kirchen für ihren Binnenbereich und daher auch für ihr Arbeitsrecht bis heute die Grund- und Menschenrechte nicht anerkennen". Seiner Analyse zufolge ist diese Position weder sozial- und rechtsethisch noch theologisch zu rechtfertigen.
Wenn es um arbeitsrechtliche Fragen geht, berufen sich die Kirchen auf ihr Selbstverwaltungsrecht und die Glaubensfreiheit, schreibt der Wissenschaftler. Infolgedessen habe sich eine Art Nebenrechtsordnung entwickelt - mit Konsequenzen für zahlreiche Beschäftigte. Zusammengenommen sind die Kirchen der zweitgrößte Arbeitgeber nach dem Staat. Ihrem Leitbild zufolge sollen kirchliche Arbeitgeber und Beschäftigte partnerschaftlich zusammenwirken und Entscheidungen im Konsens treffen. Für die Tariffindung etwa ist eine paritätisch besetzte Kommission zuständig. Streiks würden diesem Konzept nach kirchlicher Lesart zuwiderlaufen: Durch sie drohe "Kampf und Konfrontation".
Der Autor hält diese Ansicht für wenig überzeugend. Denn als Arbeitgeber verzichte die Kirche keinesfalls auf Druckmittel wie Disziplinarmaßnahmen oder Entlassungen, die wenig mit dem christlichen Ideal der Liebe und Versöhnung zu tun hätten. Dieses Ideal einseitig gegen das Streikrecht zu wenden, sei unstimmig - zumal die Arbeitnehmer bei Interessenkonflikten in der Regel in der schwächeren Position seien. Auch dass Arbeitsniederlegungen gegen das Gebot der Nächstenliebe verstoßen, weil sie die karitative oder diakonische Tätigkeit unterbrechen, bezweifelt der Theologe. Denn zum einen richteten sich Streiks gegen Missstände bei den Arbeitsbedingungen, die der Motivation und damit der praktizierten Nächstenliebe der Beschäftigten schaden. Sie könnten also auch den Adressaten sozialer Einrichtungen nutzen. Zum anderen hätten bestreikte Einrichtungen beispielsweise die Möglichkeit, Versorgungslücken durch Not- und Vertretungsdienste zu vermeiden.
Kreß sieht das kirchliche Streikverbot auch deshalb kritisch, weil es pauschal für sämtliche Mitarbeiter gilt - obwohl sie zum Teil gar nicht Kirchenmitglieder sind und dieselbe Arbeit verrichten wie Beschäftigte in nichtkirchlichen Einrichtungen. Faktisch seien medizinische, pflegerische oder erzieherische Tätigkeiten in kirchlichen Einrichtungen "weltliche" Aufgaben, so der Experte. Und dass weltliche Anbieter bestreikt werden dürfen, bejahen sowohl die katholische Soziallehre als auch evangelische Quellen.
Die Linie der Kirche laufe darauf hinaus, ihrem eigenen Selbstbestimmungsrecht den Vorrang vor individuellen Rechten der Beschäftigten einzuräumen, konstatiert der Gutachter. Ideelle Grundlage des modernen Verfassungsstaats sei dagegen der Schutz der persönlichen Grundrechte, von denen sich die korporative Religionsfreiheit der Kirchen lediglich ableite. Das gelte es bei Interessenkonflikten zwischen kirchlichen Arbeitgebern und ihren Arbeitnehmern oder Gewerkschaften zu berücksichtigen. Dass die Kirchen sich regelmäßig für die Wahrung der Menschenrechte aussprechen, sie dem eigenen Personal aber zum Teil vorenthalten, warnt Kreß, könnte zu Glaubwürdigkeitsproblemen führen.

Quelle: Mitteilung vom 09.11.2013
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