Grippeschutzimpfung in stationären Pflegeeinrichtungen

Arbeits- und Arbeitsschutzrecht, Allgemeine Rechtskunde (einschließlich Staatsrecht), Zivilrecht (z.B. Erbrecht)

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desiderata
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Grippeschutzimpfung in stationären Pflegeeinrichtungen

Beitrag von desiderata » 23.10.2012, 10:44

Grippeschutzimpfung in stationären Pflegeeinrichtungen

ich bin krankenschwester und arbeite in einem vollstat. pflegebereich.
das heim hat einen kooperationsvertrag mit 2 hausärzten, die eine vielzahl ( nicht alle) an bewohnern betreuen. der hausarzt erschien zur visite, legte 10 fertigampullen grippeimpfstoff auf den tisch und sagte:" hier, die können sie den bew. spritzen, dann die namen auf einen zettel schreiben und mir nächste woche geben. ihre pdl ist einverstanden."
andere hausärzte untersuchen die bew. und bringen auch sterile tupfer mit. sind dann anwesend, wenn sie von uns verlangen, die impfungen durchzuführen.
auf nachfrage bei der pdl bekamen wir die antwort:" na als fachkraft müssen sie doch erkennen, ob jemand einen infekt hat...."

sämtliche fachkräfte unseres bereiches lehnen dies ab. auf anderen bereichen wurde durch die kollegen kritiklos geimpft. wie sollten wir und verhalten
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Herbert Kunst
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Grippeschutzimpfung - Patientenselbstbestimmung achten

Beitrag von Herbert Kunst » 23.10.2012, 17:13

Hallo,
die Grippeschutzimpfung ist ein Körpereingriff, der nur unter den üblichen Voraussetzungen durchgeführt werden darf. D.h. mit anderen Worten: Der Arzt darf nur unter Achtung der Patientenselbstbestimmung handeln, also nach Aufklärung und Einwilligung, ggf. durch den rechtlichen Vertreter. Bei der Beurteilung der medizinischen Indikation muss natürlich auch eine etwaige entgegenstehende Gesundheitslage Berücksichtigung finden. Dies ist klar Arztsache.
Nur wenn alle aufgezeigten Aspekte bedacht bzw. beachtet sind, kann das dafür geeignete nichtärztliche Fachpersonal auf Delegation hin die Impfung durchführen.
Es wird über die beschriebene Impfsituation hinaus sogar eigentlich für sinnvoll erachtet, mit den im Heim tätig werdenden Ärzten aussagekräftige Kooperationsvereinbarungen zu schließen. Alle Beteiligten können so abschätzen, wo ihre jeweiligen Verantwortlichkeiten liegen. Dabei sind auch Haftungserwägungen zu berücksichtigen. Nichtärztliches Personal hat nämlich einen Anspruch darauf, gegen Haftpflichtansprüche abgesichert zu sein, wenn es per Delegation ärztliche Aufgaben übernimmt.
Gruß
Herbert Kunst
Für menschenwürdige Pflege sind wir alle verantwortlich! - Dazu finde ich immer wieder gute Informationen unter http://www.wernerschell.de

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Grippeschutzimpfung - Patientenselbstbestimmung achten

Beitrag von WernerSchell » 23.10.2012, 17:26

Ergänzende Mitteilung für die Fragestellerin:

Herbert Kunst hat die richtigen Hinweise gegeben. Dem ist im Moment nichts hinzuzufügen.
Wir werden das Thema "ärztliche Versorgung in den stationären Pflegeeinrichtungen" im Übrigen beim Pflegetreff am 14.11.2012 in Neuss-Erfttal umfassend erörtern - siehe dazu die Informationen unter
viewtopic.php?t=17341
Dabei wird sicherlich verdeutlicht werden, dass den Ärzten mehr Verantwortung in der Heimversorgung obliegt, als gemeinhin angenommen wird.

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell
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https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Anja Jansen
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Impfen ja - aber unter Beachtung der üblichen Regeln

Beitrag von Anja Jansen » 24.10.2012, 07:08

Hallo desiderata,
die geschilderten Impfvorgänge in Eurer Einrichtung sind m.E. nicht akzeptabel. Die gegebenen Antworten treffen die Problematik.
Die Ärzte sind vorrangig in der Verantwortung und müssen die üblichen Regeln der Delegationsprinzipien achten. Auch bei der PDL sehe ich Fortbildungsbedarf.
Wenn schon Pflegekräfte für die Ärzte Aufgaben übernehmen, muss das rechtlich sauber über die Bühne gehen. Es ist daher richtig, dass auch auf die Haftungsseite hingewiesen wurde.
LB Grüße Anja
Es ist mehr Aufmerksamkeit für dementiell erkrankte Menschen nötig. Unser Pflegesystem braucht deshalb eine grundlegende Reform!

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Beitrag von desiderata » 24.10.2012, 09:24

ich werde auch weiter darauf beharren, NICHT zu impfen. es ist zudem betrug in doppeltem sinne. der arzt kassiert das honorar für die nicht selbst erbrachte leistung. dann soll er eine arzthelferin aus seiner praxis mitbringen, die ja schließlich von ihm auch ein gehalt bezieht und zum anderen ist es betrug am bewohner. die von mir aufgebrachte impfzeit geht der ohnehin schon knappen pflegezeit verloren. dann gebe ich lieber noch ein getränk oder fahre einen bewohner mal in den garten.

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Grippeschutzimpfung - Durchführung delegierbar

Beitrag von Kevin Bednarz » 25.10.2012, 06:39

Zur Zeit ist die Grippeschutzimpfung in aller Munde, sozusagen ein hochaktuelles Thema.
Grundsätzlich ist die Impfung eine ärztliche Aufgabe. Sie kann allerdings unter Beachtung der üblichen Delegationserwägungen auch vom nichtärztlichen Personal durchgeführt werden. Die Grundentscheidung muss aber immer beim Arzt liegen.
Wenn in einem Heim die Pflegedienstleitung mit dem Arzt abgestimmt hat, dass die technische Ausführung dem angestellten Personal obliegen soll, ist dies rechtlicht beachtlich. Allerdings muss die Entscheidung der "Führungsetage" anhand der üblichen Delegationserwägungen hinterfragt werden. Und dies kann dazu führen, dass die Ausführung durch das nichtärztliche Personal unterbleibt. Dies muss man aber den Führungskräften mitteilen. Sie müssen wissen, dass der "Auftrag" nicht ausgeführt wird.

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Beitrag von desiderata » 25.10.2012, 11:32

ja, das ist geschehen. ich habe der pdl gesagt, dass ich die impfungen nicht vornehmen werden. und auch persönliche gründe benannt. sie war daraufhin ziemlich sauer und stellte meine fachlichkeit in frage. ich habe ihr daraufhin gesagt, dass man eher die kollegen in frage stellen sollte, die kritiklos "darauflosimpfen...."

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Ganz schön mutig!

Beitrag von Kevin Bednarz » 25.10.2012, 11:38

desiderata hat geschrieben: ja, das ist geschehen. ich habe der pdl gesagt, dass ich die impfungen nicht vornehmen werden. und auch persönliche gründe benannt. sie war daraufhin ziemlich sauer und stellte meine fachlichkeit in frage. ich habe ihr daraufhin gesagt, dass man eher die kollegen in frage stellen sollte, die kritiklos "darauflosimpfen...."
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Re: Ganz schön mutig!

Beitrag von desiderata » 25.10.2012, 21:34

Kevin Bednarz hat geschrieben:
desiderata hat geschrieben: ja, das ist geschehen. ich habe der pdl gesagt, dass ich die impfungen nicht vornehmen werden. und auch persönliche gründe benannt. sie war daraufhin ziemlich sauer und stellte meine fachlichkeit in frage. ich habe ihr daraufhin gesagt, dass man eher die kollegen in frage stellen sollte, die kritiklos "darauflosimpfen...."
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K.B.
ich bin jetzt 26 jahre in diesem beruf. da darf man schon ein bischen mutig sein, denke ich :wink:

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