Zwangsverheiratung ist Gewalt

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Zwangsverheiratung ist Gewalt

Beitrag von Presse » 10.11.2011, 07:39

Kristina Schröder: "Wer seine Kinder gegen ihren Willen verheiratet, tut ihnen Gewalt an"

Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröder hat am 9. November der Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration, Staatsministerin Prof. Dr. Maria Böhmer, die Studie "Zwangsverheiratung in Deutschland - Anzahl und Analyse von Beratungsfällen" übergeben.

Mit der Studie werden erstmals bundesweit Erkenntnisse über Menschen, die von Zwangsverheiratung bedroht oder betroffen sind, erhoben und ausgewertet. Zum Problem Zwangsverheiratung gab es bislang nur wenige wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse in Deutschland. Das Bundesfamilienministerium hat deshalb die Studie in Auftrag gegeben, in der erstmals bundesweit Erkenntnisse von Beratungseinrichtungen über Menschen, die von Zwangsverheiratung bedroht oder betroffen sind, erhoben und systematisch ausgewertet werden.

Erzwungene Heirat ist Verlust der Selbstbestimmung

"Wer seine eigenen Kinder gegen ihren Willen zu einer Heirat mit jemand Ungeliebten oder sogar Wildfremden zwingt, tut ihnen brutale Gewalt an", erklärte Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröder. "Wer von Zwangsverheiratung bedroht ist und sich dagegen zur Wehr setzt, riskiert die Isolierung innerhalb der Familie. Und wer sich nicht nur wehrt, sondern dem Zwang durch Flucht entgeht, muss mit der zeitweisen oder sogar völligen Kappung jeglicher familiärer Anbindung rechnen.
Dem Verlust der Selbstbestimmung durch eine erzwungene Heirat steht also immer die Gefahr gegenüber, mit dem Ruf nach Hilfe automatisch den Anschluss an die eigene Familie zu verlieren. Das ist ein grausames Dilemma. Wir können und müssen etwas gegen die Einschüchterung und das Leid der Opfer tun, indem wir von bloßen Hilfsangeboten Stück für Stück weiter kommen hin zu mehr aktiven, Mut machenden Hilfsinitiativen."

Die Studie "Zwangsverheiratung in Deutschland" beruht auf der Befragung von Expertinnen und Experten in Beratungs- und Schutzeinrichtungen in ganz Deutschland. An einer anschließenden Dokumentation individueller Beratungsfälle nahmen rund 100 Beratungsstellen teil. Zusätzlich wurden Untersuchungen in Schulen, Integrationszentren, Einrichtungen der Jugendhilfe und bei Migrantenselbstorganisationen durchgeführt.

Zentrale Ergebnisse der Studie:

In Deutschland sind überwiegend Menschen mit Migrationshintergrund im Alter zwischen 18 und 21 Jahren von Zwangsverheiratung bedroht und betroffen, in vielen Fällen haben sie die deutsche Staatsangehörigkeit. In erster Linie sind Frauen und Mädchen betroffenen, 30 Prozent von ihnen sind jünger als 17 Jahre.
Häufigstes Herkunftsland der Eltern ist mit 44 Prozent die Türkei, gefolgt von Serbien (mit Kosovo und Montenegro), Irak und Afghanistan (jeweils 6 bis 9 Prozent der Eltern).
Zwangsverheiratung geht oft einher mit familiärer Gewalt. Zwei Drittel der Betroffenen haben schon als Kinder und Jugendliche Gewalt erlitten. Dabei steht psychische Gewalt an erster Stelle, gefolgt von körperlicher und sexueller Gewalt. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, dass sie körperlichen Angriffen ausgesetzt sind, um in die Ehe gezwungen zu werden, 27 Prozent wurden mit Waffen und sogar Mord bedroht.
Auch Jungen und Männer sind von Zwangsverheiratung bedroht oder betroffen (rund 6 Prozent der für die Studie erfassten Betroffenen). Für viele von ihnen unterscheiden sich jedoch die Konsequenzen sowie der Umgang mit Zwang von den betroffenen Frauen und Mädchen. Nur wenige Männer sehen sich als Opfer und thematisieren den Zwang. Daher suchen auch nur wenige männliche Betroffene Beratungsstellen auf, zumal spezialisierte Beratungsangebote fehlen. Diejenigen, die Beratung suchten, wurden ebenso wie Mädchen und Frauen massiv mit Gewalt bedroht.
Wegen der großen Dunkelziffer kann auch diese Studie keine Hinweise darauf geben, wie viele Fälle von Zwangsehen es in Deutschland gibt. Für die Untersuchung wurden im Jahr 2008 insgesamt 3.443 von Zwangsverheiratung Betroffene in 830 Beratungsstellen erfasst. Rund 60 Prozent von ihnen drohte eine Zwangsehe, bei 40 Prozent war die Zwangsehe bereits vollzogen. Ein Teil der Betroffenen wurde dabei mehrfach erfasst, da schätzungsweise zwischen 14 und 43 Prozent der Betroffenen mehrere Einrichtungen aufgesucht haben.

Durchgeführt wurde die Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von einem Konsortium, geführt von der Lawaetz-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Büro Torsten Schaak und TERRE DES FEMMES, Berlin.

Quelle: Pressemitteilung vom 09.11.2011
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Internet: http://www.bmfsfj.de

Gaby Modig
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Zwangsverheiratung in Deutschland

Beitrag von Gaby Modig » 13.11.2011, 11:22

Zu dem Thema gibt es übrigens eine Buchveröffentlichung:
Zwangsverheiratung in Deutschland“, erschienen im Verlag Barbara Budrich!
Gaby
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WernerSchell
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Zwangsverheiratungen in Deutschland

Beitrag von WernerSchell » 19.11.2011, 17:01

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Zwangsverheiratungen in Deutschland
Anzahl und Analyse von Beratungsfällen


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Zwangsverheiratungen in Deutschland

Beitrag von WernerSchell » 14.03.2016, 18:43

Zwangsverheiratungen in Deutschland
Recht und Verbraucherschutz/Antwort

Berlin: (hib/PST) In Deutschland werden jährlich rund sechzig Zwangsheiraten polizeilich erfasst, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (18/7749 http://dip.bundestag.de/btd/18/077/1807749.pdf ) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/7516 http://dip.bundestag.de/btd/18/075/1807516.pdf ). In den Jahren 2012 bis 2014 erfasse die Polizeiliche Kriminalstatistik 56, 62 und 58 Fälle. Die Bundesregierung geht darüber hinaus aufgrund von Studien sowie Erkenntnissen von Hilfsorganisationen von einer sehr hohen Dunkelziffer aus, die sich aber nicht genauer eingrenzen lasse. Nach dem 2011 geschaffenen neuen Straftatbestand (Paragraf 237 des Strafgesetzbuches) habe es 2012 und 2013 erst drei Urteile gegeben, darunter einen Freispruch. Neuere Zahlen lägen der Bundesregierung noch nicht vor. Auch zu einer Reihe weiterer Fragen verweist die Bundesregierung auf nicht vorliegende Erkenntnisse und nicht abgeschlossene Prüfungen.

Quelle; Mitteilung vom 14.03.2016
Deutscher Bundestag
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Tel.: +49 30 227-35642, Fax +49 30 227-36001
E-Mail: vorzimmer.puk2@bundestag.de
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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