Jetzt wird der Arbeitgeber fies!

Arbeits- und Arbeitsschutzrecht, Allgemeine Rechtskunde (einschließlich Staatsrecht), Zivilrecht (z.B. Erbrecht)

Moderator: WernerSchell

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Hasilein
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Jetzt wird der Arbeitgeber fies!

Beitrag von Hasilein » 10.08.2009, 12:12

Hallo!

Im Fall der Arzthelferin habe ich eben folgendes erfahren:
Der Arzt hat heute zu der Helferin gesagt, dass die Krankmeldung nicht angekommen sei und dass er ihr deswegen fristlos kündigen möchte.
Um ihr die Krankenversicherung zu erhalten, biete er ihr an, ihr 100€ Brutto auszubezahlen.
Und er behauptet, dass sie (die Helferin) ihn mit ihrem Verhalten (AU nicht geschickt) als link hinstellen möchte.
Sie habe angeblich ja auch keine Zeugen oder keine Bestätigung dafür, dass sie ordentlich und fristgerecht gekündigt habe, eine Unterschrift hat sie tatsächlich nicht, aber eine Kollegin war zu dem Augenblick anwesend, als sie zum Arzt reingegangen ist, um die Kündigung abzugeben.
Sie hat sich heute eine Zweitschrift der ersten AU besorgt und sie als Einschreiben mit Rückschein inclusive der neuen AU an den Arzt geschickt.
Wie kann sie sich jetzt weiter verhalten?

Gruss
Hasi
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Rauel Kombüchen
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Re: Jetzt wird der Arbeitgeber fies!

Beitrag von Rauel Kombüchen » 10.08.2009, 13:18

Hasilein hat geschrieben:.... aber eine Kollegin war zu dem Augenblick anwesend, als sie zum Arzt reingegangen ist, um die Kündigung abzugeben. Sie hat sich heute eine Zweitschrift der ersten AU besorgt und sie als Einschreiben mit Rückschein inclusive der neuen AU an den Arzt geschickt. Wie kann sie sich jetzt weiter verhalten? ....
Hallo Hasi,
wichtige Schriftstücke müssen zugehen - und das muss man im Zweifel beweisen. Die Kollegin, die den "Arztbesuch" bestätigen kann, ist möglicherweise hilfreich. Aber wahrscheinlich wird sie nichts über den Zweck des Besuches und das Aushändigen eines Schriftsatzes sagen können. Wenn man jetzt dem Arzt entsprechend "fies" - und vor allem erfolgreich - entgegen treten will, muss man sich wohl eines Anwalts für Arbeitsrecht bedienen. Dies auch mit Rücksicht auf die in Aussicht genommene fristlose Kündigung.
MfG Rauel
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Karl Büser
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Kündigungsstreit - ggf. an anwaltliche Hilfe denken

Beitrag von Karl Büser » 11.08.2009, 07:23

Guten Morgen Hasi,
hallo Forum / MitleserInnen!

Bei einer Kündigung kommt es immer auf den (zeitgerechten) Zugang der Kündigung an. Der Kündigende muss im Zweifel den Zugang beweisen. Kann er dies nicht, hat er ggf. schlechte Karten in einem Streitverfahren.
Wenn außer Zugang und Beweis weitere Fragestellungen eine Rolle spielen, können sich schnell die Fronten verhärten. Dann kämpft jeder mit den Mitteln, die ihm die Rechtsordnung bieten.
In der konkreten Streitsache wird also folglich die Gegenseite versuchen, mit allen Mitteln erfolglich zu sein. Dem muss man Rechnung tragen und eventuell die kompetente Beratung eines Anwalts suchen. Eine solche Beratungshilfe kann sich bezahlt machen.

Mit freundlichen Grüßen
Karl
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WernerSchell
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Beweislast im Kündigungsschutzprozess

Beitrag von WernerSchell » 07.02.2016, 07:31

Beweislast für Zusammenhang zwischen Kündigung und Forderung nach Überstundenbezahlung

LAG Main, Urteil v. 22.04.2015, 4 Sa 577/14; PM DAV ArbR 12/15 v. 07.12.2015

Ein Arbeitnehmer trägt die Beweislast für seine Behauptung, dass die Forderung nach Bezahlung der Überstunden der entscheidende Grund für die Kündigung gewesen ist.
Aus den Gründen:
Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung sowie über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von Überstundenvergütung.
Der Kläger war bei den Beklagten, die Ferienappartements vermieten, auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages als "Mitarbeiter" beschäftigt. Anfang 2014 wurde ihm gekündigt. Er erhob Kündigungsschutzklage und nahm die Beklagten auf Zahlung von Vergütung für 935 Überstunden i.H.v. insgesamt ca. 13.000 Euro in Anspruch. Er argumentierte, die Kündigung beruhe auf willkürlichen und sachfremden Motiven. Das sei bereits daran zu erkennen, dass sein Arbeitgeber zeitgleich mit seiner Kündigung einen anderen Mitarbeiter eingestellt habe. Darüber hinaus sei die Kündigung ausgesprochen worden, nachdem er in einem Gespräch im September 2013 eine Bezahlung seiner zahlreichen Überstunden und die Einhaltung der arbeitsvertraglichen Arbeitszeit gefordert habe. Das habe seinen Arbeitgeber zur Kündigung veranlasst.
Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Gegen das Urteil legte der Kläger Berufung ein.
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts darf in der Tat der Arbeitgeber einen Mitarbeiter bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht deshalb benachteiligen, weil dieser seine Rechte ausübt. Dieses sog. Maßregelungsverbot sei aber nur dann verletzt, wenn zwischen Benachteiligung und Rechtsausübung ein unmittelbarer Zusammenhang bestehe.
Die Forderung nach Bezahlung der Überstunden müsse der entscheidende Grund für die Kündigung gewesen sein. Beweisen müsse dies der Mitarbeiter. Das Landesarbeitsgericht habe diesen Zusammenhang nicht erkennen können. Zwischen der Forderung nach Bezahlung der Überstunden im September und der Kündigung seien nahezu drei Monate vergangen. Von einem engen zeitlichen Zusammenhang könne daher nicht mehr gesprochen werden. Auch ansonsten gebe es keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass diese Forderung das wesentliche Motiv für die Kündigung gebildet habe.

Quelle: Mitteilung vom 06.02.2016
Verband Kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rheinland-Westfalen-Lippe
Weißenburger Straße 12
44135 Dortmund
Tel.: 0231/ 579743
Fax: 0231/ 579754
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Verspätete Lohnzahlung - Pauschal-Schadensersatz

Beitrag von WernerSchell » 18.12.2016, 07:31

Arbeitgeber muss bei verspäteter Lohnzahlung pauschal 40 Euro zahlen

Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln vom 22. November 2016 - 12 Sa 524/16 -

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Die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln hat entschieden, dass ein Arbeitgeber, der Arbeitslohn verspätet oder unvollständig auszahlt, dem Arbeitnehmer gemäß § 288 Absatz 5 BGB einen Pauschal-Schadensersatz in Höhe von 40 Euro zu zahlen hat.
Nach dem 2014 neu eingefügten § 288 Absatz 5 BGB hat der Gläubiger einer Entgeltforderung bei Verzug des Schuldners neben dem Ersatz des durch den Verzug entstehenden konkreten Schadens Anspruch auf die Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Diese Pauschale ist auf den Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist. Da es im Arbeitsrecht – anders als im allgemeinen Zivilrecht - keinen Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten gibt, ist umstritten, ob die gesetzliche Neuregelung gerade deswegen im Arbeitsrecht relevant wird oder ob im Hinblick auf das Fehlen eines Anspruchs auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten auch die 40-Euro-Pauschale wegfällt.
Das LAG Köln hat diese Rechtsfrage nunmehr erstmals obergerichtlich entschieden und - anders als die Vorinstanz - die Anwendbarkeit der 40-Euro-Pauschale auf Arbeitsentgeltforderungen bejaht.
Es verneint eine Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht. Bei der 40-Euro-Pauschale handele es sich um eine Erweiterung der gesetzlichen Regelungen zum Verzugszins, der auch auf Arbeitsentgeltansprüche zu zahlen sei. Auch der Zweck der gesetzlichen Neuregelung – die Erhöhung des Drucks auf den Schuldner, Zahlungen pünktlich und vollständig zu erbringen – spreche für eine Anwendbarkeit zugunsten von Arbeitnehmern, die ihren Lohn unpünktlich oder unvollständig erhalten.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zugelassen.

Quelle: Mitteilung vom 18.12.2016
Verband Kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rheinland-Westfalen-Lippe
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Verspätete Lohnzahlung - Arbeitgeber haftet für geringeres Elterngeld

Beitrag von WernerSchell » 07.09.2020, 06:36

Verspätete Lohnzahlung - Arbeitgeber haftet für geringeres Elterngeld

Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf vom 27.05.2020 - 12 Sa 716/19 -

Der Arbeitgeber, ein Zahnarzt, hatte seiner schwangeren Arbeitnehmerin, einer zahnmedizinischen Mitarbeiterin, den monatlichen Bruttolohn für die Monate Oktober, No-vember und Dezember 2017, die ihr aufgrund eines allgemeinen mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbotes zustand, erst im März des Jahres 2018 gezahlt. Dies führte dazu, dass diese drei Monate für die Berechnung des Elterngeldes der Arbeitnehmerin mit 0 Euro angesetzt wurden. Grund ist, dass gemäß § 2c Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Einkünfte nicht für die Berechnung des Elterngeldes zu Grunde gelegt werden, die lohnsteuerrechtlich sog. „sonstige Bezüge“ sind. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch für eine monatliche Lohnzahlung, wenn diese dem Arbeitnehmer später als drei Wochen nach Ablauf des Kalenderjahres zufließt. Die Nichtberücksichtigung des zu spät gezahltem Lohn führte hier dazu, dass das monatliche Elterngeld der Klägerin nur 348,80 Euro anstatt monatlich 420,25 Euro betrug.
Die Klage der Arbeitnehmerin gegen den Zahnarzt auf Erstattung der so entstandenen monatlichen Elterngelddifferenz hatte im Wesentlichen Erfolg. Der Zahnarzt schuldet die Differenz als Schadenersatzanspruch. Er befand sich mit dem der Klägerin zustehenden Lohn in Verzug und handelte schuldhaft. Denn die Mitarbeiterin hatte ihm eine Kopie des Mutterpasses gegeben, und der vom Zahnarzt beauftragte Betriebsarzt hatte das Beschäftigungsverbot bereits im September 2017 festgestellt. Der Umstand, dass der Zahnarzt das zum 06.09.2017 begründete Arbeitsverhältnis angefochten hatte, weil die Klägerin ihn bei Abschluss des Arbeitsvertrages nicht über die Schwangerschaft unterrichtet hatte, entlastete ihn nicht. Diese Anfechtung war unwirksam. Allerdings hatte auch die Klägerin eine Ursache für die Lohnnachzahlung nach Ablauf der dritten Kalenderwoche des Folgejahres gesetzt. Sie hatte sich nämlich am 11.01.2018, d.h. noch vor Ablauf dieser Frist, auf einen Vergleich mit einer Widerrufsfrist bis zum 09.03.2018 eingelassen, nach dem die Zahlung nur gegen Vorlage einer weiteren Bescheinigung erfolgen sollte. Die Kammer sah den deutlich größeren Verschuldensanteil bei dem Arbeitgeber und verurteilte ihn, der Klägerin 70% des entgangenen Elterngeldes zu zahlen. Außerdem muss der Zahnarzt 341,32 Euro an Steuerberatungskosten tragen, welche die Klägerin aufwenden musste, um zu ermitteln, welcher auf den Ersatzanspruch anrechenbare Steuervorteil sich aus der verspäteten Elterngeldzahlung in 2018 ergab.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Quelle: Mitteilung vom 08.09.2020
Verband Kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rheinland-Westfalen-Lippe
Beratgerstraße 36
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