Häusliche Betreuung nach § 124 SGB XI

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Häusliche Betreuung nach § 124 SGB XI

Beitrag von WernerSchell » 19.06.2015, 06:30

Häusliche Betreuung nach § 124 SGB XI wird häufig vernachlässigt

Alle beschäftigen sich aktuell mit dem ersten Pflegestärkungsgesetz und da vor allem mit den Entlastungs- und Betreuungsleistungen. Als besonderes Ärgernis wird empfunden, dass die 40% aus Sachleistung nur für niedrigschwellige, also Leistungen, die nach § 45c gefördert werden oder förderfähig sind, verbraucht werden können. Hierfür bedarf es einer landesrechtlichen Anerkennung.

Was aber wurde eigentlich aus dem PNG? Es ist noch nicht so lange her, dass mit dem PNG zum einen die sehr umstrittene Pflege nach Zeit, aber auch die „Häusliche Betreuung“ nach § 124 in das Pflegeversicherungsgesetz aufgenommen wurden.

Die Pflege nach Zeit wurde nur in wenigen Bundesländern umgesetzt. Glücklicherweise ist die Gegenüberstellung von Grundpflege nach Zeit und Komplexen mit dem PSG wieder aus dem SGB XI entfernt worden,

Die Häusliche Betreuung wurde jedoch in fast allen Bundesländern, bis auf ein paar, umgesetzt. An dieser Stelle sei die Frage erlaubt, warum sich Bundesländer mit der Umsetzung gesetzlicher Vorgaben so lange Zeit lassen bzw. sie komplett ignorieren können?

In den Bundesländern, in denen es Vereinbarungen zur häuslichen Betreuung gibt, stellen wir jedoch fest, dass viele Pflegedienste von der Erbringung und damit auch der Abrechnung dieser Leistung bisher wenig oder gar keinen Gebrauch machen.

Das ist sehr schade, denn statt den 40% aus Sachleistung für niedrigschwellige Angebote hinterher zu trauern, würden für die häusliche Betreuung nach § 124 theoretisch 100% der Sachleistung zur Verfügung stehen. Also Grund genug, sich mit dieser Form der Betreuung doch einmal näher zu befassen.

Anspruch auf häusliche Betreuung hat jeder Pflegebedürftige der Stufen I bis III, sowie jeder Anspruchberechtigte nach § 45a, also Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz. Hierzu der weitere Gesetzestext:

„Leistungen der häuslichen Betreuung werden neben Grundpflege und hauswirtschaftlicher Versorgung als pflegerische Betreuungsmaßnahmen erbracht. Sie umfassen Unterstützung und sonstige Hilfen im häuslichen Umfeld des Pflegebedürftigen oder seiner Familie und schließen insbesondere das Folgende mit ein:
1. Unterstützung von Aktivitäten im häuslichen Umfeld, die dem Zweck der Kommunikation und der Aufrechterhaltung sozialer Kontakte dienen,
2. Unterstützung bei der Gestaltung des häuslichen Alltags, insbesondere Hilfen zur Entwicklung und Aufrechterhaltung einer Tagesstruktur, zur Durchführung bedürfnisgerechter Beschäftigungen und zur Einhaltung eines bedürfnisgerechten Tag-/Nacht-Rhythmus.

Häusliche Betreuung kann von mehreren Pflegebedürftigen oder Versicherten mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz auch als gemeinschaftliche häusliche Betreuung im häuslichen Umfeld einer oder eines Beteiligten oder seiner Familie als Sachleistung in Anspruch genommen werden.

Der Anspruch auf häusliche Betreuung setzt voraus, dass die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung im Einzelfall sichergestellt sind.“
Es ist natürlich für Leistungserbringer verwirrend, dass es verschiedene Betreuungsleistungen
• nach § 45b Abs. 1 Ziffer 3 „zusätzliche Betreuungsleistungen“
• nach § 45b Abs. 1 Ziffer 4 „niedrigschwellige Betreuungsleistungen“
• nach § 124 „häusliche Betreuung“

Somit stehen für Leistungen nach § 45b monatlich 104 EUR oder 208 EUR zur Verfügung, für die häusliche Betreuung die nicht in Anspruch genommene Sachleistung, das sind, je nach Pflegestufe, bis zu 1.612 EUR monatlich.

Die Praxis zeigt uns auf, dass viele Pflegebedürftige und Anspruchsberechtigte einen erheblichen Bedarf an Betreuungsleistungen, sowohl im Sinne des § 45b als auch des § 124 haben. Der Wunsch nach Kommunikation und Gesellschaft ist mindestens so wichtig, wie der nach angemessener Pflege.

Daher ist es wichtig, dass Pflegedienste hier adäquate Leistungsangebote schaffen, um diesem Wunsch gerecht werden zu können.

Wir wissen alle, dass Pflegebedürftige für Pflege eher kein Geld ausgeben wollen, bei attraktiven Betreuungsangeboten können wir jedoch beobachten, dass viele Pflegebedürftige, die sog. Schnupperangebote nutzen, regelmäßig an Betreuungsangeboten teilnehmen möchten und auch bereit sind, hierfür auf Geldleistung zu verzichten oder sogar hinzu zu zahlen.

Pflegedienste, die das erkannt haben, erzielen schon jetzt mit Betreuungsleistungen bis zu 15% ihres Gesamtumsatzes und rechnen auch entsprechend die Häusliche Betreuung nach § 124 ab.

Quelle: Mitteilung vom 11.06.2015
Ralph Wißgott
Unternehmensberatung Wißgott
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