Unfallversicherungsschutz während der Weihnachtsfeier

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Unfallversicherungsschutz während der Weihnachtsfeier

Beitrag von WernerSchell » 24.12.2014, 08:11

Unfallversicherungsschutz während der Weihnachtsfeier nur bei Anordnung durch die Betriebsleitung

An betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen - wie zum Beispiel Betriebsausflügen - Teilnehmende sind nach ständiger Rechtsprechung als Beschäftigte grundsätzlich in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert, wenn die Teilnahme allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern offen steht und die Veranstaltung von der Autorität der Betriebsleitung getragen wird.

Die Klägerin war als Fachassistentin in einem Jobcenter beschäftigt, das sich in drei Bereiche und diese Bereiche wiederum in 22 Teams untergliedert. Sie arbeitete in einem der beiden Teams der Eingangszone. Die Beschäftigten des Teams der Klägerin veranstalteten am 16. Dezember 2008 außerhalb der Arbeitszeit von 15 bis 19 Uhr nur für ihr Team in einem Bowlingcenter eine Weihnachtsfeier, die sie selbst organisierten und deren Kosten sie selbst trugen. Während der Feier übersah die Klägerin auf dem Weg von der Bowlingbahn zum Tisch eine Stufe, stolperte und verletzte sich. Der beklagte Unfallversicherungsträger lehnte die Feststellung des Sturzes als Arbeitsunfall ab, weil die Klägerin ihn nicht während einer in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogenen betrieblichen Weihnachtsfeier erlitten habe. Während das Sozialgericht die Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt hat, dass es sich bei dem Unfallereignis um einen Arbeitsunfall gehandelt habe, hat das Landessozialgericht dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Das Bundessozialgericht hat das Urteil des Landessozialgerichts bestätigt.

Die Klägerin hat keinen Arbeitsunfall erlitten, weil sie während der Teilnahme an der Weihnachtsfeier nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert war. Die Versicherung während der Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung setzt jedenfalls voraus, dass diese durch die Betriebsleitung oder im Einvernehmen mit der Betriebsleitung als deren eigene Veranstaltung durchgeführt wird. Veranstalten Beschäftigte aus eigenem Antrieb eine Feier, steht diese nicht unter dem Schutz der Unfallversicherung. Das gilt auch dann, wenn die Unternehmensleitung Kenntnis von der Veranstaltung hat. Die Weihnachtsfeier der Beschäftigten des Teams der Klägerin wurde nicht durch die Unternehmensleitung oder einer von dieser beauftragten Person, sondern allein von der Teamleiterin und den anderen Beschäftigten des Teams veranstaltet. Der Bereichsleiter äußerte sich zwar positiv zur Durchführung dieser Feier, billigte sie dadurch aber noch nicht als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung der Unternehmensleitung.

Az.: B 2 U 7/13 R C. B. ./. Unfallkasse Berlin

Siehe auch: Urteil des 2. Senats vom 26.6.2014 - B 2 U 7/13 R -

Quelle: Medieninformation Nr. 16/14 vom 26. Juni 2014
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Unfall nach Betriebsfeier auf Oktoberfest - Wann haftet die Unfallversicherung?

Beitrag von WernerSchell » 17.10.2018, 07:05

Sozialrecht im Alltag:
Unfall nach Betriebsfeier auf Oktoberfest - Wann haftet die Unfallversicherung?


Sozialgericht Berlin, Urteil vom 1. Oktober 2018 (S 115 U 309/17): Der Besuch des Münchner Oktoberfestes im Kollegenkreis stellt nur unter engen Voraussetzungen eine betriebliche Veranstaltung im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung dar. Im vorliegenden Fall war der Kläger, der sich auf dem Heimweg von einem Brauereinachmittag schwer verletzt hatte, nicht unfallversichert.

Zum Fall: Der 1958 geborene, aus Berlin stammende Kläger war von seiner Firma als Monteur bei einer Brauerei in München eingesetzt. Wie jedes Jahr veranstaltete diese Brauerei auch im September 2016 in ihrem Festzelt auf dem Oktoberfest einen Brauereinachmittag. Eingeladen waren sowohl die Mitarbeiter der Brauerei als auch die bei ihr tätigen Beschäftigten anderer Unternehmen. Der Kläger nahm mit 7 weiteren Kollegen seiner Firma an der Veranstaltung teil. Auf dem Heimweg gegen 22 Uhr prallte er in alkoholisiertem Zustand gegen einen Strommast und brach sich einen Halswirbel. Seinen Antrag auf Anerkennung eines Arbeitsunfalls lehnte die beklagte Berufsgenossenschaft Holz und Metall ab.

Hiergegen hat der anwaltlich vertretene Kläger im Juli 2017 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Er trägt vor, dass der Besuch des Oktoberfestes in engem Zusammenhang mit seiner betrieblichen Tätigkeit gestanden habe. Der Brauereinachmittag sei ein wichtiges branchenspezifisches Ereignis. Dessen Besuch habe der Beziehungspflege zwischen seiner Firma und der Brauerei als einer der wichtigsten Kundinnen gedient. Die Veranstaltung habe zugleich auch die innerbetriebliche Verbundenheit unter den Kollegen seiner Firma gefördert. Die Teilnahme sei von seinem Arbeitgeber gebilligt worden und teilweise noch während der vergüteten Arbeitszeit erfolgt.

Mit Urteil vom 1. Oktober 2018 hat die 115. Kammer des Sozialgerichts Berlin (in der Besetzung mit einem Berufsrichter, einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter) die Klage abgewiesen und die Auffassung der beklagten Berufsgenossenschaft bestätigt. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt:

Die Anerkennung eines Wegeunfalls als Arbeitsunfall setze voraus, dass sich der Unfall auf dem Weg zu oder von einer versicherten Tätigkeit ereignet habe. Zwar könne auch eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung, etwa ein Betriebsausflug, einer versicherten Tätigkeit zugerechnet werden. Erforderlich hierfür sei aber, dass es der Arbeitgeber sei, der die Veranstaltung durchführe oder durchführen lasse, und dass die Teilnahme aller Angehörigen des Betriebs oder zumindest einer Abteilung erwünscht sei, um so die Zusammengehörigkeit der Beschäftigten untereinander zu fördern. An einem betrieblichen Zusammenhang fehle es indessen, wenn Freizeit, Unterhaltung oder Erholung im Vordergrund stünden.

Hieran gemessen sei der Brauereinachmittag keine betriebliche Veranstaltung gewesen. Die Veranstaltung sei nicht durch die Firma des Klägers, sondern durch die Brauerei, also eine Kundin, durchgeführt worden. Auch die Teilnehmer seien ganz überwiegend keine Angehörigen des Betriebes des Klägers gewesen, was dem Gemeinschaftscharakter einer Betriebsveranstaltung widersprechen würde. Die Anwesenheit des Klägers auf dem Fest sei vom Arbeitgeber zwar gebilligt worden, eine Teilnahme sei ihm jedoch freigestellt gewesen. Ein Vertreter der Unternehmensleitung sei nicht anwesend gewesen, Kosten für Speisen und Getränke seien von der Firma nicht übernommen worden. Dass das Treffen der allgemeinen Bildung eines Netzwerkes und der Kommunikation gedient habe, sei nicht ausreichend, um die betrieblichen Interessen in den Vordergrund zu rücken. Es habe sich eher um ein „Incentive-Event“ bzw. eine Motivationsveranstaltung gehandelt.

Zusammengefasst habe kein innerer Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit des Klägers und seiner Teilnahme an dem Brauereinachmittag bestanden.

Sozialrecht im Alltag – Unter dieser Rubrik berichtet das Sozialgericht Berlin über typische Fälle aus dem Sozialrecht. Die ausgewählten Entscheidungen stehen beispielhaft für die allgemeine Rechtsprechung zum jeweiligen Problemkreis. Sie befassen sich mit Rechtsfragen aus dem täglichen Leben vieler Menschen.

Anmerkung der Pressestelle: Das Sozialgericht Berlin ist das größte Sozialgericht Deutschlands. Es ist unter anderem zuständig für die Grundsicherung für Arbeitsuchende (Hartz IV), Angelegenheiten der Renten-, Kranken-, Pflege und Unfallversicherung und auch für Sozialhilfe und Asylbewerberleistungen. 2017 gingen insgesamt 30.800 neue Verfahren ein. Rund 1,6 % (exakt 504 Fälle) davon betrafen das Recht der Unfallversicherung.

Das Sozialgericht Berlin ist das Pilotgericht der Berliner Justiz auf dem Gebiet des elektronischen Rechtsverkehrs (siehe hierzu auch die Pressemitteilung vom 08.11.2017 „Justizsenator Behrendt im Sozialgericht Berlin – Die digitale Zukunft der Berliner Justiz“)

Die Pressemitteilungen der Berliner Justiz können Sie auch nachlesen im
Berliner Justizticker http://www.berlin.de/gerichte/presse/justizticker

Quelle: Pressemitteilung vom 05.10.2018
https://www.berlin.de/gerichte/sozialge ... 746152.php
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Unfallversicherungsschutz auch an einem "Probetag"

Beitrag von WernerSchell » 09.09.2019, 06:22

Unfallversicherungsschutz auch an einem "Probetag"

Urteil des BSG vom 20.08.2019, B 2 U 1/18 R

Ein Arbeitsuchender, der in einem Unternehmen einen "Probearbeitstag" verrichtet und sich dabei verletzt, ist gesetzlich unfallversichert.
Aus den Gründen:
Der Kläger hat zwar nicht als Beschäftigter unter Versicherungsschutz gestanden, als er an dem "Probearbeitstag" Mülltonnen transportierte und dabei vom Lkw stürzte. Ein Beschäftigungsverhältnis lag nicht vor, weil der Kläger noch nicht auf Dauer in den Betrieb des Entsorgungsunternehmers eingegliedert war.
Da der Kläger aber eine dem Entsorgungsunternehmer dienende, dessen Willen entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht hat, die einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ähnlich ist, war der Kläger als "Wie-Beschäftigter" gesetzlich unfallversichert. Insbesondere lag die Tätigkeit nicht nur im Eigeninteresse des Klägers, eine dauerhafte Beschäftigung zu erlangen. Denn der Probearbeitstag sollte gerade auch dem Unternehmer die Auswahl eines geeigneten Bewerbers ermöglichen und hatte damit für ihn einen objektiv wirtschaftlichen Wert.

Quelle: Mitteilung vom 08.09.2019
Verband Kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rheinland-Westfalen-Lippe
Beratgerstraße 36
44149 Dortmund
Tel.: 0231/ 579743
Fax: 0231/ 579754
E-Mail: info@vkm-rwl.de
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