Pflegereform - Eckpunkte der Bundesregierung vom 16.11.2011

Gesundheitswesen, Krankenhaus- und Heimwesen, Katastrophenschutz, Rettungsdienst, Arzneimittel- und Lebensmittelwesen, Infektionsschutzrecht, Sozialrecht (z.B. Krankenversicherung, Pflegeversicherung) einschl. Sozialhilfe und private Versorgung

Moderator: WernerSchell

Herbert Kunst
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Pflegenotstand - mehr Pflegestellen schaffen

Beitrag von Herbert Kunst » 10.03.2012, 08:28

Mein Text unter:
viewtopic.php?t=16239
Gerhard Schenker hat geschrieben:Pflegenotstand - neue Berufsgesetze lösen das Problem nicht
Ein Herumbasteln an den gesetzlichen Vorschriften für die Pflegeberufe halte ich für entbehrlich. Die pflegerische Versorgung hängt nämlich nicht entscheidend davon ab, ob es eine Reform der Berufsgesetze gibt oder nicht. Auch anhand der geltenden Vorschriften kann man die Ausbildungsinhalte den Bedürfnissen gut anpassen und muss nicht "alles auf den Kopf stellen". Ergänzende Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen können Wissen und praktisches Können vervollständigen.
In der Pflege kommt es, wie hier so oft schon beschrieben wurde, maßgeblich auf die Stellenausstattungen in den Pflegesystemen, Krankenhäuser und Pflegeheime, an. Daran muss gearbeit werden mittels Personalbemessungssystemen und weiteren Regelungen. Insoweit sehe ich aber keinerlei politische Aktivität. Offensichtlich will man die wirkliche Not der Pflegenden nicht sehen und lenkt ab mit berufsrechtlichen Neuerungen. ....
Da ich langjährig mit der Pflegeausbildung befasst bin und mich auch im praktischen Pflegeleben einigermaßen auskenne, kann ich bestätigen, dass es keine großte Notwendigkeit gibt, die bestehenden Berufsgesetze grundlegend zu verändern. Es ist auch problematisch, wenn die Kinderkrankenpflege als gesonderter Zweig der Pflege mit Erwachsenen- bzw. Altenpflege generalisiert vermengt wird.
Wie herausgestellt wurde: Es gibt viele andere wichtige Bereiche in den Pflegesystemen, die dringend einer Überarbeitung bedürfen. Darauf sollte man sich vorrangig konzentrieren. Die Pflege wird nämlich nicht dadurch belebt, dass man die formellen Ausbildungsanforderungen und die Berufsbezeichnungen verändert. Wir müssen inhaltlich an den Arbeitsbedingungen ín der Pflege Veränderungen vornehmen, vor allem müssen mehr Stellen für die Pflege her. Zuwendung wird mehr und mehr nachgefragt. Dazu sind aber nicht veränderte Paragrafen, sondern allein Menschen notwendig.

Herbert Kunst
Für menschenwürdige Pflege sind wir alle verantwortlich! - Dazu finde ich immer wieder gute Informationen unter http://www.wernerschell.de

Presse
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Privater Pflege-Bahr ist eine Fehlentscheidung

Beitrag von Presse » 12.03.2012, 16:55

Privater Pflege-Bahr ist eine Fehlentscheidung
AG Gesundheit

Zur aktuellen Einigung der Koalitionsparteien eine freiwillige private Pflegeversicherung einzuführen, erklärt die zuständige Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion Hilde Mattheis:

Die Entscheidung der Koalitionsparteien eine freiwillige private Zusatzversicherung Pflege einzuführen, ist falsch. Die Koalition drückt sich damit vor der Aufgabe, die Finanzierung der Sozialen Pflegeversicherung auf eine langfristige solide finanzielle Grundlage zu stellen.

Eine freiwillige private Zusatzversicherung ist bereits im Bereich der Rente gescheitert. Bisher haben nur 14,8 Millionen Menschen eine Riester-Rente abgeschlossen. Die staatliche Förderung kommt überproportional denen zugute, die ohnehin durch ein hohes Einkommen am besten vorsorgen können. Menschen mit geringen Einkommen empfinden die zusätzlichen Eigenleistungen dagegen als zu hoch und können die Förderung nicht in Anspruch nehmen. Dies wird sich auch bei einer freiwilligen privaten Zusatzversicherung in der Pflege nicht anders darstellen.

Von einer freiwilligen privaten Zusatzversicherung in der Pflege wie sie Bundesgesundheitsminister Bahr will, werden nicht die Bedürftigen, sondern vor allem die private Versicherungswirtschaft profitieren. Wir fordern statt dessen eine solidarisch finanzierte Bürgerversicherung, in die alle entsprechend ihres Einkommens einzahlen. Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und muss von allen Mitgliedern der Gesellschaft entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit getragen werden.

Quelle: Pressemitteilung vom 12.03.2012
http://www.spdfraktion.de/cnt/rs/rs_dok ... 76,00.html

Bajuware
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Pflegenotstand - wer löst ihn auf?

Beitrag von Bajuware » 13.03.2012, 07:51

Pflegenotstand und zukünftiger Fachkräftemangel

Gestern, 12.03.2012, berichtete das Bayerische Fernsehen, Ratgeber Geld und Leben, über den Pflegenotstand und den zukünftigen Fachkräftemangel. Es wurde eindrucksvoll herausgestellt, dass die vorhandenen Pflegekräfte, auch wenn die Stellen alle besetzt sind, etwa nur 3/4 der pflegerischen Verrichtungen bei den pflegebedürftigen Menschen ausführen können. Für den Rest ist keine Zeit vorhanden - mit vatalen Folgen = Pflegenotstand, Minutenpflege .... usw.
Wer macht sich im politischen Bereich endlich auf, diesen personellen Missstand zu beenden?

Bajuware
Die Rahmenbedingungen des Pflegesystems stimmen nicht (mehr)! Dies gilt es zu beklagen. Pflegebedürftige und Pflegepersonal leiden unter dem System. - Verantwortungsträger sind gefordert!

WernerSchell
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Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz ein grandioser Flop!

Beitrag von WernerSchell » 29.03.2012, 07:03

Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz ein grandioser Flop!

Texteinstellung unter:
http://www.wernerschell.de/aktuelles.php bzw.
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... lungen.php

Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG)
Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 28.03.2012
hier (PDF)
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... 3_2012.pdf
Weitere Texte dazu im Forum Werner Schell
viewtopic.php?t=17124
Dort gibt es zahlreiche Beiträge zur geplanten Neuregelung, fast ausnahmslos mehr als kritisch. Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk bezeichnet das PNG (Gesetzentwurf) als unzureichend und hat insoweit die "Pflegenote" unzureichend (Note: sechs) vergeben!
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
Bild

Gaby Modig
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Sozialforscher: 240.000 Demenzkranke werden ruhiggestellt

Beitrag von Gaby Modig » 01.04.2012, 06:55

Sozialforscher: 240.000 Demenzkranke werden ruhiggestellt

Ich begrüße es sehr, dass Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk in einem Anschreiben an die Heime im Rhein-Kreis Neuss deutliche Verbesserungen für pflegebedürftige Menschen, vor allem auch bei der Medikation, eingefordert hat. Man darf gespannt sein, ob und wie die diesbezüglichen Aktivitäten aufgegriffen werden:

Konkrete Verbesserungen in der Pflege gefordert
viewtopic.php?t=17044

Die in Düsseldorf erscheinende Rheinische Post brachte am 26.03.2012 genau zu dem Anliegen von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk einen Kurzbericht, dessen Titel vielsagend wie folgt lautete:

"Sozialforscher: 240.000 Demenzkranke werden ruhiggestellt"

Aus dem Bericht ergibt sich, dass nach Berechnungen der Universität Bremen rd. 1/4 Millionen Demenkranke inn Deutschland mit Psychopharmaka ruhiggestellt werden, um Geld und Personal zu sparen. "In diesen Fällen werden die Medikamente nicht verschrieben, um die Leiden der Patienten zu lindern, sondern um Personal einzupsaren und smit Heimbetreibern höhere Gewinne zu bescheren". So die Aussage des Sozialforschers Gerd Glaeske gegenüber der "Welt am Sonntag". Offensichtlich haben sich nun einige Verbände zu Wort gemeldet, und mehr Geld für die Absicherung von Demenzkranken gefordert.

Der medizinisch nicht begründbare Einsatz von Psychopharma, so, wie in Glaeske beschreibt, geht letztlich auf die miesen Pflege-Rahmenbedingungen zurück. Und insoweit ist der Gesetzgeber gefordert. Die nach den Stellenschlüsseln geforderten Personalstellen sind nach den Berichten der Heimaufsichten nahezu immer besetzt. Insoweit gibt es keine Lücken. Nein, die Stellenschlüssel reichen nicht und da liegt der "Hase im Pfeffer". Das wird leider bei allen kritischen Statements vergessen.

Ich denke, dass schnellstens gehandelt werden muss. Die jetzt geplante Neuausrichtung der Pflegeversicherung bringt insoweit nichts:

Neuausrichtung der Pflegeversicherung - Kabinettbeschluss
viewtopic.php?t=17124

Das muss mit größtem Bedauern gesagt werden. Und kaum jemand regt sich auf. Auch die Kanzlerin hat das sog. Pflege-Reformpaket von Herrn Bahr durchgewunken. Ist das Unwissenheit oder Ignoranz gegenüber den pflegebedürftigen Menschen?

Gaby Modig
Pflegesystem verbessern - weg von der Minutenpflege. Mehr Pflegepersonal ist vonnöten!

WernerSchell
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Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG) ein grandioser Flop!

Beitrag von WernerSchell » 02.04.2012, 07:54

Aus Forum:
viewtopic.php?p=65426#65426
Dort findet auch die weitere Diskussion statt!

Bild Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk
Unabhängige und gemeinnützige Initiative - Harffer Straße 59 - 41469 Neuss
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk führt regelmäßig Pflegetreffs mit bundesweiter Ausrichtung durch.
Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk ist Kooperationspartner der „Aktion Saubere Hände.“
Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk ist Initiator bzw. Mitbegründer des Quartierkonzeptes Neuss-Erfttal.
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk ist Unterstützer von "Bündnis für GUTE PFLEGE".


Pressemitteilung / Statement vom 02.04.2012

Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG) ein grandioser Flop!
Die mängelbehafteten Pflege-Rahmenbedingungen und der Pflegenotstand bleiben uns so erhalten


Der von der Bundesregierung am 28.03.2012 beschlossene Gesetzentwurf für ein Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG) ist weder eine Pflegereform noch eine Neuausrichtung der Pflegeversicherung. Er enthält nicht im Ansatz das, was seit Jahren mit Rücksicht auf die demografische Entwicklung bzw. die deutliche Zunahme von Demenzerkrankungen fällig und damit zu erwarten war. Die sog. Neuausrichtung der Pflegeversicherung ist daher als ein gesetzgeberischer Flop zu bezeichnen, der über die Pflegenote „ungenügend“ (sechs!) nicht hinaus kommt.

Die von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk und anderen Kennern der Pflegeszene seit Jahren benannten dringenden Reformerfordernisse sind nicht Gegenstand der Gesetzesinitiative geworden und sollen späteren Reformschritten (oder was man dafür hält) vorbehalten bleiben. Wenn man bedenkt, dass die Berliner Koalition seit Herbst 2009 bis Anfang 2012 nichts wirklich unternommen hat, um den Bedürfnissen guter Regelungen für die pflegebedürftigen Menschen auf den Weg zu bringen, muss man schon von einer unterlassenen Hilfeleistung im politisch verstandenen Sinne sprechen.

Allein das Fehlen der Neuordnung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes ist ein schweres Versäumnis, zumal die Dringlichkeit der vollständigen Einbindung der Demenzkranken in den Kreis der Leistungsberechtigten eigentlich seit Schaffung der Pflegeversicherung bekannt ist. Ein Aufschieben dieser Neuordnung ist auch deshalb nicht erklärlich, weil bereits die „große Koalition“ bei der Novellierung des SGB XI im Jahre 2008 die Neugestaltung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes verschoben und die Demenzkranken mit kleinen „Ersatzleistungen“ abgefunden hat. Dieses Verschieben auf später geht weiter und ist ein klägliches Versagen der Bundesregierung.

Im Rahmen der jetzt geplanten Neuausrichtung zahlreiche kleine Fördermaßnahmen in Gang zu bringen, muss angesichts eines fehlenden Gesamtkonzeptes als das Verplempern von Beitragsgeldern angesehen werden. Neuerungen wie Beratungsgutscheine, neue Modellprojekte, Ausweitung von komplizierten Einzelleistungen, umfangreiche Finanzierung von im Pflegesystem eher problematischen Wohngemeinschaften, usw. erscheinen als möglichst viele Gruppen ruhig stellende Belohnungssaktionen. Man könnte sagen: Statt Demenzkranke und schwer Pflegebedürftige in ihren problematischen Bereichen, auch bei einer zwingend notwendigen Heimunterbringung, solide abzusichern, wird mit einer „kleinen Gießkanne“ an den Kernproblemen komplett vorbei gefördert („Geld für alle“), ohne dass dabei wirklich entscheidend geholfen und die Qualität der pflegerischen und sonstigen Versorgung gesteigert wird.

Dass der seit Jahren bestehende Pflegenotstand, verursacht durch regional völlig unzureichende Stellenschlüssel, nicht behoben und durch ein bundesweit geltendes Personalbemessungssystem abgesichert wird, ist ein weiterer Schwachpunkt. Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk hat u.a. wiederholt ausgeführt, dass einer der wesentlichen Reformansätze die Behebung des Pflegenotstandes in den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen sein müsse. Ohne einen diesbezüglichen den personellen Bereich betreffenden Reformschritt, tunlichst gestützt durch bundeseinheitliche Personalbemessungssysteme, kann eine in die Zukunft weisende Pflegereform nicht gelingen.

Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk hat bereits in einem Statement vom 21.04.2010 ausgeführt:
„Der Personalmangel liegt bei etwa 20%! Dies ist ein Fehlbedarf, der nur noch pflegerische Dienstleistungen mit Ausnahmecharakter und entsprechenden Lücken zulässt. Die Bezeichnung „Minutenpflege“ gehört mittlerweile schon zum allgemeinen Sprachgebrauch. Die allseits erwartete gute / angemessene Pflege ist nur noch mit Einschränkungen möglich. Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk ist daher mit dem Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe und dem Deutschen Pflegerat der Meinung, dass dringend Maßnahmen getroffen werden müssen, die geeignet sind, den Pflegenotstand schnellstmöglich abzumildern bzw. zu beseitigen. Dabei müssen Personalbemessungssysteme geschaffen werden, mit deren Hilfe die Pflegeerfordernisse klar verdeutlicht werden können. Es muss endlich Schluss sein damit, die Pflegestellendotierung als reinen Kostenfaktor anzusehen. Aktionen, die Billiglöhne für die Pflegebranche oder gar eine Creencard für ausländische Hilfskräfte einfordern, können nicht ernstlich als Lösung angesehen werden. Solche Maßnahmen erscheinen eher geeignet, die Pflegebedingungen weiter verschlechtern zu helfen. Es muss nämlich an dem Grundsatz festgehalten werden, dass in der professionellen Pflege mehr geeignete und ausreichend qualifizierte Fachkräfte benötigt werden. Diese können durchaus auf dem deutschen Gesundheits- und Pflegemarkt rekrutiert werden. Es müssen nur die richtigen Ausbildungs- und Einstellungsmaßnahmen getroffen werden. Pflege muss als wertvolle Dienstleistung am Menschen deutlich mehr Wertschätzung und Anerkennung erfahren, nicht nur in Worten, sondern auch in Taten.“

Dass eine Pflegereform an „Haupt und Gliedern“ mit mehr Pflegequalität finanzielle Konsequenzen haben muss, ist allseits bekannt. Zur Aufbringung höherer Beiträge für eine wirklich menschenwürdige Pflege sind die BürgerInnen in Mehrheit bereit. Die Anhebung des Beitragssatzes von nur 0,1 % ist geradezu lächerlich gering. Eine Reform, die diesen Namen verdient, erfordert – geschätzt - zumindest den fünffachen Betrag und kann mit einer steuerlich begünstigten Zusatzversicherung keine solidarische Absicherung erfahren.

Wenn die politisch Verantwortlichen aber nicht bereit sein sollten, gute Pflege mit höherem Finanzaufwand gesetzgeberisch zu organisieren, müssen sie dies in aller Klarheit sagen. Dann wird es nämlich bei den vielfach beklagten Mängeln in der Versorgung der hilfe- und pflegebedürftigen Menschen verbleiben. Angesichts der demografischen Entwicklung wird es sogar noch schlimmer kommen. Ob dies von der Bevölkerung dann hingenommen wird, ist mehr als fraglich. Vielleicht gibt es dann über die Pflegebranche hinaus einen Aufstand aller BürgerInnen.

Bahr`sche „Neuausrichtung der Pflege“ wird ungewöhnlich scharf und nahezu einhellig negativ beurteilt

Der vorgelegte Gesetzentwurf für eine Neuausrichtung der Pflege erfährt fast ausnahmslos nur harsche Kritik. Im „Barmer GEK Pflegereport 2011“ wird u.a. ausgeführt: Die Pflegeversicherung bedarf einer Weiterentwicklung – die Regierungspläne verschieben die wirkliche Reform in die nächste Legislaturperiode.“ Zu den bescheidenen Leistungsverbesserungen für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz heißt es im „Barmer GEK Pflegereport 2011“: Vor allem aber ist der Grundansatz verfehlt, zusätzliche Einzelleistungen für bestimmte Personengruppen einzuführen. Sinnvoller ist es dagegen, den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff umzusetzen …“. „Eine Neuausrichtung der Pflege sieht anders aus“, sagt der Bundesverband privater Anbieter Sozialer Dienste e.V. Der VDK meint: „Demenzkranke fallen weiter durchs Raster - Wir brauchen endlich ein neues System der Pflegestufen.“ Die Gesundheitssenatorin in Hamburg, Prüfer-Storcks, kritisiert die Vorlage des Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflege u.a. mit den Worten: „Ein unzureichender Minimalkonsens in der Pflege“. Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisiert die Pläne der Bundesregierung als unzureichendes Stückwerk und meint, dass die Politik nicht länger Zeit mit Schönheitsreparaturen und Mini-Reformen vergeuden darf. Die „Linke“ sieht in den Absichten der Bundesregierung sogar einen Etikettenschwindel und meint: „Mit provisorischen, vorübergehenden Maßnahmen - beispielsweise für Menschen mit demenziellen Erkrankungen - scheitert Schwarz-Gelb an der notwendigen Aufgabe, ein neues Verständnis von Pflege auf den Weg zu bringen.“ Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft meint zu dem Kabinettsbeschluss: „Von einer Neuausrichtung der Pflege kann bei diesem Gesetzentwurf aber nicht die Rede sein. Dazu wäre die Einführung des lange geforderten neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs erforderlich gewesen. Diese Pflegereform ist nur ein Flickwerk.“ Als „Reförmchen“ bezeichnete das Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Annelie Buntenbach, die beschlossenen Pläne. Die geplante Beitragssatz-Anhebung sei „absolut unzureichend“. Allein die notwendige Einbeziehung von demenzkranken Menschen in die Pflegeleistungen erfordere bis zu 3,6 Milliarden Euro. Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen sieht die schwarz-gelbe Pflegereform schon bei ihrer Verkündung krachend gescheitert. Minister Bahr packe die dringendsten Probleme nicht an, weder einen neuen Pflegebegriff, noch eine ausreichende Versorgung der Demenzkranken. Daher das Urteil: „Pflegereform: Nix für die Pflege – viel für die Falschen.“ Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) warnte, ohne durchgreifende Reform fahre „der Bund das Pflegesystem vor die Wand“. Frau Hilde Mattheis, MdB meint für die SPD: „Bahr`s Pflegereförmchen ist und bleibt substanzlos. Trotz umfassender Kritik von Verbänden und Gewerkschaften ist Bahr nicht von seinen ursprünglichen völlig unzulänglichen Plänen abgerückt.“ Die SDP hat dem Regierungskonzept im Übrigen ganz aktuell ein alternatives Reformkonzept gegenüber gestellt. Nach Hilde Mattheis zeigt das Papier der SPD-Fraktion: „Für eine Pflegereform braucht man mehr, als nur ein paar punktuelle Maßnahmen, wie sie Bahr jetzt umsetzt. Für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen ist diese schwarz-gelbe Legislaturperiode eine verlorene Zeit.“ Als völlig unzureichend hat Sozialministerin Malu Dreyer, Rheinland-Pfalz, den von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzentwurf für ein „Pflege-Neuausrichtungsgesetz“ kritisiert. Letztlich sei die Bundesregierung aber daran gescheitert, die Leistungen der Pflegeversicherung gerecht zu gestalten, so die Ministerin weiter. Es bleibe dabei, dass die Pflegestufen nach dem Zeitaufwand für einzelne Verrichtungen vergeben werden. Auch der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK), der Pflegebedürftige begutachtet, übte scharfe Kritik. Die MDK-Prüfungen sollen gemäß dem Entwurf künftig zügig und angenehmer für die Versicherten stattfinden, doch: „Placebos helfen nicht weiter“, sagte der MDK-Geschäftsführer Peter Pick dazu. Er kritisierte, dass die Gutachter die Fälle weiter anhand veralteter Kriterien einteilen müssten. Daran ändere die Reform nichts. Die AWO hat ihre Kritik u.a. wie folgt zum Ausdruck gebracht: „Mit dem Kabinettsbeschluss zum PNG wurde eine Minimalreform auf den Weg gebracht, mit der diese Bundesregierung den Anschein erweckt, froh zu sein, ein lästiges Streitthema endlich zu den Akten legen zu können. Damit wurde wieder einmal mehr die Chance für eine zukunftsfähige Finanz- und Strukturreform in der Pflege vertan.“ Ergänzend heißt es bei der AWO: „Das Bundesgesundheitsministerium hat sich leider als beratungsresistent erwiesen.“ Die „taz“ brachte es in einem Bericht vom 28.03.2012 wie folgt auf den Punkt: „Für den Gesundheitsminister ist die Pflegereform ein großer Schritt. Außer ihm sieht das aber fast keiner so.“

Eine „Übersicht verschiedener Texte, die für eine Diskussion zur Neuausrichtung der Pflege wichtig erscheinen“, ist dieser Mitteilung angefügt. Sie soll auch als Grundlage für den Pflegetreff am 15.05.2012 dienen.

Werner Schell - Dozent für Pflegerecht und Vorstand von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk

Die vorstehende Pressemitteilung ist zur Veröffentlichung frei
Text als pdf-Datei abrufbar unter http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... 042012.pdf
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„Übersicht verschiedener Texte, die für eine Diskussion
zur Neuausrichtung der Pflege wichtig erscheinen“


Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG) ein grandioser Flop!
Die mängelbehafteten Pflege-Rahmenbedingungen und der Pflegenotstand bleiben uns so erhalten

Die Berliner Koalition von CDU, CSU und FDP hat in ihrem Koalitionsvertrag (2009) eine Weiterentwicklung der Pflegeversicherung und umfangreiche Veränderungen angekündigt. Dazu gab es von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk am 10.11.2009 eine Stellungnahme, in der eine Vielzahl von Verbesserungsnotwendigkeiten ausgeführt wurden:
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... ysteme.php

Erst im April 2011 legte dann die CDU/CSU Fraktion im Deutschen Bundestag, Arbeitsgruppe Gesundheit – den Entwurf von »Eckpunkten für eine Pflegereform 2011: Menschlich, bedarfsgerecht zukunftsfest« vor:
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... m_2011.pdf

Daraufhin hat Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk am 05.07.2011 die Anforderungen an eine Pflegereform, die den Bedürfnissen der demografischen Entwicklung gerecht wird, in einer umfänglichen Stellungnahme den Abgeordneten des Deutschen Bundestages bzw. den zuständigen Ministerien übermittelt:
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... 072011.pdf

Die Koalition von CDU, CSU und FDP hat sich dann am 16.11.2011 über die weitere Ausgestaltung der Pflegeversicherung verständigt und Eckpunkte zur Umsetzung des Koalitionsvertrages für die Pflegereform beschlossen:
http://www.bundesregierung.de/nn_1264/C ... BCsse.html

Am 24.01.2012 wurde dann ein Entwurf eines Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung (Pflege-Neuausrichtungsgesetz - PNG) präsentiert:
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... 120124.pdf

Nach Bekanntgabe dieses Referentenentwurfs war klar, dass eine umfassende Pflegereform mit den seinerzeit angekündigten grundlegenden Veränderungen nicht mehr geplant war. Es erschien daher Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk geboten, mit einem offenen Brief vom 20.02.2012 an die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, Frau Dr. Angela Merkel, zu schreiben und kritisch Stellung zu nehmen. In diesem Schreiben wurde verdeutlicht, dass die augenblicklichen gesetzgeberischen Absichten weit hinter den politischen Ankündigungen bzw. Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger, vor allem der betroffenen Patienten und pflegebedürftigen Menschen, und der maßgeblichen Fachverbände zurück bleiben. Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk hat daher nochmals auf die bereits im Sommer 2011 vorgelegten ausführlichen Stellungnahmen zu den notwendigen Reformschritten hingewiesen und die Bundeskanzlerin darum gebeten, die Neugestaltung der Pflegeversicherung zur Chefsache zu erklären:
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... 122011.pdf

Völlig unbeeindruckt von einer breiten Kritik und den Forderungen nach Veränderungen an den Reformabsichten beschloss die Bundesregierung am 28.03.2012 den Gesetzentwurf für ein Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG):
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... 3_2012.pdf

Wohngemeinschaften in der Kritik
viewtopic.php?t=17041

Die „Pflegereform“ wird das herausragende Thema beim Neuss-Erfttaler Pflegetreffs am 15.05.2012, 18.00 – 20.00 Uhr, sein. Näheres dazu im Internet unter folgender Adresse: viewtopic.php?t=16058

Diskussionsmöglichkeiten zum Thema bestehen u.a. im Forum Werner Schell, und zwar unter folgender Adresse:
viewtopic.php?t=17124
+++
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Ripina
Newbie
Beiträge: 1
Registriert: 16.04.2012, 21:09

Beitrag von Ripina » 17.04.2012, 12:31

Hallo,

ich bin selbst in der Ambulanten Pflege tätig und lese mit Begeisterung hier ihre Beiträge. Wollte ich nur mal gesagt haben. Sehr interessant.

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