Gesundheitssystem vor dem Kollaps - Fachkräftemangel

Gesundheitswesen, Krankenhaus- und Heimwesen, Katastrophenschutz, Rettungsdienst, Arzneimittel- und Lebensmittelwesen, Infektionsschutzrecht, Sozialrecht (z.B. Krankenversicherung, Pflegeversicherung) einschl. Sozialhilfe und private Versorgung

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Gesundheitssystem vor dem Kollaps - Fachkräftemangel

Beitrag von Presse » 20.10.2010, 18:03

Gesundheitssystem vor dem Kollaps – 2030 fehlen eine Million Fachkräfte
PwC-Studie: Ohne Reformen bleiben vier von zehn Arztstellen unbesetzt / Pflegenotstand lässt sich nur durch Zuwanderung aus dem Ausland abwenden / Parallele ambulante und stationäre Versorgung ist nicht zukunftsfähig

Der sich abzeichnende Fachkräftemangel im Gesundheitswesen macht einen grundlegenden Umbau des Systems unvermeidlich. Bereits 2020 werden in Deutschland nach Vollzeitstellen berechnet fast 56.000 Ärzte sowie 140.000 Pflege- und andere nicht-ärztliche Fachkräfte fehlen. Bis 2030 droht die Personallücke in der Gesundheitsversorgung sogar auf über 950.000 Fachkräfte anzuwachsen, wie aus einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC zusammen mit dem Darmstädter WifOR-Institut, einer Ausgründung des Lehrstuhls von Prof. Bert Rürup, hervor geht. Dabei ist der Personalbedarf in der Altenpflege in diesen Zahlen noch nicht einmal berücksichtigt.

Verantwortlich für den Fachkräftemangel ist in erster Linie der demografische Wandel. Die Alterung der Gesellschaft lässt die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen steigen. Gleichzeitig gehen in den kommenden Jahren immer mehr Fachkräfte in den Ruhestand, ohne dass ausreichender Nachwuchs zur Verfügung steht.

"Der Fachkräftemangel ist bei Weitem größer, als wir das befürchtet haben. Tun wir nichts, werden sich die Wartezeiten beim Hausarzt bis 2030 verdoppeln. In den Krankenhäusern werden die Schwestern dann durchschnittlich 60 Stunden in der Woche arbeiten müssen, wenn die Versorgungsqualität nicht absinken soll“, erläutert Harald Schmidt, Partner und Gesundheitsexperte bei PwC.

Der prognostizierte Personalmangel im Jahr 2030 würde nicht nur zu einer katastrophalen Versorgungssituation der Patienten und dramatischen Überlastung der verbliebenen Fachkräfte führen, sondern auch erhebliche volkswirtschaftliche Kosten verursachen. Den Berechnungen zufolge geht der Gesamtwirtschaft bis 2030 auf Grund des Fachkräftemangels eine Wertschöpfung in Höhe von 35 Milliarden Euro verloren.

Für die Studie "Fachkräftemangel im Gesundheitswesen" hat WifOR im Auftrag von PwC mehr als 20 Millionen Datensätze zu Arbeitsmarkt, Altersstruktur und Ausbildungsentwicklung der ärztlichen und nicht-ärztlichen Fachkräfte im Gesundheitswesen analysiert und bis zum Jahr 2030 fortgeschrieben.

MVZ statt Praxis und Klinik
Da ambulante und stationäre Einrichtungen auf dem Arbeitsmarkt künftig um immer weniger Fachkräfte konkurrieren, lässt sich die gegenwärtige parallele Versorgungsstruktur nicht aufrecht erhalten. Ohne Änderungen im System bliebe 2030 etwa jede dritte Arztstelle in Kliniken unbesetzt, in Praxen sogar jede zweite. Vor allem in ländlichen Gebieten sollten daher Medizinische Versorgungszentren (MVZ) unterschiedlichster Trägerschaft ausgebaut werden, um Krankenhäuser und Einzelpraxen zu ersetzen. Die Versorgung in der Fläche könnten Landärzte übernehmen, die gezielt finanziell gefördert werden.

Auch bei den nicht-ärztlichen Fachkräften ist eine gravierende Unterversorgung absehbar. Im Jahr 2030 werden mehr als 200.000 Sprechstundenhilfen und über 45.000 Laborkräfte fehlen. Dramatisch ist die Entwicklung im Pflegebereich. Fehlen hier bereits im Jahr 2020 über 174.000 Krankenschwestern, -pfleger und Hilfspflegekräfte, werden es 2030 annähernd 480.000 zu wenig sein.

Ohne Zuwanderung geht es nicht
Um einen Pflegenotstand abzuwenden, ist das deutsche Gesundheitssystem auf zusätzliche Pflegekräfte aus dem Ausland angewiesen. Allerdings wird die Erleichterung von Einreise- und Arbeitserlaubnisbestimmungen allein nicht dazu führen, dass mehr ausländische Pflegerinnen und Pfleger kommen. Vielmehr müssen sich auch Bezahlung und Arbeitsbedingungen verbessern, damit Deutschland im zu erwartenden internationalen Wettbewerb um Pflegekräfte mithalten kann.

"Mehr Geld wird es für das Gesundheitssystem insgesamt nicht geben. Um die Herausforderungen dennoch bewältigen zu können, müssen die vorhandenen Ressourcen intelligenter eingesetzt werden“, kommentiert Schmidt.

Effizientere Strukturen, attraktivere Arbeitsbedingungen
Um den drohenden Fachkräftemangel zu vermeiden oder wenigstens abzumildern, muss einerseits die Beschäftigung im Gesundheitswesen attraktiver werden. Andererseits gilt es, die Versorgung effizienter zu machen, um den Personalbedarf zu verringern. Die engere Verzahnung von stationärer und ambulanter Versorgung beispielsweise könnte nicht nur Wartezeiten verkürzen, sondern auch Doppeluntersuchungen vermeiden. So würden weniger personelle und finanzielle Ressourcen gebunden.

Dabei können effizientere Strukturen durchaus einen Beitrag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen leisten. So würde die konsequente Umstellung auf die elektronische Krankenakte nicht nur den Informationsfluss beschleunigen, sondern zudem Ärzte von zeitraubenden und vielfach als lästig empfundenen Verwaltungs- und Dokumentationsaufgaben befreien.

Allerdings gibt es auch vielfältige Ansatzpunkte für eine direkte Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Handlungsbedarf besteht beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Bislang ist Teilzeitarbeit im Gesundheitswesen die häufigste Antwort auf die Doppelbelastung durch Arbeit und familiäre Pflichten. Sinnvoller wäre jedoch der Ausbau von Betreuungsmöglichkeiten, um das Fachkräftepotenzial insbesondere bei Frauen besser auszuschöpfen.

"Neben dem Anwerben von ausländischen Fachkräften kann kurzfristig nur eine weitere Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Dazu müssen flexible Arbeitszeitmodelle eingeführt und eine verbesserte Kinderbetreuung angeboten werden", erklärt Dr. Dennis Ostwald, Arbeitsmarktexperte des Forschungsinstituts WifOR.

Nicht zuletzt müssen Staat und Arbeitgeber auch auf eine Verlängerung der effektiven Lebensarbeitszeit hinwirken. Insbesondere im Pflegebereich müssen Arbeitsabläufe und -organisation optimiert werden, um gesundheitsbedingte Frühverrentungen und Arbeitsunfähigkeiten so weit wie möglich zu vermeiden.

Weitere Informationen zur Studie "Fachkräftemangel im Gesundheitswesen" von PwC und WifOR finden sich im im Bereich "Gesundheitswesen und Pharma" von pwc.de.

PwC bietet branchenspezifische Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Unternehmensberatung. Dort schaffen wir für unsere Mandanten den Mehrwert, den sie erwarten. Mehr als 161.000 Mitarbeiter in 154 Ländern entwickeln in unserem internationalen Netzwerk mit ihren Ideen, ihrer Erfahrung und ihrer Expertise neue Perspektiven und praxisnahe Lösungen. In Deutschland erzielt PwC an 29 Standorten mit 8.700 Mitarbeitern eine Gesamtleistung von rund 1,33 Milliarden Euro.

PwC kommuniziert in Zukunft einfacher, klarer und kürzer und hat daher den Namen von PricewaterhouseCoopers in PwC geändert. Im Text mit großem 'P' und großem 'C' - nur im Logo sind alle Buchstaben kleingeschrieben.

WifOR ist ein unabhängiges Wirtschaftsforschungsinstitut, das als Ausgründung aus dem Lehrstuhl Finanz- und Wirtschaftspolitik von Prof. Dr. Dr. h.c. Bert Rürup entstanden ist. Die TU Darmstadt ist offizieller Kooperationspartner von WifOR. Das Forschungsinstitut wird seit der Gründung im Februar 2009 von Dr. Dennis A. Ostwald, einem langjährigen Mitarbeiter von Prof. Rürup, geleitet. Zurzeit sind für WifOR acht Mitarbeiter in den verschiedenen Forschungsfeldern tätig. Die Forschungsschwerpunkte des Instituts liegen insbesondere in der Korruptionsprävention, in Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, der Arbeitsmarktforschung sowie der Gesundheitswirtschaft. Bei den diversifizierten Forschungstätigkeiten steht neben einer starken empirischen Fundierung vor allem die Visualisierung der Wirtschaftsdaten im Vordergrund.


Quelle: Pressemitteilung vom 20.10.2010
http://www.pwc.de

Siehe Forum:
DBfK fordert Sofortmaßnahmen gegen miserable Arbeitsbedingungen
...
viewtopic.php?p=55429#55429

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Gesundheitssystem: Kurz vor dem Kollaps

Beitrag von Presse » 21.10.2010, 10:16

Gesundheitssystem: Kurz vor dem Kollaps
Doppelt so lange Wartezeiten und eine katastrophale Versorgungssituation in Krankenhäusern: Dieses Szenario prognostiziert uns eine neue Studie für das Jahr 2030.
http://www.fr-online.de/wirtschaft/kurz ... index.html
Quelle: Frankfurter Rundschau

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Fachkräftemangel im Gesundheitssystem

Beitrag von Service » 21.10.2010, 13:46

Fachkräftemangel im Gesundheitssystem: Bei Weitem größer als befürchtet

Der sich abzeichnende Fachkräftemangel im Gesundheitswesen macht einen
grundlegenden Umbau des Systems unvermeidlich. Bereits 2020 werden in
Deutschland nach Vollzeitstellen berechnet fast 56000 Ärzte sowie 140000
Pflege- und andere nicht-ärztliche Fachkräfte fehlen. Bis 2030 droht die
Personallücke in der Gesundheitsversorgung sogar auf über 950000 Fachkräfte
anzuwachsen, wie aus einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und
Beratungsgesellschaft PwC zusammen mit dem Darmstädter WifOR-Institut, einer
Ausgründung des Lehrstuhls von Prof. Bert Rürup, hervor geht. Dabei ist der
Personalbedarf in der Altenpflege in diesen Zahlen noch nicht einmal
berücksichtigt.
Verantwortlich für den Fachkräftemangel ist in erster Linie der demografische
Wandel. Die Alterung der Gesellschaft lässt die Nachfrage nach
Gesundheitsdienstleistungen steigen. Gleichzeitig gehen in den kommenden
Jahren immer mehr Fachkräfte in den Ruhestand, ohne dass ausreichender
Nachwuchs zur Verfügung steht. "Der Fachkräftemangel ist bei Weitem größer, als wir das befürchtet haben", sagte Harald Schmidt, Partner und Gesundheitsexperte bei PwC.

Quelle: Pressemitteilung vom 21.10.2010
Vincentz Network, Hannover, http://www.vincentz.net

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Demografiefalle

Beitrag von Presse » 22.10.2010, 06:32

Der Standpunkt: Die doppelte Demografiefalle
Bis zum Jahr 2030 werden in Deutschland fast 170 000 Ärzte und 790 000 Mitarbeiter in den nichtärztlichen Gesundheitsberufen fehlen. Eine Gesundheitsversorgung, wie wir sie heute kennen, würde dann nicht mehr möglich sein. mehr »
http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=625 ... haft&n=661

Bettina Olbing
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Pflegefachkräfte in Deutschland qualifizieren

Beitrag von Bettina Olbing » 22.10.2010, 07:25

Siehe Forum:
viewtopic.php?p=55467#55467
viewtopic.php?p=55468#55468

Es gibt im Moment zahlreiche Pressemitteilungen, die über Fachkräftemangel informieren. Es soll in den nächsten Jahrzehnten dramatisch werden. Solche Erkenntnisse sind nun wahrscheinlich nicht neu.
Falls mit solchen Berichten bewirkt werden soll, mehr ausländische Kräfte in die Pflege zu bringen, sehe ich einen Irrweg. Denn wir vernachlässigen seit Jahren die bundesdeutschen Ausbildungs- und Einstellungsmöglichkeiten im Pflegebereich. Es werden sogar ständig entsprechende Mittel eingekürzt.
Daher liegen die Verantwortlichkeiten eigentlich klar auf der Hand. Die politischen Entscheidungsträger sind gefordert, die bundesdeutschen Möglichkeiten zur Verbesserung der Pflege auszuschöpfen. Pflege muss auch durch höhere Vergütungen attraktiver gestaltet werden. Diskussionen um einen Pflegemindestlohn waren und sind wenig hilfreich.

Das meint am frühen Morgen
Bettina Olbing
Pro Pflege - was denn sonst!

Sabrina Merck
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Pflegenotstand jetzt und in der Zukunft

Beitrag von Sabrina Merck » 07.12.2010, 08:39

Pflegenotstand jetzt und in der Zukunft - Ausbildungsoffensive nötig

Hallo und guten Morgen,

seit Tagen gibt es zahlreiche Botschaften, die sich mit dem Pflegenotstand bzw. dem jetzigen und zukünftigen Pflegekräftemängel befassen. Dabei geht einiges durcheinander:

Festzuhalten ist, dass wir bereits aktuell einen gravierenden Pflegekräftemangel haben. In Krankenhäusern ist er - auch hier im Forum - gut belegt mit mindestens 50.000 Stellen anzugeben. In den Heimen gibt es unzureichende Stellenschlüssel, die eine klare Unterversorgung mit Pflegepersonal zur Folge haben.

Angesichts des demografischen Wandels wird der Bedarf an Pflegekräften in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen deutlich zunehmen. Insoweit gibt es unterschiedliche Hochrechnungen. Eines dürfte aber klar sein: Bereits jetzt umfassende Ausbildungsstrategien nötig.

Zur Fachkräfteanwerbung aus dem Ausland: Bei der Ausbildung und Einstellung sollten vorrangig deutsche Arbeitskräfte rekrutiert werden. Im Zweifel muss die Anwerbung geeigneter Kräfte mit deutlich besseren Vergütungen honoriert werden. Der Ruf nach ausländischen Fachkräften für die Pflege geht in die falsche Richtung. Denn Pflege erfordert Kommunikation. Und dazu gehört die deutsche Sprache. Vielleicht haben wir jetzt schon in der Pflege zuviele Personen, die nicht gut deutsch sprechen. Die große Zahl von Personen ohne ausreichende Sprachkompetenz zu vermehren, ist mehr als problematisch.
Es gibt also viel zu tun.

Texte dazu im Forum zahlreiche Beiträge, z.B. unter
viewtopic.php?t=15183
viewtopic.php?t=15182
viewtopic.php?t=14974
viewtopic.php?t=14538
viewtopic.php?t=14740
viewtopic.php?t=14949
viewtopic.php?t=15148
viewtopic.php?t=15111
viewtopic.php?t=14991
viewtopic.php?t=14950
viewtopic.php?t=15037
viewtopic.php?t=14976

Ich bitte alle Pflegekräfte und diejenigen, die sich an sonst für pflegerische Themen interessieren. Bitte informiert weiter. Es müssen jetzt die richtigen politischen Weichen gestellt werden. Wenn die Koalition in Berlin die nächsten Reformschritte halbherzig vornimmt, rennen wir pflegerisch in ein Dilemma!
...
Mit freundlichen Grüßen
Sabrina Merck
Dem Pflegesystem und den pflegebedürftigen Menschen muss mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden! Daher:
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk!
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de

WernerSchell
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Pflege-Dialog ein Flop - Pflegenotstand und kein Ende

Beitrag von WernerSchell » 09.12.2010, 08:56

Bild Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk
Unabhängige und gemeinnützige Initiative - Harffer Straße 59 - 41469 Neuss

Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk führt regelmäßig Pflegetreffs mit bundesweiter Ausrichtung durch.
Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk ist Kooperationspartner der „Aktion Saubere Hände.“


Pressemitteilung vom 09.12.2010

Pflegenotstand wurde beim Pflege-Dialog nicht angemessen diskutiert
Pflege-Dialog - Auftaktrunde am 07.12.2010 beim Bundesgesundheitsministerium eher ein Flop


Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk sieht in dem am 07.12.2010 im Bundesgesundheitsministerium begonnenen Pflege-Dialog keinerlei Ansatzpunkte, die wirklichen Probleme in den Pflegesystemen zu hinterfragen und einer Lösung zuzuführen. Tatsache ist nämlich, dass es bereits seit geraumer Zeit eine völlig unzureichende Ausstattung der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen mit Pflegepersonal gibt. Während man sich bei den Heimen noch auf (unzureichende) Stellenschlüssel beziehen kann, gibt es für die Krankenhäuser keinerlei Personalberechnungsvorschriften, schlicht nur eine Stellenausstattung nach Kassenlage. Und diese ist nachweislich dramatisch schlecht. Entsprechende Folgen liegen für die Patienten, Pflegebedürftigen und Pflegekräfte auf der Hand. U.a. gefährdet die mangelhafte Zuwendung Patienten und Pflegebedürftige, während die überlasteten Pflegekräfte nicht selten frühzeitig aus dem Beruf flüchten (müssen). Wer als Pflegekraft bleibt, steht unter immensem Arbeitsdruck und nimmt früher oder später gesundheitlichen Schaden.

Es wäre nach all dem vorrangig gewesen, darüber zu reden, wie man diesen seit Jahren beklagten Pflegenotstand aufhebt; z.B. durch Schaffung von bundesweit geltenden Personalbemessungssystemen, entsprechende Stellenausweitungen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen und Start einer Ausbildungs- und Einstellungsoffensive. Hinzu kommen müssen handfeste Bemühungen, die Pflegekräfte besser zu bezahlen. Nur so kann die vielfach angesprochene Wertschätzung und Anerkennung für die Pflege wirkungsvoll zum Ausdruck gebracht werden.

Wer die Pflegekräfte in diesem Sinne gut behandelt, muss sich weder heute noch in den nächsten Jahren über einen Mangel an Pflegefachkräften beklagen. Auch der Ruf nach entsprechenden Fachkräften aus dem Ausland ist dann entbehrlich. Eine ausgeweitete Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland wäre auch aus Gründen der mangelnden Sprachkenntnisse problematisch. Denn gerade in der Pflege, vor allem der Pflege Demenzkranker, kommt es auf eine gute Kommunikation an. Und die ist bei Dienstkräften, die aus dem Ausland kommen, schon jetzt nicht immer gewährleistet. Es gibt bereits vielfältige Klagen darüber, dass in den Gesundheitssystemen zu wenig verständlich deutsch gesprochen wird.

Die beim Pflege-Dialog angesprochene Reform der Berufsgesetze in der Pflege erscheint wenig geeignet, irgendein Pflegenotstandsproblem aufzulösen. Der Pflegenotstand und all das, was damit zusammenhängt, hat mit den Berufsgesetzen absolut nichts zu tun. Es gibt keine Mängel in der Pflegeausbildung, denen in irgendeiner Form eine Mitverursachung des Pflegenotstandes zugedacht werden könnte. Wer das behauptet, hat keine Ahnung vom Ausbildungsgeschehen oder ist absichtsvoll bemüht, von den eigentlichen Problemen abzulenken. Gleichwohl ist nichts dagegen einzuwenden, die Berufsgesetze durch geeignete Vorschriften zu ergänzenden Fortbildungen, Weiterbildungen und Studienabschlüssen (z.B. Pflegewissenschaften) mit mehr Zukunftsperspektiven zu versehen.

Auch die Hinweise zum Abbau der Bürokratie in der Pflege, z.B. Reduzierung der Dokumentationsarbeiten, hilft nicht weiter. Regierungen verkünden seit Jahrzehnten, endlich mit dem Bürokratieabbau beginnen zu wollen. Die diesbezüglichen Bemühungen haben aber letztlich immer zu einer weiteren Auftürmung von Vorschriften und Schreiberfordernissen geführt. Professionelle Pflege erfordert im Übrigen Planung und schriftliche Dokumentation. Sie ist aus vielerlei Gründen, z.B. vertraglichen bzw. haftungsrechtlichen Erwägungen, sogar unverzichtbar. Daher müssen im Rahmen der Stellenbemessung solche Dokumentationserfordernisse ausreichend Berücksichtigung finden.

Wer die Wertschätzung und Anerkennung für die Pflegekräfte auch nur ansatzweise ernst nimmt, muss jeder Kostensenkungsmentalität und vor allem Billiglöhnen in den Pflegesystemem eine Absage erteilen.

Die Pflegesysteme werden in der Zukunft erheblich mehr Finanzausstattung benötigen. Der Verweis auf die demografische Entwicklung mit einer drastischen Zunahme hilfe- und pflegebedürftiger Menschen dürfte als Begründung ausreichen. Zusätzliche Beitragslasten müssen allerdings nach Meinung von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk solidarisch finanziert werden.

Werner Schell - Dozent für Pflegerecht und Vorstand von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk

+++ Die vorstehende Pressemitteilung ist zur Veröffentlichung frei! +++
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Bettina Olbing
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Fachkräfte mit inländischem Personal abdecken

Beitrag von Bettina Olbing » 04.02.2011, 09:33

In ihrer Jahrespressekonferenz 2011 hat Bayerns Arbeits- und Sozialministerin Christine Haderthauer zu dem bestehenden Mangel an Fachkräften in der Altenpflege Stellung genommen: "Statt unter dem Schlagwort „Fachkräftemangel“ nach Zuwanderung zu rufen, müssen wir alle inländischen Fachkräfte halten und aktivieren. Nur so können wir uns im globalen Wettbewerb um qualifizierte Arbeitnehmer behaupten. Qualifizierung geht vor Zuwanderung“.

Ja, das ist die richtige Sichtweise. Denn wer jetzt ständig nur für mehr ausländische Pflegekräfte wirbt, will in Wirklichkeit die Vergütungen drücken. Und das ist ein Irrweg.

B.O:
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Gerhard Schenker
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Pflegeberufe attraktiver machen - sehr einverstanden

Beitrag von Gerhard Schenker » 06.02.2011, 08:16

Pflegeberufe attraktiver machen - sehr einverstanden

Wenn es eine Aufwertung für die Pflegeberufe geben sollte, wird das eine große Zustimmung in der Gesellschaft finden. Was allerdings seitens der Politik und so mancher Berufsverbandsfunktionäre andiskutiert bzw. vorgeschlagen wird, erscheint weniger hilfreich, die vielfach gewünschte Aufwertung wirklich zu erreichen:

Berufsgesetze:
Regeln die Ausbildung und den Schutz der Berufsbezeichnung eigentlich in ausreichendem Maße. Wenn hier und da an Verbesserungen gedacht wird, ist das aber nicht verkehrt. Verkehrt ist aber zu erwarten, dass durch Änderungen der Berufsgesetze irgend etwas in der tatsächlichen Pflege am Patienten besser wird.

Vergütungen:
Die Pflegetätigkeit, und das wird zu wenig diskutiert, muss besser vergütet werden. Insoweit sind die Gewerkschaften gefordert. Allerdings können die Berufsverbände insoweit mit Druck ausüben. Höhere Vergütungen wäre ein echtes Plus für die Wertschätzung der Pflege.

Pflegekammern:
Diese Einrichtungen würden erneut Behörden mit großem Aufwand entstehenden lassen. Sie würden kaum Einfluss auf die Pflegetätigkeit haben, viel Geld kosten, eigentlich kaum etwas bewirken. Daher werden solche Kammern zurecht als völlig überflüssig angesehen. Insoweit ist ja schon breiter Widerstand formuliert werden. Wenn ein Herr Söder in Bayern eine solche Kammer ankündigt, steckt m.E. dahinter purer politischer Populismus.

Fachkräftemangel = Pflegenotstand:
Diese Diskussionen führen so, wie sie geführt werden, an den eigentlichen Problemen haarscharf vorbei. Offensichtlich wird jetzt die Begrifflichkeit "Fachkräftemangel" dazu benutzt, Billig-Pflegekräfte aus dem osteuropäischen Raum anwerben zu können. Die Diskussion des Fachkräftemangels wird ja auch weitgehend von der Pflege-Arbeitgeberseite gefördert. Andere, vor allem die Medien, plappern nach.
Klar sollte sein, dass wir seit vielen Jahren einen Pflegenotstand haben. Zuwenig Pflegekräftestellen in Krankenhäusern und Heimen. Insoweit sind Änderungen nötig. Mehr Stellen einrichten, ausbilden und einstellen.
Pflegekräfte müssen Zeit für die Patienten und pflegebedürftigen Menschen haben. Geben wir sie ihnen bei ausreichender Vergütung, dann wird Wertschätzung und Anerkennung auf dem Fuße folgen, von selbst.

Gerhard Schenker
Das Pflegesystem bedarf einer umfassenden Reform - Pflegebegriff erneuern und Finanzierung zukunftsfest machen!

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Re: Pflegeberufe attraktiver machen - sehr einverstanden

Beitrag von PflegeCologne » 07.02.2011, 08:22

Gerhard Schenker hat geschrieben:Pflegeberufe attraktiver machen - sehr einverstanden ....
Hallo Gerhard,
Deinem Statement stimme ich gerne zu. Wenn die Politik etwas tun will, dann sollte sie schnellstens die Frage der Ausbildungskosten regeln. Meine Meinung: Krankenkassen sollten die Krankenpflegeausbildung für die Krankenhäuser tragen, Pflegekassen die Ausbildung für die Pflegeeinrichtungen. Die Bundesanstalt für Arbeit kann auch beteiligt werden.
Wenn so die Träger Klarheit haben, werden sie auch bei entsprechender Erhöhung der Zahl der Ausbildungsplätze ausreichend ausbilden. Das dumme Gerede vom Fachkräftemangel in der Pflege könnte verstummen. Endlich.
MfG Pflege Cologne
Alzheimer - eine Krankheit, die mehr Aufmerksamkeit erfordert! - Pflegesystem muss dem angepasst werden, auch, wenn es teurer wird! - Ich bin dabei:
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de

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