Reha Patientenwunsch und –wahlrecht

Gesundheitswesen, Krankenhaus- und Heimwesen, Katastrophenschutz, Rettungsdienst, Arzneimittel- und Lebensmittelwesen, Infektionsschutzrecht, Sozialrecht (z.B. Krankenversicherung, Pflegeversicherung) einschl. Sozialhilfe und private Versorgung

Moderator: WernerSchell

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testbenutzer
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Reha Patientenwunsch und –wahlrecht

Beitrag von testbenutzer » 24.09.2010, 07:38

Hallo Leute,
ich hab da ein dringliches Problem - vielleicht kann mir jemand helfen oder einen guten Rat geben:

Meine Frau hat vor einigen Wochen nach langem Rechtsstreit mit der AOK eine neue elektronische Beinprothese bekommen, da ihre alte kaputt war. Nun möchte sie gerne in eine Gehschule damit sie auch alle Vorteile der neuen Prothese nutzen kann. Derzeit ist sie krankgeschrieben und bezieht Krankengeld, da sie sehr schlecht laufen kann.

Nach vielen Empfehlungen hat sie die Gehschule in der Klinik Enzensberg ausgewählt. Sie hat sich beim Arzt eine stationäre Reha in dieser Klinik verordnen lassen und diese Verordnung dann bei der AOK eingereicht. Die AOK hat für sie allerdings prompt einen Termin in einer Klinik vor Ort vereinbart. Damit ist meine Frau nicht einverstanden, weil sie schon viel schlechtes über diese Klinik gehört hat und die Gehschule dort längst nicht so intensiv ist wie die in ihrer Wunschklinik.

Sie hat daraufhin die AOK angeschrieben und von ihrem Patientenwahlrecht nach SGB V §1 (2), SGB IX §9 (1), SGB 1 § 33 (1), GG Art. 2 (2) gebrauch gemacht.

Inhalt des Schreibens:
Als Leistungsberechtigte der AOK möchte ich gemäß den allgemeinen Bestimmungen von meinem Patientenwunsch- und –Wahlrecht Gebrauch machen.
Nachdrücklich bringe ich meinen Willen zum Ausdruck, die geplante Rehabilitations-behandlung/Gehschule in der Fachklinik Enzensberg, Höhenstraße 56, 87629 Hopfen am See durchzuführen.
Die Ergebnisse einer Patientenbefragung der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) zeigen die Fachklinik Enzensberg in der Kategorie „Patientenzufriedenheit“ an der Spitze aller orthopädischen Fachkliniken in Deutschland.
Ich habe die Fachklinik Enzensberg gewählt, da diese die Verbesserung meines Gesundheitszustandes am besten gewährleisten kann. Hierbei bitte ich meine individuellen Verhältnisse und meine Leistungseinschränkung zu beachten.

Gestern erreichte Sie folgende Antwort der AOK:

Sie möchten im Rahmen einer stationären Maßnahme die Gehschule in der Fachklink Enzensberg in Hopfen am See durchführen. Unser Vorschlag, diese Gehschule in Wohnortnähe ambulant in der Berufsgenossenschaftlichen Klinik in Duisburg durchzuführen, entsprach nicht Ihren Vorstellungen.
Wir stimmen Ihnen zu, dass laut §33 Sozialgesetzbuch Teil 1 (SGB I) Ihr persönlicher Bedarf bei unseren Entscheidungen Berücksichtigung finden soll, allerdings dies nur, wenn er angemessen ist.
Die von uns beschriebene ambulante Gehschule in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Duisburg ist zweckmäßig und ausreichend. Bitte nehmen Sie den von uns reservierten Termin am 27.09.2010 wahr.

Hauptpunkt ist halt, dass die stationäre Aufnahme in ihrer Wunschklinik natürlich eine viel intensivere Behandlung bietet als die ambulante Gehschule in Duisburg - abgesehen von den schlechten Kritiken müsste die dort 2-3x pro Woche hin und jemand beschäftigt sich 1 Stunde mit ihr. In ihrer Wunschklinik wird sie stationär für 3 Wochen aufgenommen und hat mindestens 5 Stunden Gehschule pro Tag sowie eine persönliche Betreuung. Die Klinik in Duisburg ist übrigens 60km vom Wohnort entfernt und meine Frau hat weder Auto noch Führerschein. Soll sie in ihrem Gesundheitszustand 2-3x pro Woche jeweils 2,5 Stunden mit dem Bus hin- und zurück fahren?

Es kann doch nicht sein dass nach einem 3 jährigen Rechtsstreit um eine neue Prothese die AOK nun schon wieder ihre Sparmaßnahmen auf dem Rücken meiner Frau austrägt.

Was kann meine Frau nun tun? Widerspruch einlegen? Mit welcher Begründung und Rechtsgrundlage? Klagen? Hat sie ein gesetzliche Recht in die gewünschte Gehschule zu kommen?

Vielen Dank im voraus für die Hilfe!!!
Markus

Herbert Kunst
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Bestmögliche Versorgung und die Ökonomisierung

Beitrag von Herbert Kunst » 24.09.2010, 07:55

Hallo, hier eine Antwort auf die Schnelle:

Die Krankenkasse stützt sich wohl im Kern auf § 12 SGB V
http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__12.html
Es geht dabei in erster Linie um die Ökonomie. Aus der Sicht des Patienten gibt es aber gute Gründe, die bestmögliche Versorgung zu bekommen, auch, wenn sie etwas teurer ist.

Ich würde daher mit den bisher - vielleicht ergänzten - sachlichen Argumenten Widerspruch einlegen. Es muss nochmals verdeutlicht werden, dass es um eine schnelle und wirkungsvolle Hilfe gehen muss. Das Wirtschaftlichkeitssgebot habe hier zurückzutreten. Vielleicht gibt es vom Arzt noch eine ergänzende Stellungnahme. Oder es gibt von der Klinik in Hopfen am See noch Argumente.

Da aber wohl die Maßnahme drängt, wäre zu erwägen, den Widerspruch mit dem Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht zu verbinden. Dabei müsste dem Gericht klar gemacht werden, dass die gewünschte Entscheidung dringlich ist, denn sonst würden durch zeitliche Verzögerungen gesundheitlich nicht wieder gut zu machende Schäden entstehen .... Oder so ähnlich.

Wenn der Weg der Einstweiligen Anordnung gewählt wird, wäre wohl die Inanspruchnahme eines Anwalts (für Sozialrecht) ratsam. Das macht dann bei Gericht mehr Eindruck. So ist das halt.

Gruß
Herbert Kunst
Für menschenwürdige Pflege sind wir alle verantwortlich! - Dazu finde ich immer wieder gute Informationen unter http://www.wernerschell.de

Rüdiger Bastigkeit
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Krankenkassen und das Wirtschaftlichkeitsgebot

Beitrag von Rüdiger Bastigkeit » 25.09.2010, 09:31

Hallo und guten Morgen!

Die Krankenkassen sind, so hat es der Gesetzgeber gewollt (= Ökonomisierung), auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot verpflichtet. Gleichwohl muss das medizinische / pflegerisch Notwendige geleistet werden. Insoweit stehen sich hier zwei Grundsätze gegenüber.

Um aus Patientensicht weiter zu kommen, muss das "medizinisch Notwendige", hier in Inanspruchnahme einer bestimmten Einrichtung zur Verbesserung der Problemlage, verdeutlicht werden. Dabei kann ggf. angeboten werden, die Fahrtaufwendungen zu der weiter entfernten Einrichtung zu übernehmen. Vielleicht kann das die Kasse animieren, "großzügig" zu sein.

Im Übrigen hat H.K. schon die richtigen Hinweise gegeben. Zustimmung von hier.

Es grüßt
Rüdiger Bastigkeit
Pflegesystem verbessern - dringend!

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