Pflegeheime: Kameras und Mikrophone in den Zimmern ...?

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

Uta
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Pflegeheime: Kameras und Mikrophone in den Zimmern ...?

Beitrag von Uta » 12.09.2008, 11:44

Qualität vs. Quantität - Big Sister is watching you!

Hallo an alle Pflegenden und Rechtswissenschaftler!!

1 - Ist es rechtlich möglich, nachdem dies vor allem allen Mitarbeitern vorangekündigt wurde und von den Betreuern bzw. (wenn möglich) Betroffenen genehmigt wurde, Kameras und Mikrophone in den Zimmern und Aufenthaltsbereichen der zu Pflegenden eines Pflegeheims zu installieren?
2 - Darf man als Leitung dann diese Daten als Maßinstrument für Pflegequalität (intern und/oder extern) nutzen??


Mich interessieren sowohl Meinungen als auch die aktuelle Rechtslage dazu.

Danke im Voraus, Uta.

moviliti-care
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Beitrag von moviliti-care » 12.09.2008, 12:40

Hallo Uta,
also subjektv würde ich sagen nein.
Das Datenschutzgesetz verbietet es, da dadurch der persönliche Lebensraum und der Schutz der Persönlichkeit eingeschränkt wird.
In Funktionsbereichen ( intensive, medizinische Überwachung ) ist es durchaus möglich.
Was passiert mit den Daten? Wie werden sie gesichert von Zugriffen?
Wer hat Zugang? Gibt es einen Datenschutzbeauftragten?
Also ich würde mich als Mitarbeiter und Betroffener an die Datenschützer wenden.
Schlechter Pflege die Rote Karte zeigen und CHANCEN GEBEN - Infos unter www.moviliti-care.de

WernerSchell
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Pflegeheime: Kameras und Mikrophone in den Zimmern ...?

Beitrag von WernerSchell » 12.09.2008, 13:03

Sehr geehrte Fragestellerin (Uta),

mit Rücksicht auf die Bedeutung der angesprochenen Problematik habe ich einige Mailinglisten genutzt und auf den Text aufmerksam gemacht. U.a. habe ich den unten stehenden Text verschickt. Ich bin auf die Rückmeldungen sehr gespannt. Ich selbst kann spontan keine Rechtfertigung dafür ausmachen, solche Maßnahmen "flächendeckend" einzuführen.

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell

Text:

Iin meinem Forum gibt es einen interessanten Fragetext:
viewtopic.php?p=37405#37405

1 - Ist es rechtlich möglich, nachdem dies vor allem allen Mitarbeitern vorangekündigt wurde und von den Betreuern bzw. (wenn möglich) Betroffenen genehmigt wurde, Kameras und Mikrophone in den Zimmern und Aufenthaltsbereichen der zu Pflegenden eines Pflegeheims zu installieren?
2 - Darf man als Leitung dann diese Daten als Maßinstrument für Pflegequalität (intern und/oder extern) nutzen??

Mich würde interessieren, wie das angesprochene Thema ggf. aus betreuungsrechtlicher Sicht einschätzt wird. Ich persönlich sehe hier eher rechtliche Bedenken, weil Persönlichkeitsrechte bzw. informationelle Selbstbestimmungsrechte der hilfe- und pflegebedürftigen Menschen, aber auch der MitarbeiterInnen der Einrichtung, berührt werden. Ich denke, dass für Überwachungsmaßnahmen der beschriebenen Art spezielle Gründe vorliegen müssen, die eine andere Vorgehensweise weitgehend ausschließen.
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Videoüberwachung im Seniorenheim

Beitrag von Service » 12.09.2008, 13:17

Videoüberwachung im Seniorenheim mit Einschränkungen zulässig

VG Minden, Vergleich vom 31.10.2006, 6 K 552/06
PKR 2007, 27 (Kurzwiedergabe)


Gründe:

Mit einem Vergleich endete heute der Rechtsstreit zwischen der Betreiberin eines Seniorenheims in Harsewinkel (Kreis Gütersloh) und dem Kreis Gütersloh als Heimaufsichtsbehörde. Die Heimaufsicht hatte beanstandet, dass die Einrichtung mit insgesamt zehn Videokameras ausgestattet worden war, mit denen ein Aufenthaltsraum, die Eingänge sowie Treppen und Flure des Heims überwacht wurden. Dadurch wollte der Heimbetreiber den Schutz der Bewohner etwa im Falle von Stürzen und vor unbemerkten Eindringlichen verbessern. Die Aufnahmen wurden in den Aufsichtsraum des Personals übertragen und dort für die Dauer von drei Wochen gespeichert. Das hielt die Heimaufsicht aus datenschutzrechtlichen Gründen für nicht zulässig.

In der mündlichen Verhandlung widersprach das Gericht der Auffassung der Heimaufsichtsbehörde, hier seien die Bestimmungen für die Überwachung öffentlich zugänglicher Räume einschlägig. Unabhängig hiervon sei die Videoüberwachung allerdings insoweit bedenklich, als sie sich auch auf den Aufenthaltsraum erstrecke. Insofern sei ein unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre der Heimbewohner zu befürchten. Datenschutzrechtliche Zweifel bestünden auch an der Speicherung der Aufnahmen über einen Zeitraum von drei Wochen hinweg.

Auf Vorschlag des Gerichts einigten sich die Parteien auf Folgendes: Eine Überwachung des Aufenthaltsraums findet zukünftig nicht mehr statt. In den weniger sensiblen Bereichen wie Eingängen, Fluren und Treppenhäusern kann die Überwachung zum Schutz der Bewohner jedoch fortgesetzt werden. Die Aufnahmen dürfen allerdings nicht länger als 72 Stunden gespeichert bleiben.

Der Vergleich ist auch im Heft Altenheim 1/2007 veröffentlicht und besprochen!

Siehe auch im Forum Werner Schell unter
Videoüberwachung im Seniorenheim
viewtopic.php?t=5726&highlight=552

Klaus-Dieter Watschke

Pflegeheime: Kameras und Mikrophone in den Zimmern ...?

Beitrag von Klaus-Dieter Watschke » 12.09.2008, 13:54

Sehr geehrte Damen und Herren,

hier geht um das Recht der Bewohner und teilweise auch der Mitarbeiter auf Wahrung der Privat- und Intimsphäre, also im wesentlichen um das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht auf Bestimmung über das eigene Bild und das eigene gesprochene Wort.

Kameras und Mikrofone haben nach meiner anwaltlichen Einschätzung in Zimmern von Bewohnern in keinem Falle etwas zu suchen. Diese Zimmer sind schließlich auch die grundrechtlich geschützten Wohnungen der Bewohner.

Ob solche Einrichtungen auf Fluren, Korridoren und ähnlichen Gemeinschaftseinrichtungen ständig etwas zu suchen haben, wage ich doch sehr zu bezweifeln.
Nur im Falle eines konkreten und wichtigen Anlasses mag es in Einzelfällen möglich sein, solche Einrichtungen zu installieren bzw. zu betreiben. In jedem Falle sind die Bewohner, welche dadurch gefilmt bzw. aufgenommen werden, in solchen Einzelfällen zuvor über die beabsichtigte Maßnahme zu informieren, bei Bedarf auch die zuständigen Angehörigen, Betreuer bzw. Vorsorgebevollmächtigten.
Auch die Mitarbeiter sind nach meiner Kenntnis hierüber, auch über die Personal- bzw. Mitarbeitervertretung zu informieren. Hier spielt auch das kollektive Arbeitsrecht, die betriebliche Mitbestimmung eine Rolle.

Zuletzt sind nach meiner Kenntnis auch die datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu beachten, denn Sie können nicht einfach Bild- und Tonaufnahmen ohne Zustimmung von Bewohnern und Mitarbeitern dauerhaft speichern bzw. verarbeiten, z.B. an Dritte, auch nicht die Heimaufsicht weitergeben.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus-Dieter Watschke, Rechtsanwalt
Bahnhofstraße 10 in 16928 Pritzwalk, Tel. 03395/400805,
Fax 03395/400806.
Die Homepage lautet: http://www.rechtsanwalt-watschke.de.

Dieter Radke
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Kamera und Mikro im Heim - nein danke!

Beitrag von Dieter Radke » 12.09.2008, 16:38

Uta hat geschrieben: .... 2 - Darf man als Leitung dann diese Daten als Maßinstrument für Pflegequalität (intern und/oder extern) nutzen?? ....
Hallo Uta,
zu 1 gibt es bereits Hinweise, die vielleicht schon mal weiter helfen.
Zu 2 sehe ich arbeitsrechtliche Bedenken. Man kann nicht so ohne Weiteres über die Köpfe der MtiarbeiterInnen Daten erheben, schon gar nicht per Kamera und Mikro. Das bedarf m.E. sorgfältigster Abwägung hinsichtlich der Erforderlichkeit. Dann müssen die Arbeitnehmer bzw. ihre Vertretung beteiligt werden. Ich nehme an, dass eine Verfahrensweise, wie beschrieben, ohne Billigung der Beschäftigten nicht geht. Ich würde mich als Arbeitnehmer jedenfalls dagegen stellen. - Hat nicht kürzlich Lidl die Grenzen der Mitarbeiterüberwachung per Video aufgezeigt bekommen? Ein hohes Bußgeld wurde fällig!
MfG
Dieter
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Rob Hüser
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Kamera und Mikro im Heim - wozu eigentlich???

Beitrag von Rob Hüser » 12.09.2008, 17:16

Hallo,

ich kann nicht erkennen, was mit der geschilderten Überwachung bewirkt werden soll. Inwieweit hilft sie den Bewohnern, den Beschäftigten oder dem Betrieb - und wobei?

Videoüberwachung ist in Ausnahmefällen wohl zulässig. Diesbezüglich müsste aber eine Betriebsvereinbarung geschlossen werden. Es müssen die Gründe, die für oder gegen eine solche Maßnahme sprechen, sorgfältig abgewogen werden. Da die Persönlichkeitsrecht der betroffenen Personen entscheidend berührt sind, muss eine Überwachung per Video oder Kamera die absolute Ausnahme sein.

Siehe dazu auch unter
http://www.sovt.de/PDF/Datenschutz-Video.pdf

Siehe auch
BAG, Beschluss vom 14. 12. 2004 - 1 ABR 34/ 03 (Lexetius.com/2004,3750)
http://lexetius.com/2004,3750

Siehe auch unter
http://blog.juracity.de/2008-03-27/vide ... srats.html

MfG Rob
Das Pflegesystem muss dringend zukunftsfest reformiert werden!

Uta
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Beitrag von Uta » 12.09.2008, 17:34

Vielen Dank für ihr Interesse an diesem Thema!

Es handelt sich bei der beschriebenen um eine fiktive Situation. Die Mitarbeiter wären über die Maßnahme und den Standort der Aufzeichnungsgeräte informiert, die Betreuer der Bewohner hätten ihre Einwilligung zu dieser Maßnahme gegeben. Die Videoüberwachung sollte dabei dazu dienen, ausschließlich Daten zur Pflegequalität zu erheben mit der Absicht, mehr Qualitätsbewusstsein zu stiften und Weiterbildungsbedarf gezielt feststellen zu können.

Die zu Pflegenden befinden sich im Wachkoma und können selbst kein entsprechendes Feedback geben. Angehörige und Besucher der Bewohner könnten während der Zeit ihrer Anwesenheit die Überwachung ausstellen. Menschen im Wachkoma neigen vermehrt zu Krampfanfällen, eine ununterbrochene Anwesenheit von Personal in den Pflegezimmern ist personell nicht möglich. Ggf. könnte man eine elektronische Überwachung der Zimmer mit solcher Argumentation unterstützen.

Alternativ könnten ausgesuchte Mitarbeiter dazu angehalten werden, sich gegenseitig und andere Mitarbeiter bzgl. ihrer Pflegequalität ohne spezielle Vorankündigung zu beobachten und diese Beobachtungen zu protokollieren und sich vom jeweils beobachteten Mitarbeiter nach der beobachteten Situation gegenzeichnen zu lassen. Wie sähe es da mit dem Datenschutz bzgl. der Protokolle aus? Ist dies ein anerkanntes Instrument zur Qualitätssicherung und Förderung der Mitarbeiterentwicklung?

Hier überschneiden sich Pflegerecht und Datenschutzrecht vermutlich.

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Beitrag von Uta » 12.09.2008, 18:00

Hallo Rob! Danke für die sehr aufschlussreichen Links, daraus ergibt sich eineindeutig, dass Videoüberwachungen hinsichtlich Qualitätskontrollen nicht zulässig sind. Sie haben mir sehr geholfen, danke! Uta.

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Beitrag von Witte » 12.09.2008, 20:14

Ich sehe hier eine Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, also einen Eingriff in die allgemeinen Persönlichkeitsrechte. Demgemäß wäre es bereits gemäß § 1901 Abs. 2 BGB dem Betreuer nicht gestattet sein Einverständnis zu erklären, da ein Maßinstrument für die Pflegequalität eben nicht konform läuft mit dem Wohl, Wünschen und Vorstellungen des Betreuten. Natürlich kann die Einverständniserklärung eines geistig gesunden Bewohners diese Maßnahme rechtfertigen, jedoch dürfte dies dann – außer in Notfallsituationen (vgl. VG Minden, Vergleich vom 31.10.2006, 6 K 552/06) – den Zweck der Videoüberwachung nicht genügen und somit sinnlos sein.
Da die Videoüberwachung weiterhin als Instrument der Dokumentation der Pflegequalität gleichsam dazu geeignet ist die Arbeitsqualität der Pflegekräfte zu überwachen bestehen weiterhin betriebsverfassungsrechtliche Bedenken. Gem. § 87 Abs.1 Nr. 6 BetrVG wäre hier das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates betroffen, da die Videoüberwachung gleichsam dazu geeignet ist das Verhalten der Arbeitnehmer zu überwachen.
Sofern eine Tonaufzeichnung erfolgt ist ebenfalls der Tatbestand des $ 201 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes) von Bedeutung. Dadurch wären auch Besucher, Mitbewohner, Arbeitskräfte und auch nur zufällig anwesende Personen geschützt.
Fazit: Es widersprechen erhebliche Rechtsründe gegen eine „flächendeckende Videoüberwachung“ der Bewohner. Ein rechtsicherndes Verfahren ist nahezu unmöglich.
Assessor Jürgen Witte
Dozent für Pflegerecht am Fachseminar für Altenpflege

ekjj
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Beitrag von ekjj » 13.09.2008, 01:33

Uta hat geschrieben:Vielen Dank für ihr Interesse an diesem Thema!

Es handelt sich bei der beschriebenen um eine fiktive Situation. Die Mitarbeiter wären über die Maßnahme und den Standort der Aufzeichnungsgeräte informiert, die Betreuer der Bewohner hätten ihre Einwilligung zu dieser Maßnahme gegeben. Die Videoüberwachung sollte dabei dazu dienen, ausschließlich Daten zur Pflegequalität zu erheben mit der Absicht, mehr Qualitätsbewusstsein zu stiften und Weiterbildungsbedarf gezielt feststellen zu können.

Die zu Pflegenden befinden sich im Wachkoma und können selbst kein entsprechendes Feedback geben. Angehörige und Besucher der Bewohner könnten während der Zeit ihrer Anwesenheit die Überwachung ausstellen. Menschen im Wachkoma neigen vermehrt zu Krampfanfällen, eine ununterbrochene Anwesenheit von Personal in den Pflegezimmern ist personell nicht möglich. Ggf. könnte man eine elektronische Überwachung der Zimmer mit solcher Argumentation unterstützen.

Alternativ könnten ausgesuchte Mitarbeiter dazu angehalten werden, sich gegenseitig und andere Mitarbeiter bzgl. ihrer Pflegequalität ohne spezielle Vorankündigung zu beobachten und diese Beobachtungen zu protokollieren und sich vom jeweils beobachteten Mitarbeiter nach der beobachteten Situation gegenzeichnen zu lassen. Wie sähe es da mit dem Datenschutz bzgl. der Protokolle aus? Ist dies ein anerkanntes Instrument zur Qualitätssicherung und Förderung der Mitarbeiterentwicklung?

Hier überschneiden sich Pflegerecht und Datenschutzrecht vermutlich.
siehe hierzu: (Mißhandlung in der Pflege - Videoaufnahme)
http://de.youtube.com/watch?v=4YEuivTYI ... D&index=58

Pflegefan
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Überwachungsmaßnahmen nicht zu rechtfertigen

Beitrag von Pflegefan » 13.09.2008, 06:39

Witte hat geschrieben: .... Fazit: Es widersprechen erhebliche Rechtsründe gegen eine „flächendeckende Videoüberwachung“ der Bewohner. Ein rechtsicherndes Verfahren ist nahezu unmöglich. ...
Guten Morgen Uta /allerseits,

dieses Fazit enthält die entscheidende Botschaft. Das geschilderte Verfahren ist so nicht zulässig. Es können keine Rechtfertigungsgründe gesehen werden.
Die simulierte Einwilligung der Betreuer usw. hilft auch nicht weiter. Denn solche Einwilligungen sind wohl eher nicht möglich / zulässig. Sie können nicht im Wohl der Betroffenen ihre Rechtfertigung finden. Sie greifen nachhaltig in grundgesetzlich geschützte Bereiche ein.
Eine Qualitätsüberprüfung ist m.E. aus Mitarbeitersicht auch nicht zu rechtfertigen. Sie müsste ohnehin näher geregelt und mit ihren negativen Folgen weitgehend eingeschränkt werden, per Vereinbarung mit den Beschäftigten.
Eine qualitätsgesicherte Arbeit in Pflegeeinrichtungen muss m.E. zunächst einmal durch ausreichendes Pflegefachpersonal sichergestellt werden. Dies gibt es aber im Moment wohl nirgendwo, weil die Rahmenbedingungen oder Trägerentscheidungen dies nicht zulassen.

Viele Grüße
Pflegefan
"Die Menschenwürde ist unanstastbar" (Art. 1 Grundgesetz). Dies muss in der Pflege oberste Handlungsmaxime sein - für alle!

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Pflegeheime: Kameras und Mikrophone in den Zimmern ...?

Beitrag von Service » 14.09.2008, 10:34

Pflegeheime: Kameras und Mikrophone in den Zimmern ...?

Dazu ein Statement aus der Betreuer-Mailingiste (mit Erlaubnis des Verfassers vorgestellt):

An die Mailingliste Betreuungsrecht:
_______________________________________________
Sehr geehrter Herr Schell,

ich wüßte nicht, daß dies abschließend geklärt werde. Nur die arbeitsrechtliche Seite (also die Zulässigkeit im Verhältnis zu den dort beschäftigten Arbeitnehmern) ist hinreichend beackert. Ich kenne mich im Arbeitsrecht freilich zu wenig aus, um Ihnen die Details nennen zu können.

Im Verhältnis zu den Bewohnern ist klar, daß dergleichen mit deren Einverständnis möglich ist, wenn sie in dieser Hinsicht einwilligungsfähig sind. Freilich muß auch jede sonst davon betroffene Person - z.B. Besucher - ihr Einverständnis erklärt haben, sonst kann es dieser gegenüber wieder unzulässig sein.

Daß der Betreuer (mit entsprechendem Aufgabenkreis) im Namen eines einwilligungsunfähigen Bewohners grundsätzlich einwilligen kann, meine ich schon. Ich sehe allerdings nicht, wann dies dem Wohl des Bewohners entsprechen soll - außer in dem Fall, daß die Installation geschieht, weil der Verdacht von Straftaten an dem Bewohner besteht und dieser aufgeklärt werden soll.

Rundumüberwachung ist m.E. keine taugliche Maßnahme der Qualitätssicherung, da sie die Lebensqualität der Bewohner letztendlich eher einschränkt als sichert.

MfG
T.Fröschle
Siegen

Lutz Barth
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Kritisch nachgefragt – wirklich nur ein „fiktiver“ Fall?

Beitrag von Lutz Barth » 14.09.2008, 11:07

Mit Interesse verfolge auch ich die einzelnen Forumsbeiträge und ist es erlaubt, einmal nachzufragen, ob es sich bei dem geschilderten Fall tatsächlich um eine fiktive Situation handelt?

Die Nachfrage drängt sich mir insoweit auf, weil erkennbar ein Interesse an der rechtlichen Klärung der primär interessierenden Frage besteht, ob zu Zwecken der Qualitätsprüfung (intern/extern) eine Videoüberwachung der Mitarbeiter zulässig sein könnte. Die damit verbundenen arbeitsrechtlichen Fragen sind geklärt, wie nicht zuletzt unschwer durch den „Lidl-Fall“ dokumentiert.

Unabhängig hiervon könnte jedenfalls mit Blick auf die „Überwachung“ des Bewohners eine differenzierte Betrachtungsweise anbefohlen sein, zumal Uta den „fiktiven“ (?) Sachverhalt um eine ganz bedeutsame Variante mit ihrem Hinweis auf „Wachkoma-Patienten“ erweitert hat. Ein interessante Fallkonstellation, die insbesondere unter dem Aspekt einer im Zweifel geforderten „Sitzwache“ (auch nach den Vorgaben der Rechtsprechung des BGH) im Zeitalter der modernen Kommunikationstechnik weitere rechtliche Frage nach sich ziehen könnte.

Die Entwicklung der „Fallgeschichte“ lässt bei mir jedenfalls den Eindruck aufkommen, als handele es sich hier nicht um eine „fiktive Situation“, sondern im Zweifel um eine „Vorabklärung“ möglicher rechtlicher Risiken, um ggf. ein „konkretes Projekt“ beurteilen zu können.

Selbstverständlich ist dies ein höchst subjektiver Eindruck, aber „Etwas“ an dem Fall und seiner Legende trägt zu meiner „Unruhe“ bei. Gerne lasse ich mich aber eines Besseren belehren und Uta mag mir diesen dezenten Hinweis nachsehen.

Gruß Lutz Barth
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

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Pflegeheime: Kameras und Mikrophone in den Zimmern ...?

Beitrag von Service » 15.09.2008, 13:12

Pflegeheime: Kameras und Mikrophone in den Zimmern ...?

Dazu ein weiteres Statement (vom 12.9.2008) aus der Betreuer-Mailingiste (mit Erlaubnis des Verfassers vorgestellt):

An die Mailingliste Betreuungsrecht:
_______________________________________________
Sehr geehrter Herr Schell,

die Kameras in den Zimmern stellen erhebliche Grundrechtseingriffe gegenüber den dort Angestellten dar. Eine Zulässigkeit per se dürfte nicht gegeben sein. Auch eine Betriebsvereinbarung. Diesbezüglich dürfte daran scheitern, dass der Betriebsrat nicht über Grundrechte der
vertretenen Mitarbeiter disponieren darf. Letztlich ist diese Frage, im Gegensatz zu Herrn Fröschles Vermutung, noch nicht eindeutig entschieden. Die Rechtsprechung neigt allerdings, in besonderer Weise nach Bekanntwerden der Lidl-Bespitzelungen, zu einer restriktiven
Betrachtungsweise zu Gunsten der Mitarbeiter, die ich auch für sachgerecht halte - auch wenn ich einige Pflegeheime selbst vertrete.
Darüber hinaus müssen die Mitarbeitern einzeln um ihre Zustimmung zu dieser Maßnahme gefragt werden. Eine Kameraüberwachung bewegt sich nicht im Bereich der arbeitgeberseitigen Dispositions-Befugnis.
Für die Bewohner gilt grundsätzlich Gleiches.
Soweit diese Maßnahme als Maßinstrument für die Arbeitsleistung und der Mitarbeiterüberwachung gelten soll, besteht noch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG. Der Betriebsrat, der hier zustimmt, gehört abgesetzt.

Schönes Wochenende!
Andreas Meyer, RA

Dazu am 14.9.2008 nochmals Prof Fröschle:

Sehr geehrter Herr Meyer,

Sie schreiben:
> Der Betriebsrat, der hier zustimmt, gehört abgesetzt.
Das ist schön formuliert.
M.E. läßt sich die Raumüberwachung bei einem Bewohner nur rechtfertigen, wenn es darum geht, den Verdacht von schwerwiegenden Übergriffen auf den Bewohner durch Mitarbeiter aufzuklären, z.B. wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, daß der Bewohner vom Mitarbeiter mißhandelt, bestohlen oder sexuell mißbraucht wird. Ansonsten greifen solche Maßnahmen viel zu tief in Persönlichkeitsrechte ein.

MfG
T.Fröschle
Siegen

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