Der „Ton“ zwischen den Pflegerechtlern wird schärfer!

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

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Lutz Barth
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Der „Ton“ zwischen den Pflegerechtlern wird schärfer!

Beitrag von Lutz Barth » 29.07.2008, 07:39

Der „Ton“ zwischen den Pflegerechtlern wird schärfer!

Robert Roßbruch widmet sich in seinem Editorial zur Ausgabe 07/2008 der Zeitschrift Pflegerecht der Frage „Ist wirklich alles erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist?“ (in PflR 07/2008, S. 305).

Wie wir wissen, ist dies das Motto des Pflegerechtlers Böhme und R. Roßbruch hatte offensichtlich die Gelegenheit, den Worten des Kollegen Böhme auf dem JuraHealth Congress in Leipzig zu „lauschen“.

Das Votum von Robruch ist überdeutlich: Die Aussage des Pflegerechtlers Böhme ist nicht nur populistisch, sondern darüber hinaus juristisch falsch und brandgefährlich und er weist in seinem Editorial darauf hin, dass Böhm`sche Auffassung von allen auf dem JuraHealth Congress anwesenden renommierten Medizin- und Pflegerechtlern als juristisch unhaltbar und verantwortungslos kritisiert worden ist.

Das „Böhm`sche Pflegerechtsuniversum“ verträgt offensichtlich keine anderen Rechtsmeinungen. Dies gilt erkennbar nicht nur für kritische Stimmen aus der Literatur, sondern auch für die Rechtsprechung, die nicht selten zu anderen Ergebnissen gelangt. Da scheint es Herrn Böhme auch keine Probleme zu bereiten, eine Richterschelte besonderer Art zu betreiben, in dem er diese als „Richter-Ayatollahs“ verunglimpft, so R. Roßbruch (PflR 07/2008, S. 306).

Nun – der Sprachduktus des Herrn Böhme ist in der Tat nicht nur gewöhnungsbedürftig, sondern gelegentlich auch Ausdruck einer gewissen Ohnmächtigkeit vor der Dogmatik, die es gilt, im Pflegerecht zu entfalten. So mag es legitim sein, dass der selbst erklärte „Lieblingsfeind“ von Böhme, namentlich R. Roßbruch, sich dazu hinreißen lässt, die Pflegekräfte davor zu warnen, nicht dem „Pflegerechts-Ayatollah von Mössingen“ mit seinen „populistischen und pseudowissenschaftlichen Sprüchen“ aufzusitzen.

Nicht nur die Pflege insgesamt ist dazu berufen, sich ein stückweit mehr zu „professionalisieren“, sondern insbesondere auch die selbsternannten Pflegerechtler. Es reicht nicht zu, „herbe Sprüche“ zu klopfen, die letztlich nur dazu führen, dass die Diskutanten kopfschüttelnd davon Abstand nehmen, den einen oder anderen Autor mit seinen rechtlichen „Erwägungen“ zur Kenntnis zu nehmen. Pflegerecht ist keine „weiche Dogmatik“, die in die Beliebigkeit einzelner Interpreten oder Pflegedirektoren gestellt ist.

Lutz Barth (29.07.08)
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thorstein
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Beitrag von thorstein » 31.07.2008, 08:14

Ob es ein Berufs- und Haftungsrecht für die Pflege geben wird, indem bislang ärztliche Tätigkeiten auf die Pflegeberufe übertragen werden, entscheiden Parlamente und nicht Pflegerechtler.
Grundlage dieser Entscheidung wird sicher nicht die juristisch vielleicht spannende Frage nach einer weichen oder harten Dogmatik sein. Vielmehr geht es um eine längst überfällige Anpassung der bisherigen Rechtsauffassungen an die Realität. Wer in einem Pflegeheim von der Delegation ärztlicher Tätigkeiten spricht, wenn dieser Arzt nur alle 2 Wochen für eine halbe Stunde im Haus ist, hat den Bezug zur Realität längst verloren.
Da Juristen von dieser Realität ja nicht direkt betroffen sind, mögen sie weiter ihre Hahnenkämpfe betreiben.

Lutz Barth
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Realitätsverlust?

Beitrag von Lutz Barth » 31.07.2008, 10:40

Das kurze Statement von thorstein ermuntert in der gebotenen Kürze zum nachhaltigen Widerspruch:

In weiten Teilen wird das Recht mit seinen unbestimmten Rechtsbegriffen und Klauseln durch Juristen interpretiert. Nicht selten werden hier die diskutierten Ansätze dann von der Rechtsprechung übernommen und insofern ist es ein Irrtum zu glauben, dass nur der Gesetzgeber zur Entscheidung befugt ist. In aller Regel wird nur ein Rahmen vorgegeben, der dann mit "Leben" gefüllt wird, wie dies beispielhaft mit der Modell-Klausel im Pflege-Weiterentwicklungsgesetz geschehen ist.

Ferner ist daran zu erinnern, dass eine (auch langjährig geübte) Praxis nicht automatisch dazu führt, dass die Rechtsprobleme gleichsam einer "faktischen Lösung" zugeführt worden sind. Dies hat nichts mit Realitätsverlust zu tun, sondern ist allenfalls Ausdruck einer Interessenjurisprudenz, in der häufig bedeutsame "Rechtsirrtümer" aufrechterhalten werden. Insofern sind es keine "Hahnenkämpfe", sondern im weitesten Sinne ein "Kampf" ums Recht resp. die damit verbundene Interpretation.

Dass hierbei einige Gerichte deutliche Worte finden, ist begrüßenswert. Es ist halt nicht alles erlaubt, was gesetzlich nicht verboten ist.

Die Pflegenden sind durchaus gut beraten, über ihren intraprofessionellen Ansatz hinaus auch die Entwicklungen im Pflegerecht kritisch zu hinterfragen, zumal nicht selten Pflegedirektoren sich als rechtkundig präsentieren und uns gelegentlich an ihren seltsamen Botschaften zum Recht teilhaben lassen. Da ist es kein Wunder, wenn bei einigen Juristen der Unmut aufkeimt, da eine laienhafte Entfaltung von gewichtigen Rechtsfragen in der Pflege eben den Pflegenden einen gewaltigen Bärendienst erweist. Dies dürfte dann umso bedauerlicher sein, wenn selbsternannte Pflegerechtler dogmatisch nicht haltbare Thesen in der Praxis streuen.

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