Widerruf der Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung

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didado
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Widerruf der Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung

Beitrag von didado » 03.11.2006, 19:38

Widerruf der Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung "Krankenschwester" nur in Ausnahmefällen möglich:
VG-Köln, Az.: 9 K 794/05


In diesem Fall wollte die zuständige Behörde das Staatsexamen der Berufsbezeichnung Krankenschwester entziehen.
Die Klägerin war als OP-Schwester beim Universitätsklinikum Köln tätig.
Die zuständige Behörde für die Universitätsklinik Köln war das Gesundheitsamt Köln.

Der Widerruf des Staatsexamens der Berufsbezeichnung Krankenschwester war so ohne weiteres nicht möglich.

Das Verwaltungsgericht Köln fällte am 26.07.2006 unter Az.: 9 K 794/05 das Urteil, dass der Bescheid des Beklagten vom 30.06.2003 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Köln vom 13.01.2005 rechtswidrig waren.
Die Klägerin wurde in ihren Rechten gemäss § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt.

Aus dem Tatbestand:
Die Klägerin wurde am 01.04.1991 die Erlaubnis erteilt, die Berufsbezeichnung Krankenschwester zu führen.
Ab dem 01.08.1991 war sie bei der Universitätsklinik Köln angestellt tätig.
In der Zeit bis 1998 kam es zu verschiedenen Beschwerden von Kollegen und Vorgesetzten über die Klägerin, die ihr Arbeits- und Sozialverhalten betrafen.
Die Klägerin erkrankte ab dem 07.09.1998.
Die erneute Arbeitsaufnahme war am 10.05.2000.
Ab Januar 2001 beschwerten sich Kollegen und Vorgesetzte der Klägerin bei der Personalstelle der Universitätsklinik in einer Vielzahl von Schreiben über das Sozialverhalten und die Arbeitsleistung der Klägerin, zum Teil mit der ausdrücklichen Bitte, nicht mehr mit der Klägerin zusammenarbeiten zu müssen oder die Klägerin aus der derzeitigen Abteilung in eine andere Abteilung zu versetzen, was sich in dieser Art und Weise seit Ende April 2001, und auch im September 2001, fortsetzte.
Im März 2001 sprach die Universitätsklinik eine Änderungskündigung des Inhalts aus, dass die Klägerin künftig nicht mehr als OP-Schwester, sondern nur noch als Krankenschwester eingesetzt werde.
Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage hatte Erfolg (ArbG Köln, Urteil vom 20 September 2001 -1 Ca 3482/01 -).

Die Universitätsklinik Köln bat den Beklagten mit Schreiben vom 31. Mai 2001, die Klägerin amtsärztlich zu untersuchen.
Der psychische Gesundheitszustand solle auch mit Blick auf die Frage geprüft werden, ob die Klägerin noch berechtigt sei, als Krankenschwester zu arbeiten.

Die zuständige Behörde forderte die Klägerin zu amtsärztlichen Untersuchnung auf.
Die Klägerin weigerte sich.

Am 04.04.2003 wurde der Klägerin zum 30..09.2003 gekündigt.
Die Universitätsklinik sprach am 03.06.2003 auch die fristlose Kündigung aus.
Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage hatte in zweiter Instanz im Wesentlichen mit der Begründung Erfolg, dass der tätig gewordene Mitarbeiter der Universitätsklinik Köln keine Berechtigung besessen habe, eine Kündigung auszusprechen (LAG Köln, Urteil vom 17.04.2006 - 4 SA 85/05 -).
Die zuständige Behörde widerrief mit Bescheid vom 30.06.2003 die der Klägerin erteilte Erlaubnis, die Berufsbezeichnung "Krankenschwester" zu führen.
Unter Anderem war die zuständige Behörde der Meinung, dass das Interesse der Patienten und das Interesse an der Volksgesundheit Vorrang gehabt habe.

Es wurde Widerspruch eingelegt, jedoch die Bezirksregierung Köln folgte der Entscheidung der zuständigen Behörde.

Es wurde Klage beim Verwaltungsgericht Köln erhoben.
Das Gericht stellte fest, dass die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung "Krankenschwester" nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 des Krankenpflegegesetzes vom 16.07.2003 (BGBI. l S.1442), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 22.10.2004 (BGBI. l S. 2657) - KrPflG - , und auch nach § 2 Abs. 2 Satz 3 KrPflG, entzogen werden kann.
Ein Widerruf kann erfolgen, wenn nachträglich die Voraussetzung nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 KrPflG weggefallen ist.
§ 2 Abs. 1 Nr. 3 KrPflG bestimmt, dass eine Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 KrPflG nur zu erteilen ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufs geeignet ist.
Ein Widerruf setzt also die Feststellung voraus, dass die gesundheitliche Eignung nach Erteilung der Erlaubnis weggefallen ist.

Die zuständige Behörde durfte also verwaltungsrechtlich ermitteln, aber ...

Eine medizinisch fundierte Feststellung, dass die Klägerin den beruflichen Anforderungen an eine Krankenschwester (vgl. § 3 KrPflG) aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr entsprechen könnte, hatte die zuständige Behörde aufgrund vorliegender ärztlicher Befunde oder aufgrund einer ärztlichen Begutachtung nicht getroffen.
Vielmehr entsprach die Klägerin nach den Ergebnissen der allgemeinen betriebsärztlichen Untersuchungen in der Universitätsklinik den spezifischen Anforderungen des Berufs und des konkreten Arbeitsplatzes, soweit dies betriebsärztlich untersucht wurde.
Der Amtsarzt Dr. I2. hatte am 12.07.2002 aufgrund einer Durchsicht des ihm vorgelegten Aktenmaterials ausgeführt, es lasse sich nicht objektiv einschätzen, ob und in welchem Umfang die Klägerin erkrankt sei.
Weitere objektive Befunde zum aktuellen Gesundheitszustand der Klägerin gab es nicht.

Die zuständige Behörde widerrief mit Bescheid vom 30.06.2003 die der Klägerin erteilte Erlaubnis, die Berufsbezeichnung "Krankenschwester" zu führen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Fehlzeiten der Klägerin in der Zeit vom 07.09.1998 bis zum 10.05.2000 und die seitdem bekannt gewordenen beruflichen Fehlleistungen und Verhaltensauffälligkeiten Zweifel an der gesundheitlichen Eignung der Klägerin hätten aufkommen lassen.
Der wiederholten Aufforderung, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen oder ihre gesundheitliche Eignung durch ein amtsärztliches Gutachten nachzuweisen, sei die Klägerin nicht nachgekommen.
Die vorgelegte Bescheinigung der Frau Dr. I3. vom 01.10.2001 sei nicht geeignet gewesen, um die damals bestandenen Zweifel auszuräumen. Wegen der Weigerung, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, müsse zu Ungunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, dass sie die gesundheitliche Eignung für den Beruf der Krankenschwester nicht mehr besitze.
Im Rahmen der gebotenen Ermessensentscheidung sei berücksichtigt worden, dass das Interesse der Patienten und der Volksgesundheit das Interesse der Klägerin an einer weiteren Berufsausübung überwiege.

Den am 24.07.2003 gegen diese Entscheidung eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung Köln mit Bescheid vom 13.01.2005 als unbegründet zurück.
Zur Begründung hieß es, die Anordnung, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, stehe im Ermessen der Behörde und sei gerichtlich nur beschränkt überprüfbar.
Aufgrund der Weigerungen der Klägerin, sich einer Untersuchung zu unterziehen, aufgrund der Erhebungen der zuständigen Behörde und des Umstandes, dass die Klägerin wegen einer psychiatrischen Erkrankung längere Zeit nicht zur Arbeit erschienen sei, habe ein hinreichender Grund für die Annahme bestanden, dass die Klägerin weiterhin psychisch erkrankt und berufsunfähig sei.
Ob diese Annahme zutreffend sei, habe nur durch ein amtsärztliches Gutachten bestätigt oder widerlegt werden können.
Nachdem die Klägerin sich geweigert habe, an einer entsprechenden Aufklärung mitzuwirken und aufgrund der Tatsache, dass die Hinweise auf eine psychische Erkrankung verdichtet gewesen seien, habe die Bezirksregierung Köln davon ausgehen müssen, dass die Klägerin berufsunfähig sei.
Unabhängig davon habe sich die Klägerin eines Verhaltens schuldig gemacht, aus dem sich ihre Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs einer Krankenschwester ergeben habe.
Eine Vielzahl der Eingaben von Beschwerden über das Arbeitsverhalten und das Sozialverhalten der Klägerin waren bei der zuständigen Behörde eingegangen, und habe den Schluss zugelassen, dass sich die Klägerin gerade auch im klinischen Bereich, der in besonderer Weise auf Zusammenarbeit und Verlässlichkeit angewiesen sei, als unzuverlässig erwiesen habe.

Es wurde Klage beim Verwaltungsgericht Köln gegen den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Köln eingelegt.

Das Gericht führte aus:
"Der Bescheid des Beklagten vom 30.03.2003 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Köln vom 13.01.2005 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO." ...
"Ein Widerruf wegen mangelnder Zuverlässigkeit der Klägerin kommt ebenfalls nicht in Betracht.
Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 KrPflG ist die Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich die Voraussetzung nach Absatz 1 Nr. 2 weggefallen ist.
Dies setzt voraus, dass sich der Betreffende nach Erteilung der Erlaubnis eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergibt.
Das fragliche Verhalten muss nach der Art, der Schwere und der Zahl von Verstößen gegen Berufspflichten die Prognose rechtfertigen, der Betroffene biete aufgrund der begangenen Verfehlungen nicht die Gewähr, in Zukunft den berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten zu entsprechen.
Dabei sind die gesamte Persönlichkeit der betroffenen Person und ihre Lebensumstände im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens zu würdigen, vgl. BVerwG, Urteil vorn 26. 09.2002 3 C 37.01 -, NJW2003, 913ff., zu § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BApO; Beschluss vom 10. Dezember 1993, - 3 B 38.93 -, Buchholz 418.1 Heilhilfsberufe Nr. 5 zum Krankenpflegegesetz."
Ein solches Fehlverhalten der Klägerin konnte das Gericht nicht feststellen.

Die zuständige Behörde und die Bezirksregierung Köln werteten negativ gegen die Klägerin, dass Ihre Vorgesetzten und ihre Kollegen in verschiedenen Abteilungen der Universitätsklinik die Verwaltung wiederholt schriftlich und unter Benennung ihrer eigenen Namen gebeten hatten, nicht mehr mit der Klägerin zusammenarbeiten zu müssen, sie zu versetzen oder selbst versetzt zu werden, wenn die Klägerin an ihrem bisherigen Arbeitsplatz verbleiben sollte.

Das Gericht sah derartige wiederholte und schriftlich dokumentierte Bekundungen als eine massive und über eine einzelne Episode hinausgehende Störung der Betriebsabläufe, wobei die Verursachung und Verantwortung im Detail beim Verwaltungsgericht Köln offen bleiben musste.
Ein konkretes Fehlverhalten der Klägerin, das die Prognose gerechtfertigt hätte, sie werde auch in Zukunft nicht die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten beachten, lag nicht vor.
Die dokumentierten Konflikte liessen im Wesentlichen den Hintergrund erkennen, dass die Klägerin auf einer aus ihrer Sicht richtigen Berechnung der regelmäßigen Pausenzeiten beharrte, und sie eigene Vorstellungen von den Kompetenzen des Pflegepersonals und des ärztlichen Personals hatte, was sich z. B. auf die Verabreichung von Infusionen bezog, und dass sie sich während einer Operation einer ärztlichen Anweisung über das Zerteilen von Stäbchen widersetzt hatte, weil die Anweisung nach ihrer Meinung den Herstellervorgaben widersprach.

Der Volltext der Entscheidung kann in der Urteilsdatenbank des Landes NRW abgerufen werden.
http://www.lag-koeln.nrw.de
"Rechtsprechungsdatenbank NRW" oder "Rechtsprechung"

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