Heimleiter für unzureichende Pflege mitverantwortlich

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

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Herbert Kunst
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Heimleiter für unzureichende Pflege mitverantwortlich

Beitrag von Herbert Kunst » 12.09.2006, 05:23

Auch Heimleiter für unzureichende Versorgung von Pflegepatientin strafrechtlich verantwortlich

Urteil des Landgerichts Karlsruhe bestätigt
Dies hat jetzt der 1. Strafsenat des Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden und damit ein Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom Dezember 2003 bestätigt. Dieses hatte einen 49-jährigen berufs- und zwischenzeitlich arbeitslosen ehemaligen Leiter eines in Nordbaden gelegenen Altenpflegeheimes im Berufungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. . *)

In dem vom Angeklagten früher geleiteten Alten- und Pflegeheim war im Sommer 2000 für etwa drei Monate auch eine damals 76-jährige Schlaganfallpatientin untergebracht gewesen. Während ihres Aufenthalts wurde diese derart unzureichend gepflegt und behandelt, dass sich im Gesäßbereich Gewebedefekte bildeten, die sich bis zu einem sog. „Dekubitus 3. Grades“ (sog. Durchliegegeschwür) steigerten, so dass die ältere Dame schließlich in ein Krankenhaus eingeliefert werden musste. Obwohl dem Angeklagten und drei bereits zuvor ebenfalls wegen Körperverletzung rechtskräftig verurteilten Pflegekräften die sich stetig verschlimmernde Erkrankung am Bindegewebe bekannt gewesen war, hatten diese es unterlassen, die Patientin in gebotenem Umfang „regelmäßig umzulagern“, sondern hatten die Frau weiterhin teils stundenlang in ihrem Stuhl sitzen lassen.

Die Strafkammer hat im Verhalten des Angeklagten eine fahrlässige Körperverletzung (§ 230 StGB) erblickt und seiner Einlassung, „die Patientin sei im Heim immer ordnungsgemäß gepflegt worden“ nach Anhörung eines medizinischen Sachverständigen und weiterer Zeugen keinen Glauben geschenkt. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten ergebe sich daraus, dass er über alle Geschehnisse im Zusammenhang mit der Patientin ständig durch die im Heim tätigen Pfleger unterrichtet gewesen sei und er als Heimleiter und deren direkter Vorgesetzter die Verantwortung trage. Auch hätte er spätestens beim „Übergang des Dekubitus von Stufe 2 zu Stufe 3“ ärztliche Hilfe holen oder aber das nekrotische Gewebe der Patientin in einer Klinik entfernen lassen müssen.

Die vom Angeklagten gegen dieses Urteil eingelegte Revision hat der 1. Strafsenat nunmehr als offensichtlich unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Verurteilung des Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung ist damit rechtskräftig.

Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe vom 06.09.2004 - 1 Ss 84/04 -
Hinweis: Bei der Verhängung von Geldstrafen bemisst sich die Anzahl der Tagessätze nach der individuellen Schuld eines Angeklagten, die Höhe des einzelnen Tagessatzes nach dessen jeweiligen Nettoeinkommen (§ 40 Abs.1 StGB).

Quelle. Pressemitteilung OLG Karlsruhe
http://www.olg-karlsruhe.de/html/presse ... leiter.htm

+) Zu dem Urteil des LG Karlsruhe vom 18.12.2003 - 18 AK 8=703 - siehe die Hinweise vom 4.5.2007!
Für menschenwürdige Pflege sind wir alle verantwortlich! - Dazu finde ich immer wieder gute Informationen unter http://www.wernerschell.de

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Heimleiter für Pflege mitverantwortlich!

Beitrag von Service » 01.05.2007, 08:18

Zum Beschluss des OLG Karlsruhe vom 06.09.2004 - 1 Ss 84/04 -
finden Sie eine kurze Kommentierung unter
http://www.personalberatung-pflege.de/heimleiter.html

Karl Büser
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Pflege - Missstände gehören angeprangert!

Beitrag von Karl Büser » 01.05.2007, 09:48

Herbert Kunst hat geschrieben: ... In dem vom Angeklagten früher geleiteten Alten- und Pflegeheim war im Sommer 2000 für etwa drei Monate auch eine damals 76-jährige Schlaganfallpatientin untergebracht gewesen. Während ihres Aufenthalts wurde diese derart unzureichend gepflegt und behandelt, dass sich im Gesäßbereich Gewebedefekte bildeten, die sich bis zu einem sog. „Dekubitus 3. Grades“ (sog. Durchliegegeschwür) steigerten, so dass die ältere Dame schließlich in ein Krankenhaus eingeliefert werden musste. Obwohl dem Angeklagten und drei bereits zuvor ebenfalls wegen Körperverletzung rechtskräftig verurteilten Pflegekräften die sich stetig verschlimmernde Erkrankung am Bindegewebe bekannt gewesen war, hatten diese es unterlassen, die Patientin in gebotenem Umfang „regelmäßig umzulagern“, sondern hatten die Frau weiterhin teils stundenlang in ihrem Stuhl sitzen lassen. ...
Wenn man diese Fallbeschreibung liest und dann immer wieder hört, die Pflege werde nur schlecht geredet, es sei doch alles in Ordnung, kann man nur den Kopf schütterln. Es ist nichts in Ordnung und jeder Einzelfall, wenn dieser Sprachgebrauch einfach einmal übernommen werden soll, ist doch zuviel.
Wir müssen kapieren, dass wir uns alle mehr zu kümmern haben. Die Kinder und die alten Menschen brauchen Hilfe und Solidarität. Wer da nicht mitspielen will, gehört an den Pranger!!

Karl Büser
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Beitrag von enno » 03.05.2007, 00:46

dieser fall,ist auch "nur"ein einzelfall(heimleiter zur verantwortung ziehen).
sie sind die haupttäter,unfähig oder geldgierig,sofort schließen.
trennt die spreu vom weizen,nennt sie beim namen und es wird endlich für die pflege bezahlt,die auch geleistet wird.
wer zahlt schon für schlechte leistung?
ist dies nur in der pflege möglich(krankenhaus,reha und heim)?
bezahlen fürs "krankpflegen" ,durch hilfe von ärzten?
will man wirklich,auf kosten ,von hilfesuchenden,zu geld kommen=kranke gesellschaft.
wer sich auf irgend etwas verlässt,ist verlassen.
gestze ,sind dazuda,sie zu umgehen.
die kleinen hängt man,die großen lässt man laufen,da die großen die elefantengroßen lücken finden.
mfg enno

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Beitrag von enno » 03.05.2007, 00:47

dieser fall,ist auch "nur"ein einzelfall(heimleiter zur verantwortung ziehen).
sie sind die haupttäter,unfähig oder geldgierig,sofort schließen.
trennt die spreu vom weizen,nennt sie beim namen und es wird endlich für die pflege bezahlt,die auch geleistet wird.
wer zahlt schon für schlechte leistung?
ist dies nur in der pflege möglich(krankenhaus,reha und heim)?
bezahlen fürs "krankpflegen" ,durch hilfe von ärzten?
will man wirklich,auf kosten ,von hilfesuchenden,zu geld kommen=kranke gesellschaft.
wer sich auf irgend etwas verlässt,ist verlassen.
gesetze ,sind dazuda,sie zu umgehen.
die kleinen hängt man,die großen lässt man laufen,da die großen die elefantengroßen lücken finden.
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Pflegefehler – Strafbarkeit eines Heimleiters ...

Beitrag von WernerSchell » 04.05.2007, 07:39

Zu dem erstinstantzlichen Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 18.12.2003 - 18 AK 80/03 - informiert die Zeitschrift "Die Schwester / Der Pfleger " in ihrer Ausgabe vom 05/2007 und titelt:

„Pflegefehler – Strafbarkeit eines Heimleiters wegen fahrlässiger Körperverletzung“
Eine Urteilsvorstellung von Bruns / Andreas / Debong
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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johannes
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Heimleiter mitverantwortlich? JA

Beitrag von johannes » 09.05.2007, 20:12

Aber dann sollten auch alle anderen zur Rechenschaft gezogen werden, die für die Mißstände verantwortlich sind! Enno hat in dem Punkt recht, wo er sagt,

die kleinen hängt man,die großen lässt man laufen,da die großen die elefantengroßen lücken finden.

wer ist für unzureichende Personalschlüssel verantwortlich? Die Kostenträger, die notwendige Personalkosten nicht genehmigen.
Behandlungspflege muß unentgeltlich miterbracht werden! ca. 10 % der Arbeitszeit
Soziale Betreuung muß unentgeltlich miterbracht werden! ebenfalls ca. 10 % der Arbeitszeit
administrative Tätigkeiten müssen unentgeltlich miterbracht werden! mittlerweile ca. 30 %
Die Kostenträger, die immer mehr Leistungen in den Pflegesatz packen und damit die verfügbare Zeit vorsätzlich verknappen.

Zur Erinnerung: Baden-Württemberg glänzt noch mit den besten Personalschlüsseln, aber während in Pflegestufe 1 gerade mal der Mindestbedarf für SGB XI-Leistungen genehmigt wird, kommt man in Pflegestufe 2 nur noch auf 93 % und in Pflegestufe 3 nur noch auf 63 % des Mindestbedarfs für SGBXI-Leistungen in der Personalbemessung.

wer ist für Unterbesetzung in Bezug auf das genehmigte Personal verantwortlich? Die Kontrollorgane, die Personalbedarf und reale ~besetzung nicht überprüfen.

wer ist für Verschleierung verantwortlich? die Heimaufsichten, die Kontrollen mit Voranmeldung vornehmen, das habe ich bereits vor 15 Jahren kritisiert

Natürlich sind die Pflegekräfte, PDL's und HL's verantwortlich, keine Frage, aber die zuvor genannten ebenfalls! Nur von denen wird nie jemand zur Rechenschaft gezogen.

Wie Enno schon sagt - immer trifft es die Kleinen!

Johannes
Ein Mensch funktioniert nicht - er lebt!

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