Medikamente richten in der Nachtwache

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

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Gast

Medikamente richten in der Nachtwache

Beitrag von Gast » 07.08.2004, 12:11

Sehr geehrte Damen und Herren,

eine langjährige Nachtwache wurde zweimal abgemahnt, weil ihr beim Richten der Medikamente in der Nacht für 80 Bewohner Fehler unterlaufen sind.

Die Nachtwachen des Hauses haben bei der PDL eine Überlastungsanzeige geschaltet, weil es aus ihrer Sicht aufgrund von Konzentrationsmängel (das Richten dauert 3,5 - 4 Std nachts, alte Menschen müssen sehr viele Medikamente einnehmen) zwangsweise zu Fehler kommt.

Haben die Nachtwachen ein Recht, das Medikamente richten in der Nacht zu verweigern?

Gibt es Gesetze, Richtlinien, Gerichtsurteile und / oder Erfahrungsberichte?

Für Ihre Anworten jetzt schon herzlichen Dank.

Sonja_Muetzenich

Nachtwache - Medikamente korrekt richten

Beitrag von Sonja_Muetzenich » 07.08.2004, 15:06

.... Die Nachtwachen des Hauses haben bei der PDL eine Überlastungsanzeige geschaltet, weil es aus ihrer Sicht aufgrund von Konzentrationsmängel (das Richten dauert 3,5 - 4 Std nachts, alte Menschen müssen sehr viele Medikamente einnehmen) zwangsweise zu Fehler kommt. ....
Hallo,
warum soll es unzumutbar sein, über einige Stunden Medikamente zu stellen - und dies ordentlich und fehlerfrei ?
Pflegefachkräfte sind doch eigentlich für solche Aufgaben ausgebildet und müssen auch über Stunden noch in der Lage sein, ordentliche Arbeit abzuliefern.
Es wäre daher zweckmäßig, die Schilderung zu ergänzen und zu informieren, warum es "zwangsweise zu Fehlern" kommen muss. Ich kann das im Moment (noch) nicht so einfach nachvollziehen.
MfG
Sonja

Gast

Re: Medikamente richten in der Nachtwache

Beitrag von Gast » 07.08.2004, 15:51

Hallo
Die rechtliche Grundlage ob diese Abmahnung gerechtfertigt ist kenn ich nicht. Persönlich würde ich mich dagegen aber zu Wehr setzen. Ich habe über Jahre hinweg Nachts für die Patienten einer Internen Station Medikamente gestellt, und trotz sorfältigstem Arbeiten sind mir Fehler unterlaufen.
Ständig wurde ich durch Klingeln unterbrochen, oder ein Arzt brauchte etwas, das Telefon klingelte, Zugänge mußten versorgt werden, die Rundgänge waren zu machen. Ab 1.00 Uhr Früh sinkt der Konzentrationspegel bei jedem ab.
Deshalb wurden die Medikamente vom Tagdienst nochmls kontrolliert und dann erst ausgeteilt. Seit einem halben Jahr werden die Medikamente von den Tagschwestern gestellt. Eine Schwester sitzt ungestört und konzentriert sich ausschließlich auf die Medikamente. Bei der Kontrolle , die die nächste Schicht vornimmt, werden trotzdem immer wieder Fehler festgestellt.
Deshalb werden die Medikamente ja kontrolliert, um eine höchstmögliche Sicherheit zu gewährleisten.
Das mit der Überlastungsanzeige finde ich eine gute Idee, vielleicht hilft es Euch.
Mfg
Christa

Gast

Medikamente richten in der Nachtwache

Beitrag von Gast » 07.08.2004, 23:08

.... Ich habe über Jahre hinweg Nachts für die Patienten einer Internen Station Medikamente gestellt, und trotz sorfältigstem Arbeiten sind mir Fehler unterlaufen. Ständig wurde ich durch Klingeln unterbrochen, oder ein Arzt brauchte etwas, das Telefon klingelte, Zugänge mußten versorgt werden, die Rundgänge waren zu machen. Ab 1.00 Uhr Früh sinkt der  Konzentrationspegel bei jedem ab.
.....
Ein interessanter Fragetext:
Es gilt seitens Daria noch zu ergänzen, ob die Situation, wie Christa schrieb (s.o.), ähnlich gelagert war. War die Arbeitssituation wirklich so, dass sich Fehler aufdrängten, trotz aller Anstrengungen?
MfG
Nobi

Berti
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Registriert: 21.12.2003, 16:55

Medikamente stellen & Überlastungsanzeige!

Beitrag von Berti » 08.08.2004, 11:10

Hallo Daria,

wenn sich das Nachtwachenpersonal überfordert fühlt, war das Abfassung von Überlastungsanzeigen der arbeitsrechtlich richtige Weg. Eine Verweigerung der Tätigkeit bei ausreichender Qualifikation des Personals wäre wohl nicht zu begründen. Insoweit gibt es auch keine klarstellenden Vorschriften.

Wenn der Arbeitgeber eine Überlastungsanzeige erhalten hat, muss er sich eigentlich mit der Problematik und den Argumenten des Personals auseinandersetzen und ggf. Organisationsentscheidungen treffen. Trifft er sie nicht, muss ggf. bei Fortdauer der Überlastung eine erneute Überlastungsanzeige geschrieben werden. – evtl. immer wieder. Dies wirkt unter Umständen haftungsentlastend – berechtigt aber nicht, sorgfaltswidrig zu arbeiten! Überlastungsanzeigen müssen immer, wen sie etwas bewegen sollen, exakt die Probleme beschreiben – Nennung der genauen Fakten. Die bloße Beschreibung, dass man sich überfordert fühle (ohne inwiefern und konkret warum), erscheint wenig hilfreich. Eine Überlastungsanzeige sollte daher die Umstände, die Anlass der Anzeige sind, möglichst konkret beschreiben und eine Reaktion des Arbeitsgebers als notwendig erscheinen lassen.

Es erscheint mir vorrangig, genau zu untersuchen, wie die Arbeitsbedingungen sind und welche Fehler konkret gemacht worden sind. Wie hätte man die Fehler vermeiden können? Mehr Zeit für ruhiges (ununterbrochenes) und sicheres Arbeiten? Mehr Personal für das Richten der Medikamente (wieviel Personal ist da, wieviel müsste vorhanden sein usw.)? Dabei könnte auch daran gedacht werden, die das Heim betreuende Apotheke in die Überprüfung der Arbeitsbedingungen zur korrekten Medikamentenstellung einzubinden. Ist das geschehen? Ggf. sollte der Arbeitgeber durch eine weitere Zuschrift ergänzend informiert werden.

In diesem Forum gab es schon wiederholt Beiträge zum Thema „Medikamente“. Siehe dazu die nachfolgende Übersicht. Bitte die Beiträge auswerten.
Gruß Berti

Medikamente - Forumsbeiträge unter:
--- Medikamentenabgabe - Verantwortung
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=1#1
--- Medikamente richten im Heim - Wer darf`s ?
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=1#1
--- Medikamentenabgabe durch Pflegehelfer/innen
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=1#1
--- Stellen & Abgabe von Medikamenten
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=1#1
---- Stellen von Medikamenten
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=1#1
---- Apothekendienst durch Stationsleitung ?
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=3#3

Siehe im Rechtsalmanach, Nr. 20, dieser Homepage zu dieser Thematik folgende Artikel
--- Verabreichung von Medikamenten in Werkstätten für Behinderte (WfB) und ähnliche Einrichtungen PDF
--- Medikamentenabgabe durch das nichtärztliche Personal PDF

Gast

Direktions- und Weisungsrecht beachtlich

Beitrag von Gast » 08.08.2004, 17:12

.... Haben die Nachtwachen ein Recht, das Medikamente richten in der Nacht zu verweigern? .....
Ich sehe kein solches Recht. Das Direktions- und Weisungsrecht des Arbeitgebers ist hier wirksam.
Arbeitnehmer müssen die erforderliche Sorgfalt beachten. Sind die Rahmenbedingungen nicht ausreichend, muss man sich melden. Das ist ja schon geschehen (siehe Überlastungsanzeige).
Verändern sich evtl. vorhandene unzumutbare Arbeitsbedingungen nicht, muss man sich ständig per Überlastungsanzeige melden (nicht aufgeben).

Mit sonnigen Grüßen
Cornelia Röper

Gast

Re: Medikamente richten in der Nachtwache

Beitrag von Gast » 16.09.2004, 13:58

Hallo Daria,
ein Recht auf die Verweigerung gibt es sicher nicht.
Überlastungsanzeige ist ok.
Dass es beim Stellen der Medikamente in der Nacht zu einer erhöhten Fehlerquote kommt, ist erwiesen.
Diese kann durch blistern dritter sprich Apotheke deutlich vermindert werden.
Es liegt doch in aller Interesse, die Fehlerquote so niedrig wie möglich zu halten.
Vielleicht ist dein AG dafür ja zugänglich.Es ist nur eine reine Organisationssache.
Personal, Ärzte und natürlich AG sind mit dieser Lösung sehr zufrieden.
Die Kontrolle erfolgt dadurch 3 fach.
Apotheke stellt
Pfleger kontrolliert (Name, Geb.Datum,genaue Beschreibung der Tbl., tgl. Verordnung ist auf der Rückseite des Blisters angegeben)
beim Verabreichen erfolgt die 3.Kontrolle.
Medikamentenänderungen gehen per Fax an Apotheke.
Tbl. kommen 1xwtl. für 2Wochen ins Haus und werden dann vom Nachtdienst kontrolliert.
Änderungen während der Zeit übernimmt der jeweilige Schichtdienst.

WernerSchell
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Umgang mit Mängeln in Pflegeeinrichtungen ...

Beitrag von WernerSchell » 20.01.2018, 16:38

Buchtipp - aus aktuellem Anlass!

Werner Schell:

100 Fragen
zum Umgang mit Mängeln
in Pflegeeinrichtungen

Wie man konkret bei Pflegemängeln vorgeht
- das verraten die 100 Tipps dieses Buches


Bild

Kunz Verlag, Schlütersche Buchreihe - 2011
168 Seiten
Gewicht: 226 gr.
210 mm x 148 mm
Paperback
ISBN: 9783899937671
Preis 12,95 Euro > https://buecher.schluetersche.de/de/100 ... 35430.html

Das Buch:
Was sollten Pflegekräfte tun, wenn sie merken, dass die Pflege nicht mehr optimal gewährleistet werden kann?
Pflegekräfte müssen wissen, was sie tun sollen, wenn sie nicht so arbeiten können, wie es dem Stand der
pflegewissenschaftlichen Standards entspricht. Allerdings müssen sie bei jedem Vorgehen beachten, dass sie
fast ausnahmslos gegen Strukturen ankämpfen, die sie selbst nicht beeinflussen können. Umso wichtiger ist es,
dass sie einige Regeln beachten. Welche das sind, wie man konkret bei Pflegemängeln vorgeht - das verraten
die 100 Tipps dieses Buches!


Der Autor:
Werner Schell ist Dipl.-Verwaltungswirt und lehrt seit Jahrzehnten in der Aus-, Fort- und Weiterbildung
von Pflegekräften als Dozent für Pflegerecht. Er hat zahlreiche Fachbücher und Zeitschriftenartikel zum
Patienten- und Pflegerecht verfasst. Werner Schell ist seit vielen Jahren in der Patientenselbsthilfebewegung
aktiv und Gründer von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk, Neuss.


Nähere Informationen:
http://www.wernerschell.de/Buchtipps/10 ... tungen.php
http://www.wernerschell.de/Buchtipps/Ma ... tungen.pdf
Siehe auch die Pressemitteilung vom 16.05.2011:
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... otfall.php
Pflegenotstand und Pflegemängel – die Furcht vor dem Pflegeheim
http://www.mg-heute.de/2011/06/19/pfleg ... /#more-590
Das Whistleblower-Netzwerk informiert unter folgender Adresse:
http://www.whistleblower-net.de/blog/20 ... -buchtipp/

>>>> Buchbestellung ist auch online möglich unter:
http://www.libri.de/shop/action/product ... 37678.html
http://www.amazon.de/100-Fragen-Umgang- ... 3899937678
http://www.weltbild.de/3/16757455-1/buc ... ungen.html
http://www.buecher.de/shop/altenpflege/ ... /33328721/

Weitere Informationen:
viewtopic.php?f=5&t=15865

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Werner Schell:
40 Jahre ehrenamtlicher Einsatz für Patienten und pflegebedürftige Menschen!


Bild

Angesichts der demografischen Entwicklung gewinnen die Hilfe- und Unterstützungserfordernisse,
v.a. im Zusammenhang mit dem Lebensrisiko "Pflegebedürftigkeit", immer mehr an Bedeutung.
Es kam folgerichtig zur Gründung des Vereins "Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk". Dieses Netzwerk
ist mittlerweile mit seinen Pflegetreffs bundesweit gut bekannt (> viewtopic.php?f=7&t=11655 )
Dabei ist der Grundsatz bedeutsam: Wir - pflegebedürftige Menschen, Angehörige, Pflegekräfte
- sind die Betroffenen und wollen eine menschenwürdige Pflege jetzt - und überall !
Weitere Informationen u.a.: http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/ bzw.
viewtopic.php?f=6&t=14148&p=86375#p86375
Einige Filmdokumentationen informieren:
> viewtopic.php?f=6&t=21070


Quelle: viewtopic.php?f=6&t=21495

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Bild
Quelle: viewtopic.php?f=6&t=21660

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Siehe auch:
Rhein-Kreis Neuss - Neues Online-Beschwerdeportal für Pflegemängel
> viewtopic.php?f=3&t=22342
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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