Ministerin Steffens:
Übereilte Reform der Pflegeberufe gefährdet Ausbildungsplätze
Das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen teilt mit:
Zu dem am Freitag vom Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig vorgestellten Gesetzentwurf zur Zusammenlegung der bisherig getrennten Altenpflege-, Krankenpflege- und Kinderkrankenpflegeausbildung erklärt NRW Pflegeministerin Barbara Steffen heute (29.11.2015) in Düsseldorf:
„Gröhe und Schwesig setzen die gute pflegerische Versorgung in unserem Land aufs Spiel!
Es ist richtig, dass wir bei der steigenden Zahl älterer Menschen in unseren Krankenhäusern und den vielen hochbetagten und oft mehrfacherkrankten Bewohnerinnen und Bewohner unserer Altenheime über eine Reform der Pflegeausbildung diskutieren. Genauso dringend wie die optimale Qualifikation ist aber angesichts des schon heute spürbaren Fachkräftemangels in Krankenhäusern und Pflegeheimen eine Steigerung oder mindestens ein Erhalt der Ausbildungsplätze in der Pflege. Genau diesen Effekt setzt die Bundesregierung mit ihrem aktuellen Gesetzentwurf, der ohne eine verantwortungsvolle Folgenabschätzung offenbar durch das Gesetzgebungsverfahren gepeitscht werden soll, jedoch aufs Spiel.“
Steffens kritisiert vor allem zwei Punkte:
1.) Keine Risikofolgenabschätzung trotz drohender Überforderung von Ausbildungsbetrieben:
Das Gesetz soll offenbar beschlossen werden, ohne die praktischen Folgen geregelt zu haben. Zur Frage, wie die Ausbildungsträger bei künftig sieben verschiedenen Ausbildungsstationen die Ausbildungsabläufe gestalten sollen und wie lange die Auszubildenden ihnen überhaupt im eigenen Betrieb zur Verfügung stehen, schweigt sich der Gesetzentwurf weitgehend aus. Er verweist stattdessen auf eine spätere Verordnung. Diese für die Ausbildungsmotivation der Pflegeeinrichtungen absolut bedeutsame Frage kann man daher jetzt noch gar nicht ausreichend beurteilen. Wenn aber die Auszubildenden wegen der künftig zahlreichen verschiedenen Stationen nur noch deutlich weniger Zeit bei ihrem Ausbildungsbetriebe verbringen als heute und der bürokratische sowie der organisatorische Aufwand noch steigen, werden sich viele fragen, ob sie unter diesen Bedingungen noch Ausbildungsbetrieb bleiben sollen.
Deshalb hält Steffens gerade eine Folgenabschätzung im Hinblick auf die Gefährdung von Ausbildungsplätzen für unverzichtbar.
„In NRW haben wir im Bereich der Altenpflegeausbildung in den vergangenen drei Jahren die Zahl der Ausbildungsplätze von unter 10.000 auf rund 17.000 gesteigert. Dies ist ein unverzichtbarer Schritt gegen den drohenden Fachkräftemangel. Aber ich habe die Sorge, dass genau diese Steigerung der Zahl von Aubildungsplätzen durch den Gesetzentwurf gefährdet ist. Das wäre der Super-Gau für die pflegerische Versorgung in NRW.“
2.) Keine angemessene Zeit für inhaltliche Auseinandersetzung, da die beiden Ministerien den Ländern und Verbänden den 113seitigen Gesetzentwurf mit einer Stellungnahmefrist von nur 14 Tagen zugeleitet haben. Steffens: „Nachdem man das Thema in Berlin jahrelang vor sich hergeschoben hat, ist eine solche Frist schlicht skandalös. Wer das macht, will eine ehrliche uns transparente Diskussion über die Folgen des Gesetzgebungsverfahrens offensichtlich vereiteln statt sie zu ermöglichen.“
Ebenfalls kritisch sind die Vorstellungen zur Finanzierung. Nicht nur, dass entgegen den Forderungen vieler Länder die praktische Ausbildung im Bereich der Altenpflege weiterhin auf dem Rücken der oder des einzelnen Pflegebedürftigen statt solidarisch durch die Pflegeversicherung oder aus Steuermitteln finanziert werden soll, verlieren die Ausbildungseinrichtungen in NRW vor allem den vollen Erstattungsanspruch bezüglich der Ausbildungskosten oder müssen die Auszubildenden künftig auf die Stellenpläne anrechnen. „In den Pflegeheimen, wo schon heute Personalmangel herrscht, soll künftig für jeweils fünf Auszubildende eine halbe Personalstelle entfallen und durch Auszubildende ersetzt werden“, so Steffens. Noch gravierender ist die Situation in der ambulanten Pflege. Hier sind die Pflegekräfte meist alleine unterwegs, so dass der Ersatz von Fachkräften durch Auszubildende fast unmöglich ist. Steffens: „Gerade im ambulanten Bereich sind viele neue Ausbildungsplätze entstanden, seitdem die Betriebe durch die NRW-Ausbildungsumlage 100 Prozent der Kosten erstattet bekommen und Ausbildung damit kein Wettbewerbsnachteil mehr ist. Wenn genau diese Betriebe künftig pro Jahr auf rund 3500 € Kosten - 23 Prozent der Ausbildungskosten laut Gutachten des Bundes - je Auszubildenden sitzen bleiben sollen, drohen gerade diese Ausbildungsplätze wieder wegzufallen. Sie werden aber dringend gebraucht.“
Steffens fordert daher die zuständigen Minister auf, dringend eine der Bedeutung der Reform angemessene Beratung der Gesetzentwürfe und eine sorgfältige gemeinsame Folgenabschätzung zu ermöglichen.
Weitere Informationen
In Nordrhein-Westfalen ist es gelungen, durch Einführung einer Ausbildungsumlage die Zahl der Auszubildenden in der Altenpflege von 10.000 auf rund 17.000 zu erhöhen. Durch die Ausbildungsumlage müssen alle Pflegeeinrichtungen in NRW anlog zu ihrer Größe eine Ausbildungsabgabe zahlen, ob sie ausbilden oder nicht. Wer ausbildet, bekommt die Kosten aus der Umlage erstattet. Nicht-auszubildende Betriebe werden dadurch angemessen an den Ausbildungskosten beteiligt.
Auszubildendenzahlen NRW:
Krankenpflege: rund 15.700
Kinderkrankenpflege: rund 1.900
Altenpflege: rund 17.000
Quelle: Pressemitteilung vom 29.11.2015
Christoph Meinerz
Leiter des Referates "Presse, Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation"
Pressesprecher
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