Haftung bei Sturz in Tagespflege

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

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Elfriede_Kehrer
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Haftung bei Sturz in Tagespflege

Beitrag von Elfriede_Kehrer » 27.03.2004, 12:48

Ich benötige wieder einen Rat.
Es geht diesmal nicht um mich, sondern um eine Freundin, die über keinen Internetanschluss verfügt.


Ihre schwer demente, 89jäghrige Mutter, Pflegestufe 2, benötigt in allen Dingen des täglichen Lebens Anleitung oder Hilfe, befindet sich in einer Tagespflege. Dort ist sie unbeaufsichtigt auf der Toilette gestürzt und hat sich den Hüftknochen gebrochen.
Meine Freundin interessiert, in wie weit hier die Aufsichtspflicht des Personals greifen muss, zumal nicht einmal ein Wort des Bedauerns kam, lediglich die Bemerkung, so etwas kann immer wieder passieren.

Wo kann ich entsprechendes finden und nachlesen?

Danke im Voraus und freundliche Grüße
Elfriede Kehrer
Mit freundlichen Grüßen
Elfriede Kehrer

Berti
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Haftung hängt von den Einzelumständen ab

Beitrag von Berti » 27.03.2004, 13:02

Hallo Elfriede,

ob und ggf. eine (verstärkte) Aufsichtspflicht / Begleitungspflicht bestand, hängt von den Einzelumständen ab. War die Dame nicht in der Lage, allein den Toilettengang zu erledigen? War also eine Begleitung usw. (zwingend) erforderlich? War eine solche Begleitung sogar ärztlich angeordnet ? Wurde also die erforderliche Sorgfalt bei der Betreuung der Dame beachtet (§§ 276 278 BGB) ?

In diesem Forum gibt es einige Texte, die allgemein informieren. Ich habe sie einmal zusammen gestellt.
Bitte lies zunächst dort nach!

---- Beiträge zur Haftung
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=2#2
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=2#2
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=6#6

---- Sturz - Prophylaxe
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=3#3
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=9#9

Bitte danach ggf. ergänzende Fragen einstellen. Ich bin zur Zeit in Eile und werde mich dann in den nächsten Tagen evtl. noch einmal melden.

Gruß Berti

PS. Sehr informativ das Onlinebuch von Herrn Schell
"Pflegerecht im Spiegel der Rechtsprechung"
http://www.pflegerechtportal.de

Berti
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Haftung bei Sturz in Tagespflege

Beitrag von Berti » 27.03.2004, 17:38


Elfriede_Kehrer
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Re: Haftung bei Sturz in Tagespflege

Beitrag von Elfriede_Kehrer » 27.03.2004, 20:04

Hallo Berti,
danke für deine schnelle Antwort und Info.
Ich gebe die Texte weiter und sollte meine Freundin noch Fragen haben, stelle ich sie hier ein.

Gruß Elfriede
Mit freundlichen Grüßen
Elfriede Kehrer

Alfons_Graef

Haftung bei Sturz - ggf. Lebensrisiko

Beitrag von Alfons_Graef » 28.03.2004, 12:37

Es hat in letzter Zeit wiederholt Gerichtsentscheidungen gegeben, in denen von einem Lebensrisiko zu stürzen, die Rede war. Damit wurden von den Gerichten in einigen Fällen Schadensersatzansprüche von betroffenen Patienten / Heimbewohnern zurückgewiesen. Die Gerichte argumentierten, dass das Risiko, irgendwann einmal zu stürzen, nicht ganz auszuschließen sei. Mit der begrenzten personellen und sachlichen Ausstattung von stationären Pflegeeinrichtungen könne nicht umfassend Aufsicht und Betreuung gewährleistet werden. Es müsse konkrete Gefahrenlagen geben, die ein strengeres Eingreifen, z.B. durch Fixierungen, gerechtfertigen. Im Einzelfall sei abzuwägen; schließlich gehe es ja auch um die Freiheit der Pateinten / Bewohner.

MfG
Alfons Gräf

WernerSchell
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Menschenwürdiges Leben gewährleisten !

Beitrag von WernerSchell » 30.03.2004, 12:48

Auszug aus einem Artikel zum Urteil des Landgerichts Aachen vom 14.11.2003 – 9 O 481/02 –:

…. Das Maß der anzuwendenden Sorgfalt bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles. Bei zu beaufsichtigenden behinderten Personen sind einerseits deren körperliche und geistige Eigenarten ausschlaggebend, andererseits muss bei der Beaufsichtigung und Betreuung auch die Würde behinderter Menschen gewahrt und ihrer Persönlichkeitsentwicklung Rechnung getragen werden. Behinderten Menschen soll ein menschenwürdiges Leben ermöglicht werden, das sich weitgehend dem nichtbehinderter Menschen annähert. Aus diesem Grunde und um therapeutischen Zielsetzungen gerecht zu werden, müssen individuelle Freiräume geschaffen werden, auch wenn dies mit gewissen Risiken verbunden ist. …..

Das o.a. Urteil und viele andere ähnliche Entscheidungen werden demnächst eingestellt unter
http://www.pflegerechtportal.de
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
Bild

Elfriede_Kehrer
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Re: Menschenwürdiges Leben gewährleisten !

Beitrag von Elfriede_Kehrer » 30.03.2004, 21:00

Text WernerSchell:
Behinderten Menschen soll ein menschenwürdiges Leben ermöglicht werden, das sich weitgehend dem nichtbehinderter Menschen annähert. Aus diesem Grunde und um therapeutischen Zielsetzungen gerecht zu werden, müssen individuelle Freiräume geschaffen werden, auch wenn dies mit gewissen Risiken verbunden ist. …..


Sehr geehrter Herr Schell,

das erinnert mich an meine eigene Fragestellung vor einer längeren Zeit, als die Erzieher meinen Mann fixieren wollten, damit er nicht eigenständig die Wohngruppe verlässt. Dem habe ich nicht zugestimmt, selbst auf die Gefahr hin, dass meinem Mann ein Unfall dabei passieren könnte.

Ermutigt hat mich damals Ihr Beispiel mit der dementen Bewohnerin in Köln, die immer wieder das Heim verließ. Der Sohn, der auf Gott vertraute, einem Einsperren der Mutter nicht zugestimmt hat.
 
Auch meinem Mann ist bis heute nichts passiert.

Herzliche Grüße
Elfriede Kehrer
Mit freundlichen Grüßen
Elfriede Kehrer

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