Begleitung von Heimbewohnern zu Arztbesuchen.

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

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barnabas08
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Begleitung von Heimbewohnern zu Arztbesuchen.

Beitrag von barnabas08 » 29.11.2011, 16:42

Hallo, gilt das auch in Bayern ?

meine Mutter,

ist im Heim untergebracht, Pflegestufe 1 und Demenz.
Kann alleine keinen Arzttermin wahrnehmen, da sie sich verlaufen würde usw.
Wohne ca. 60 Km vom Heim weg.
Die Heimleitung hat mir nun mitgeteilt, das sie für zukünftige Arztbesuche meine Mutter nicht mehr begleiten können und sie per Taxi ohne Begleitung zum Arzt schicken, und die Kosten dafür ich tragen muß, oder ich würde sie selbst fahren.
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Begleitung von Heimbewohnern zu Arztbesuchen = Regelleistung der Heimträger

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 13.01.2011 - 4 K 3702/10 - in einem Klageverfahren einer Pflegeeinrichtung gegen die Heimaufsicht entschieden, dass die Begleitung von Heimbewohnern zu notwendigen Arztbesuchen, für die eine Begleitung durch Dritte nicht sichergestellt ist, eine Regelleistung der Pflegeheimen ist.

Damit steht fest, dass die Heimbetreiber für ihre Bewohner bei notwendigen Arztbesuchen außerhalb der Einrichtung auch die Begleitung als Regelleistung sicher zu stellen haben, und die finanziellen Aufwendungen hierfür nicht als Zusatzleistung oder sonstige Leistung abgerechnet werden dürfen. Vielmehr sind solche Leistungen Teil der allgemeinen Pflegeleistungen, die durch den entsprechenden Pflegesatz abgegolten werden. Mit der jetzt bekannt gewordenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung wurde eine von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk seit längerer Zeit vertretene Auffassung bestätigt.

In den Entscheidungsgründen führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus: Grundsätzlich dürften keine zusätzlichen Entgelte für solche Leistungen von den Heimbewohnern verlangt werden, die die Einrichtung als Regelleistung zu erbringen habe und die Teil der allgemeinen Pflegeleistungen seien, die durch den von den Pflegekassen hierfür geleisteten entsprechenden Pflegesatz abgegolten würden. Zu den allgemeinen Pflegeleistungen gehörten nach dem zwischen den überörtlichen Trägern der Pflegeeinrichtungen und den Pflegekassen geschlossenen Rahmenvertrag u.a. Hilfen bei der Mobilität. Die Mobilität umfasse u.a. auch das Verlassen und Wiederaufsuchen der Pflegeeinrichtung. Nach dem Rahmenvertrag seien dabei solche Verrichtungen außerhalb des Pflegeheims zu unterstützen, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung notwendig seien und das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen erforderten. Zu den Hilfen bei Mobilität sei jedenfalls für den Fall, dass ein Arztbesuch zwingend außerhalb der Einrichtung der Klägerin notwendig und eine notwendige Begleitung durch Dritte nicht möglich sei, auch die Begleitung durch den Heimbetreiber für die Bewohner sicherzustellen, indem dieser Beschäftigte des Heims einsetze oder sonstige Personen damit beauftrage. Die sicherzustellende Begleitung als Teil der Regelleistung sei daher weder eine Zusatzleistung noch eine sonstige Leistung, für die ein gesonderter Zuschlag von den Heimbewohnern zu entrichten sei.

Werner Schell
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... suchen.php

WernerSchell
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Begleitung zum Arzt - Heimaufsicht einschalten

Beitrag von WernerSchell » 29.11.2011, 17:20

Hallo nach Bayern,
Gerichtsentscheidungen regeln immer nur einen Einzelfall und sind damit keine gesetzesgleichen Regeln. Allerdings ergeben sich aus solchen Gerichtsentscheidungen Erkenntnisse, die man tunlichst in ähnlich gelagerten Fällen anwenden sollte. Urteile prägen somit das Verhalten in vergleichbaren Situationen.
In Hessen hat sich die Heimaufsicht zur Thematik geäußert - nachlesbar unter folgender Adresse:
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... 7_2011.pdf
Es erscheint daher ratsam, in Streitfällen zunächst die zuständige Heimaufsicht zur Beratung bzw. Unterstützung einzuschalten. Je nach Ausgang dieser Beteiligung müsste ggf. das Recht auf Begleitung zum Arzt eingeklagt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Herbert Kunst
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Beitrag von Herbert Kunst » 01.12.2011, 08:12

Guten Morgen,

Herr Schell hat ja schon auf die Rechslage aufmerksam gemacht. Es gibt danach keine allseits befriedigende Einschätzung. Allerdings erscheint es ratsam, die Auffassung der hessischen Heimaufsicht in die weiteren Erörterungen einzubrigen. Es sollte aber auch geprüft werden, ob denn unbedingt ein Aufsuchen der Arztpraxis zwingend ist. Kann nicht der Arzt veranlasst werden, die Patientin zu besuchen (Hausbesuch)? Dieser Hinweis scheint mir noch wichtig.

Gruß
Herbert Kunst
Für menschenwürdige Pflege sind wir alle verantwortlich! - Dazu finde ich immer wieder gute Informationen unter http://www.wernerschell.de

Bettina Olbing
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Begleitung zum Arzt - Pflegebeauftragten einschalten

Beitrag von Bettina Olbing » 04.12.2011, 14:59

Hallo,
eine ergänzende Merkung von mir:
In Bayern gibt es seit einiger Zeit einen Pflegebeauftagten, der sich um Beanstandungen kümmert. Ich würde mich ggf. auch an diese Stelle wenden. Hier im Forum wurde auf den Pflegebeauftragten aufmerksam gemacht:
viewtopic.php?t=15410&highlight=pflegebeauftragter
Vielleicht können wir dann demnächst erfahren, dass die streitige Arztbesuchsangelegenheit befriedigend gelöst worden ist.
Viele Grüße
Bettina Olbing
Pro Pflege - was denn sonst!

WernerSchell
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Heim

Beitrag von WernerSchell » 05.01.2015, 07:45

Heimbesuche: Bei der Abrechnung lauern Tücken
Behandeln Ärzte Patienten in Heimen, so müssen sie bei der Abrechnung penibel auf die Details der Visite achten.
Knifflig ist etwa die essenzielle Fragestellung, wann ein solcher Besuch dringend notwendig war.
Ein Medizinrechtler gibt Tipps. mehr » http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=876 ... ung&n=3951
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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