Delegation von Bluttransfusionen an pflegerisches Personal

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

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Roschie68
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Delegation von Bluttransfusionen an pflegerisches Personal

Beitrag von Roschie68 » 12.04.2009, 19:16

Hallo zusammen,

ich habe eine Frage zum Thema Bluttransfusionen.
Das eine Bluttransfusionen ärztliche Tätigkeit sind und Grundsätzlich nicht an pflegerisches Personal deligierbar ist eindeutig.

Wie wird es denn bewertet, wenn bei der Gabe von 2 Erythrozytenkonzentraten beide an einem Infusionsständer hängen und die Systeme mit einem Dreiwegehahn miteinander verbunden sind.
Der Arzt hängt das erste EK an , wenn dieses durchgelaufen ist, dreht einer der Pflegerischen Kollegen den hahn um und das zweite EK wird zum laufen gebracht. Ist diese Praxis zulässig? Wie sehen die Juristen und die Versicherer das. Wie würde im falle einer Verwechslung diese Situation bewertet werden. So, dass der Arzt das EK angehängt hat? Oder wird das umlegen des Hahnes als neue Verabreichung gesehen?
Ich arbeite in einer onkologischen Ambulanz und habe gerade meine onkologische Fachweiterbildung abgeschlossen. Durch räumliche und auch personelle Veränderungen arbeiten wir gerade an neuen Strukturen.
Dieser Bereich ist anscheinend eine Grauzone. Beim googlen lässt sich jedoch nichts finden. Auch Gerichtsurteile habe ich im Bezug auf diese spezielle Problematik nicht finden können.

Wir geben in der Woche ca. 15 - 20 Patienten Bluttransfusionen. Die Blutentnahmen und auch die Verabreichung der Zytostatika macht bei uns das Pflegepersonal. Das ist auch gut so und wäre in einer Ambulanz mit 30-40 Therapien pro Tag gar nicht anders durchzuführen.

Es geht mir nicht darum diesen relativ geringen Anteil an Arbeit loszuwerden, sondern darum für meine Kollegen und mich eine gewisse Rechtssicherheit zu bekommen.

Vielleicht kann ja jemand meine Frage beantworten.
Vorab schon einmal vielen Dank,

Roschie

Anja Jansen
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Aufgaben im Zusammenhang mit Bluttransfusionen

Beitrag von Anja Jansen » 13.04.2009, 07:25

Hallo Roschie,
ich wäre mit der Übernahme der beschriebenen Aufgaben im Zusammenhang mit Bluttransfusionen vorsichtig. Nicht umsonst ist der Arzt bei solchen Maßnahmen vorrangig gefordert. Allerdings sind Delegationsentscheidungen zulässig, wenn eine konkrete Patientengefährdung nicht vorliegt und das tätig werdende Personal über die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten verfügt. Das wäre sorgsam abzuklären.
Wahrscheinlich gibt es noch weitere Wortmeldungen.
MfG Anja
Es ist mehr Aufmerksamkeit für dementiell erkrankte Menschen nötig. Unser Pflegesystem braucht deshalb eine grundlegende Reform!

Cicero
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Lässt der Pflegenotstand denn weitere Aufgaben zu?

Beitrag von Cicero » 13.04.2009, 08:12

Hallo,
die Delegation von ärztlichen Aufgaben an das Pflegepersonal ist zur Zeit lebhaft in der Diskussion. Es zeichnen sich verschiedene Lösungen ab. Man darf zur Vorsicht mahnen. Im Übrigen sollte hausintern klargestellt werden, ob denn überhaupt ausreichend Pflegepersonal verfügbar ist, ärztliche Aufgaben zu übernehmen. Es macht nämlich wenig Sinn, über Pflegenostand zu diskutieren, wenn dann anschließend Pflegekräfte für die Ärzte noch Aufgaben erledigen. Auch dieser Gesichtspunkt scheint mir bedeutsam.
Gruß
Cicero
Politisch interessierter Pflegefan!
Im Gleichklang: Frieden - Ausgleich - Demokratie - und: "Die Menschenwürde ist unantastbar"!

WernerSchell
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Bluttransfusionen –weitgehender Arztvorbehalt

Beitrag von WernerSchell » 13.04.2009, 09:44

Bluttransfusionen – weitgehender Arztvorbehalt

Sehr geehrter Fragesteller (Roschie),

ich gebe in der Angelegenheit folgende allgemein gehaltene Stellungnahme ab:

Wie bereits in einem anderen Zusammenhang verdeutlicht wurde, sind bei Bluttransfusionsmaßnahmen vor allem das „Transfusionsgesetz“ sowie die „Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie) gemäß §§ 12 und 18 des Transfusionsgesetzes“ zu beachten. Ergänzend sollten einheitliche klinikinterne Dienstanweisungen weitere Einzelheiten regeln.

Anhand der genannten Vorschriften ergibt sich, dass im Rahmen von Transfusionsmaßnahmen ein weitgehender Arztvorbehalt besteht, der nur in sehr eingeschränkter Form die Delegation dieser ärztlichen Aufgaben auf das Pflegepersonal oder anderer nichtärztlicher Personen zulässig. Die Bluttransfusion ist zwingend durch einen Arzt einzuleiten.

Die Praxis, nichtärztliches Personal durch Delegation ärztlicher Aufgaben weitgehend in das Transfusionsgeschehen einzubinden, halte ich aus Rechtsgründen für problematisch. Sie bedarf – soweit überhaupt zulässig – exakter Regelungen per ergänzender Dienstanweisung. Dabei darf keine Frage offen bleiben.

Es wird daher zunächst angeregt, vor Ort die näheren Umstände der vorgesehenen Mitwirkung aufzuhellen und dann im Team bzw. gegenüber dem Arbeitgeber zu problematisieren. Es sollte "von oben" beurteilt und entschieden werden, wer für welche Aufgaben (zulässigerweise) Verantwortung übernehmen darf. Dabei sind auch die haftungsrechtlichen Erwägungen zur Sprache zu bringen. Es muss m.E. mit einer Arbeitgeber-Dienstanweisung zweifelsfrei klargestellt werden, dass im Rahmen von Delegationsentscheidungen ein Haftpflichtschutz für das tätig werdende Personal gewährleistet ist. Möglicherwiese muss der Arbeitgeber vorsorglich den Haftpflichtversicherer bei der rechtlichen Beurteilung einbinden.

Es wird im Übrigen auf die verschiedenen Beiträge im Rechtsalmanach Nr. 12 dieser Homepage - Die Mitwirkung des Pflegepersonals bei Maßnahmen der Diagnostik und Therapie - verwiesen. Dort sind weitere klärende Hinweise zu finden. Zahlreiche Beiträge zum Thema sind auch in diesem Forum nachlesbar. Sie können mit „Suchen“ und Eingabe von „Delegation“ aufgefunden werden. Es wird eine Auswertung der verschiedenen Statements empfohlen.

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell - http://www.wernerschell.de
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Roschie68
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Beitrag von Roschie68 » 18.04.2009, 22:12

Hallo,

vielen Dank für die schnellen Antworten. Wir haben das Thema im Team aufgegriffen und verfahren gemäß der Empfehlung von Herrn Schell.
Es wird auch von den Ärzten davon ausgegangen, dass es keine Dienstanweisung geben wird.
Anscheinend hat man auch angst davor, die Sache zu hoch aufzuhängen.
Es könnten ja andere Bereiche mit betroffen sein.
Aber wie man sieht, lohnt es sich doch hin und wieder den Mund auf zu machen.

Gruß, Roschie

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