Müssen Ärzte im Heim Anordnungen dokumentieren ?

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

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Gast

Müssen Ärzte im Heim Anordnungen dokumentieren ?

Beitrag von Gast » 30.10.2003, 11:21

Müssen Ärzte im Heim Anordnungen dokumentieren ?

Ich arbeite in einem Altenheim und stelle immer wieder fest, dass hausärztliche tätige Ärzte mündliche Anordnungen gegenüber dem Pflegepersonal aussprechen und sich weigern, solche Anordnungen schriftlich zu hinterlassen. Wir Pflegende sind verunsichert, ob das rechtens ist. Wir bitten um Informationen.
MfG
Hugo Siebold

Gast

Müssen Ärzte im Heim Anordnungen dokumentieren ?

Beitrag von Gast » 30.10.2003, 11:45

Hallo Hugo,
zunächst möchte ich darauf aufmerksam machen, dass es in diesem (akuellen und archivierten) Forum zahlreiche Beiträge gibt, die informieren. Mit der Suchfunktion können die Beiträge aufgerufen werden. Bitte jeweils folgende Begriffe eingeben:
Anordnung, Delegation, Pflegedokumentation, Krankendokumentation, Injektionstätigkeit usw.
Aus dem archivierten Forum habe ich die nachfolgenden Beiträge kopiert und stelle sie beispielhaft vor.
Gruß Berti

Texte aus dem archivierten Forum (Auszug):
Dokumentationspflicht des Arztes im Rahmen der Anordnungsverantwortung

von Herbert Dolfen am 21.10.2001:
Hallo Axel,
in stationären Pflegeeinrichtungen sind bezüglich der Krankendokumentation einige Besonderheiten gegenüber den Krankenhäusern festzustellen. Die Ärzte, die in die Pflegeeinrichtungen kommen, sind nicht Dienstkräfte des Heimträgers und somit nicht weisungsbefugt. Um die sich daraus ergebenden Probleme aufzulösen, ist es dringend anzuraten, eine Kooperationsvereinbarung abzuschließen, die klar und eindeutig regelt, wie die Beziehungen zwischen Ärzten und den Heimmitarbeitern gestaltet werden (siehe hierzu Schell, W. „Staatsbürgerkunde, Gesetzeskunde und Berufsrecht für die Pflegeberufe in Frage und Antwort“. Thieme Verlag, Stuttgart 1998, Seite 151). In solchen Vereinbarungen kann auch geregelt werden, wer wem welche Anordnungen erteilen darf und wie die Dokumentation für beide Parteien zufriedenstellend geregelt wird.
Ärztliche Anordnungen/Verordnungen bedürfen, von Notfällen abgesehen, grundsätzlich der Schriftform. Daher bin ich der Meinung, dass Pflegekräfte gut beraten sind, auf die Schriftlichkeit zu bestehen. Wenn ohne Rechtsgrund seitens der Ärzte die schriftliche Festlegung ihrer Entscheidungen unterbleibt, sollte auch die Dienstleistung zurückbehalten werden (wenn nicht ein Patient/Bewohner) hierdurch in Gefahr gerät (Patientensicherheit ist oberstes Gebot). Ärzte sind nach der Berufsordnung zur schriftlichen Dokumentation verpflichtet. Wird dieses sinnvolle und vorgegebene Verfahren nicht eingehalten, ist aus Arbeitnehmersicht das Handeln rechtlich problematisch. Es gibt keinen Nachweis für das angeordnete/verordnete Handeln. Insoweit wäre nach § 315 BGB davon auszugehen, dass die arbeitsrechtliche Weisung mangelhaft und damit unzumutbar ist.
Deine Sorgen kann ich gut verstehen. Der Arzt mag seine eigenen Aufzeichnungen führen. Unabhängig davon sollte aber geregelt werden, dass auch den Heimmitarbeitern eine schriftliche Anordnung vorliegt bzw. verfügbar gemacht wird. Allein auf die ärztliche Dokumentation abzustellen, die in der Pflegeeinrichtung nicht zur Verfügung steht, ist wohl mit Rücksicht auf die o.a. Hinweise unzumutbar.
Im Übrigen gibt es in diesem Forum umfangreiche weitere Texte zur „Krankendokumentation“ (bitte diesen Begriff unter Suchen eingeben, und die Beiträge werden angezeigt).
Gerichtsentscheidungen, die zu diesem Thema hilfreiche Ausführungen enthalten, sind mir nicht bekannt. Ich denke aber, sie werden auch nicht gebracht. Denn die Rechtslage scheint mir ohnehin klar (siehe oben).
Gruß Herbert

von Team Werner Schell am 21. 10. 2001:
Sehr geehrter Herr Günther,
in meiner neuen Auflage des Buches „Injektionsproblematik aus rechtlicher Sicht“, Brigitte Kunz Verlag, Hagen (September) 2001, habe ich ausgeführt, dass die Pflegenden auf die schriftliche Anordnung des delegierenden Arztes bestehen können. Dies ist auch aus beweisrechtlichen Gründen zweckmäßig. Anknüpfend an diese Ausführungen halte ich es nicht für ausreichend, dass Ärzte allein in ihren eigenen, dem Pflegepersonal nicht zugänglichen Dokumentation Notizen bezüglich der Delegationsentscheidungen vornehmen. Es ist, wie Herr Dolfen richtig ausgeführt hat, anzustreben, die Einzelheiten der Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pflegeeinrichtungen/Mitarbeitern der Pflegeeinrichtung durch Kooperationsvereinbarungen näher zu gestalten.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell

von Berti am 23. 10. 2001:
Hallo Peter, ich teile die von Herrn Schell gegebenen Hinweise. Die Ärzteschaft mag soviel Erklärungen abgeben wie sie will. Fakt ist, dass es hier um Rechtssituationen der Pflegenden geht, die exakt geklärt werden müssen. Letztlich muss der Heimträger sicherstellen, dass den Pflegenden Arbeitseinleitungen gegeben werden, die eine Rechtsunsicherheit ausschließen. Dazu, das wurde bereits gesagt, sind Kooperationsvereinbarungen ganz sinnvoll. Wenn sich Ärzte weigern, über den Weg einer Kooperationsvereinbarung, Handlungsanleitungen mit ggf. genauen Instruktionen zu präsentieren, dann müssen sie auch sehen, wie die von Ihnen für erforderlich erachteten Maßnahmen durchgeführt werden. Das Pflegepersonal ist den Ärzten n i c h t weisungsunterworfen. Gruß Berti

Gast

Müssen Ärzte im Heim Anordnungen dokumentieren ?

Beitrag von Gast » 30.10.2003, 12:23

Nachfolgend noch ein weiterer Text aus dem archivierten Forum:

Bedarfsmedikation - telefonische Anordnungen des Arztes zulässig?

Von Team Werner Schell am 15.11.2003:
Sehr geehrter Herr Ording,
ähnliche Anfragen hat es bereits mehrfach gegeben. Offensichtlich gibt es allerorten Probleme der beschriebenen Art. Wir geben daher zu Ihrer Anfrage, der sicherlich eine allgemeine Bedeutung zukommt, folgende Hinweise:
1. Bei der Verabreichung von Medikamenten handelt es sich grundsätzlich um eine ärztliche Tätigkeit; allerdings um eine solche, die relativ unproblematisch auf das hierfür qualifizierte nichtärztliche Personal zur Erledigung übertragen werden kann. Die ärztliche Entscheidung, ein bestimmtes Medikament an den Patienten abzugeben, muß aber alle notwendigen Informationen umfassen und darf keine Fragen offen lassen. Die Pflicht, präzise Angaben zu machen, gilt auch bei einer Bedarfsmedikation Es darf also bei einer Bedarfsmedikation nicht dem nichtärztlichen Personal überlassen werden, anhand einer eigenen Diagnoseentscheidung festzulegen, ob der Patient das Medikament bekommt oder nicht (ggf. in welcher Dosierung usw.). Dies wäre rechtlich gesehen unzulässige Ausübung der Heilkunde. Es ist somit Aufgabe der Ärzte, ausreichende Instruktionen abzuliefern, die eine klare Handlungsanweisung darstellen. Bedarfsmedikationen, die diesen Anforderungen nicht gerecht werden, dürfen nicht ausgeführt werden. Denn unvollständige Medikationsentscheidungen würden rechtswidriges Handeln auslösen und solches Handeln muss von den Arbeitnehmern verweigert werden. Insoweit wird u.a. auf § 8 BAT verwiesen, der u.a. bestimmt: „Der Angestellte hat Anordnungen, deren Ausführung - ihm erkennbar - den Strafgesetzen zuwiderlaufen würde, nicht zu befolgen“. Das Direktions- und Weisungsrecht des Arbeitgebers findet dort seine Grenzen, wo höherrangige Vorschriften entgegenstehen! (vgl. hierzu Schell, W. „Staatsbürgerkunde, Gesetzeskunde und Berufsrecht für die Pflegeberufe in Frage und Antwort“. Thieme Verlag, Stuttgart 1998, S. 148, 428f.).
2. Telefonische Anordnungen müssen aus vielerlei Gründen eher die Ausnahme sein. Ärztliche Entscheidungen über den Patienten erfordern, wenn sie den Geboten der guten und sicheren Patientenversorgung entsprechen sollen, in der Regel eine persönliche Untersuchung bzw. Kontaktaufnahme beim Patienten. Routinemäßige Diagnosen und Entscheidungen per Telefon sind wohl eher eine Unsitte, die abgestellt gehört. Solche Verhaltensweisen werden auch dadurch nicht richtiger, wenn man gebetsmühlenartig auf personelle Engpässe verweist. Wenn allerdings ausnahmsweise eine telefonische Anordnung nicht zu vermeiden und auch möglich ist, muß dies natürlich von allen Beteiligten dokumentiert werden. Dazu gehört auf jeden Fall, und dies ist das Mindeste, dass die Anordnung bei nächster Gelegenheit vom zuständigen Arzt per Handzeichen in der Dokumentation quittiert wird. Bei nicht dokumentierten Vorgängen dieser Art können sich letztlich immer Fragen ergeben, ob das Handeln durch das nichtärztliche Personal überhaupt zulässig war. Insoweit ist die Dokumentation mit ärztlichem Handzeichen letztlich auch ein Beweismittel dafür, dass zulässigerweise eine ärztliche Maßnahme kraft Delegation ausgeführt wurde.
3. Lesen Sie vielleicht ergänzend in dieser Internetpräsentation nach; u.a.:
Rechtsalmanach Nr. 12
-- Die Delegation von ärztlichen Aufgaben ist grundsätzlich schriftlich zu fixieren!
-- Die Delegation von Injektionen, Infusionen und Blutentnahmen auf nichtärztliches Personal – ein Dauer-Rechtsproblem im Bereich der vertikalen Arbeitsteilung
Rechtsalmanach Nr. 20
-- Verabreichung von Medikamenten in Werkstätten für Behinderte (WfB) und ähnlichen Einrichtungen
-- Medikamentenabgabe durch das nichtärztliche Personal
4. Ein weiterer Hinweis: Mitte September 2001 ist die 5. Auflage meines Buches „Injektionsproblematik aus rechtlicher Sicht“ (Brigitte Kunz Verlag, Hagen) veröffentlicht worden (siehe Rubrik Publikationen). Darin sind aktuell die rechtlichen Grundsätze zum Miteinander von Ärzten und nichtärztlichem Personal dargestellt.
Mit freundlichen Grüßen
Team Werner Schell

Gast

Müssen Ärzte im Heim Anordnungen dokumentieren ?

Beitrag von Gast » 30.10.2003, 20:24

Ungelöste Probleme zwischen Ärzten und Pflegepersonal in Heimen erwachsen auch aus dem Problemkreis
---> Altenheime und Katheter

Siehe in diesem Forum unter:
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... 1058689692

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