Urteil jedoch kein Freibrief für Temposünder auf dem Weg zu Notfallpatienten
Bei „rasendem“ Hausarzt lassen Richter Milde walten
von Diana Niedernhöfer
Auch auf dem Weg zu einem Notfall muss der Hausarzt Verkehrsvorschriften beachten. Geschwindigkeitsüberschreitungen etwa wurden bislang hart geahndet. Einen moderateren Kurs hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe eingeschlagen.
25.11.04 - Für „Raser“ auf dem Weg zu einem Notfallpatienten sieht das Gesetz neben einer Geldbuße bis zu drei Monate Fahrverbot vor, was gerade Hausärzte besonders empfindlich träfe. Bedeutete dies doch, Hausbesuche dann mit Chauffeur antreten zu müssen.
Überraschend milde gegenüber einem Hausarzt in dieser Situation zeigte sich unlängst das OLG Karlsruhe. Der Mediziner war auf dem Weg zu einem Notfall mit 161 km/h statt der erlaubten 100 km/h Höchstgeschwindigkeit gefahren.
Die Bußgeldbehörde verhängte ein Strafgeld in Höhe von 275 Euro und erteilte ein zweimonatiges Fahrverbot. Dagegen klagte der Arzt vor dem Amtsgericht Karlsruhe. Dieses machte zwar das Fahrverbot rückgängig, erhöhte jedoch das Bußgeld auf 500 Euro.
Der Mediziner wollte auch dies nicht hinnehmen und zog vor das OLG. Dieses hob den Beschluss des Amtsgerichts auf. Die Strafe könne gemildert werden, wenn der Arzt der Auffassung war, zu einem dringenden Notfall gerufen worden zu sein, stellten die Richter fest (Az.: 1 Ss 94/04).
Ob dies der Fall war, sei vom Amtsgericht genau zu klären. Die Strafe müsse danach neu festgesetzt werden. War der Arzt tatsächlich auf Lebensrettungskurs, sollte das Amtsgericht den Vorgaben des OLG zufolge das Fahrverbot streichen und auch das Bußgeld deutlich verringern.
Sorgfältige Einschätzung, ob ein Notfall vorliegt oder nicht
Mit dieser Entscheidung distanziert sich das OLG Karlsruhe von der bisher geltenden Rechtsprechung. Es stellt auf die Sicht des Arztes ab, während Gerichte bisher stets als strafmildernd nur gelten ließen, dass objektiv tatsächlich (und nicht nur aus der subjektiven Sicht des Arztes!) ein Notfall vorgelegen hatte.
„Das OLG Karlsruhe ist jedoch der Auffassung, dass ein Patient auch im Notfall das Recht hat, von seinem Arzt versorgt zu werden“, kommentiert der Sprecher des Gerichts, Klaus Böhm. Niedergelassene müssten in solchen Fällen sorgfältig einschätzen, ob ein Notfall vorliege oder nicht, so Böhm. Dann könnten sie sogar auf eine Einstellung des Verfahrens hoffen.
Da aber die arztfreundliche Entscheidung des OLG Karlsruhe für andere Gerichte nicht bindend ist, tun Niedergelassene gut daran, in Notfällen den diensthabenden Notarzt zu informieren, anstatt sich gleich selbst ins Auto zu schwingen.
Denn generell sehen Gerichte von einem Fahrverbot - Geldbuße muss dann immer noch bezahlt werden - nur dann ab, wenn schnellere Hilfe für den Patienten nicht anders erreichbar gewesen wäre und nur der „rasende“ Hausarzt Rettung versprach. Dies wird jedoch selten der Fall sein, da ein Notarzt sich mit Martinshorn und Blaulicht in der Regel viel schneller den Weg zum Patienten bahnen kann als ein Niedergelassener.
ÄP-UMFRAGE
Sollte ein Arzt, der auf dem Weg zum Notfallpatienten Tempolimits bricht, überhaupt bestraft werden? Schließlich wähnt er ein Menschenleben auf dem Spiel. Wie ist Ihre Meinung? Schreiben Sie uns oder schicken Sie uns ein Fax (0 89/8 98 17-4 00) beziehungsweise mailen Sie uns:
bhe@rbi.de
Quelle: Ärztliche Praxis vom 25.11.2004
http://www.aerztlichepraxis.de/aktuell/ ... ge/aktuell