10 Eckpunkte zu Patientenschutz und -autonomie

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

Moderator: WernerSchell

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Gast

10 Eckpunkte zu Patientenschutz und -autonomie

Beitrag von Gast » 21.09.2003, 02:59

Presseerklärung des HVD vom 20.9.03:

Gesetzliche Regelung zur Autonomie am Lebensende

Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) hat nach langer, engagierter Debatte auf seiner Delegiertenversammlung am 20. September 2003 in Hannover einstimmig Eckpunkte zur gesetzlichen Regelung von Patientenrechten und Sterbehilfe beschlossen.
Dazu erklärt der Bundesvorsitzende Rolf Stöckel, MdB:

In Deutschland gibt es dringenden Handlungsbedarf zur gesetzlichen Regelung der Patientenautonomie am Lebensende. Sinnlose Leidensverlängerung und Rechtsunsicherheit bestimmen die Lage vieler Menschen vor allem im Sterbeprozess.

Deshalb fordert der HVD:

- Rechtsverbindliche Durchsetzung von Patientenwille und Selbstbestimmungsrecht
- Geregelte Straffreiheit von indirekter und passiver Sterbehilfe unter festgelegten Voraussetzungen
- Umfassende Versorgung und Pflege von alten und sterbenden Menschen als Voraussetzung dafür, deren Menschenrechte zu gewährleisten.

Diese Forderungen sind entstanden aus der Praxiserfahrung des HVD in den Bereichen Patientenverfügung, Hospizdienst und Seniorenarbeit. Darüber hinaus hält es der HVD für erforderlich, in der Öffentlichkeit die Debatte darüber zu führen, wie die Probleme der „aktiven“ Sterbehilfe anzugehen sind.

Der vollständige Text der 10 Eckpunkte „Autonomie am Lebensende“ ist nachzulesen unter
http://www.patientenverfuegung.de/pv/aktuell.htm

Klaus_Stickl

Bitte keine aktive Sterbehilfe !

Beitrag von Klaus_Stickl » 22.09.2003, 09:07

HVD, bitte keine Einstimmung auf aktive Sterbehilfe! Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben reicht uns mit ihren abseitigen Aktionen!
Siehe auch Forumsbeiträge unter
Europarat – keine aktive Sterbehilfe zulassen!

Klaus Stickl

Gast

Re: 10 Eckpunkte zu Patientenschutz und -autonomie

Beitrag von Gast » 25.09.2003, 15:09

Augsburg. Bei unheilbaren schwersten Krankheiten würde einer Umfrage zufolge eine Mehrheit der Deutschen die Möglichkeit der direkten aktiven Sterbehilfe befürworten. Das teilte die Gesellschaft für humanes Sterben (DGHS) in der vorigen Woche in Augsburg mit. Demnach meinen 61 Prozent von 1.004 Befragten über 18 Jahren, dass diese bei seltenen Extremfällen von unheilbar Schwerstkranken erlaubt, aber auch auf diese Fälle beschränkt sein sollte. Lediglich 15 Prozent erklärten demnach, aktive direkte Sterbehilfe solle «grundsätzlich verboten bleiben, weil es dazu immer bessere Alternativen gibt».
Von den Befürwortern eines grundsätzlichen Verbots der Tötung auf Verlangen sprachen sich sieben Prozent für Beihilfe zum Suizid als Alternative aus. Daneben erklärten 22 Prozent der evangelischen und 24 Prozent der katholischen Christen, dass aktive Sterbenhilfe auch dann erlaubt sein sollte, «wenn bei einem unheilbar Schwerstkranken ein Leidensweg diagnostiziert wird, der diesen Schritt nahe legt, der Patient aber nicht mehr in der Lage ist, sich selbst dazu zu äußern». (Siehe http://www.dghs.de/presse.htm)

Die DGHS bewertet das Ergebnis insgesamt folgendermaßen: "Die Meinung, dass unheilbar Schwerstkranke auf deren Verlangen getötet werden sollten, ist in breiten Kreisen der Bevölkerung verankert; für das derzeit gemäß § 216 Strafgesetzbuch bestehende Verbot spricht sich nur eine Minderheit aus." Die Erlaubnis für einen eng begrenzten Personenkreis entspräche "der Haltung der DGHS, die dem Gesetzgeber bereits 1997 bekannt gemacht wurde."

Kritiker bringen dagegen vor, dass der - im übrigen nichts neues bringende Trend - bei Umfrageergebnissen nicht die Basis einer Änderung des Strafrechts sein könne. Wie der Leiter des Instituts für Glaube und Wissenschaft, Jürgen Spieß (Marburg, AK evangelikale Theologie) mit Bezug auf die Erhebung ausführte, sei das Problem, dass man die Meinung der Gesunden einhole. Problemorientierte Lösungen müssten sich aber auf die Bedürfnisse von schwerkranken Patienten beziehen. So falle auf Krankenstationen die Zustimmung zur Tötung auf Verlangen "deutlich geringer" aus. (siehe http://www.kath.net/idea)

Der Bundesvorsitzende des Humanistischen Verbandes Deutschlands, Rolf Stöckel (MdB), teilte am 20.9.2003 anlässlich der Verabschiedung eines 10 Eckpunkte-Papieres "Autonomie am Lebensende" des HVD mit, es komme in einer dringend erforderlichen gesetzlichen Regelung v. a. auf folgende Grundforderungen an:  Rechtsverbindlichkeit von Patientenselbstbestimmung (Patientenverfügung), Regelung der Straffreiheit von indirekter und passiver Sterbehilfe unter festgelegten Voraussetzungen, Wahrung der Menschenrechte von alten und sterbenden Menschen hinsichtlich umfassender Versorgung, Pflege und Sterbebegleitung. (unter http://www.patientenverfuegung.de/pv/aktuell.htm ). Darüber hinaus hielte es der HVD für erforderlich, "in der Öffentlichkeit die Debatte darüber zu führen, wie die Probleme der `aktiven´ Sterbehilfe anzugehen sind."

Quelle: PATIENTENVERFUEGUNG NEWSLETTER vom 25.9.2003

Gast

Re: 10 Eckpunkte zu Patientenschutz und -autonomie

Beitrag von Gast » 27.09.2003, 15:47

Siehe auch in diesem Forum unter

-----> Vincent Humbert: „Ich fordere, sterben zu dürfen“

Gast

Große Anteilnahme und Reaktionen

Beitrag von Gast » 29.09.2003, 03:19

Aus „Frankfurter Rundschau“ vom 28.9.: "Mit großer Anteilnahme haben die Franzosen das dramatische Lebensende des seit seinem Unfall vor drei Jahren gelähmt, blind und stumm an sein Bett gefesselten 22-jährigen Vincent Humbert verfolgt. Die von dem jungen Mann gewollte, von seiner Mutter unterstützte und vom Verleger seines testamentarischen Buchs inszenierte Medienkampagne über den Todeswunsch eines zum Leben aus eigener Kraft nicht mehr fähigen Menschen hat ihr Ziel erreicht. In Frankreich wird erneut über die Sterbehilfe debattiert.
Der 48-jährigen Marie Humbert, die ihrem Sohn eine Überdosis Schlafmittel verabreichte, schlägt Mitgefühl entgegen. Der frühere sozialistische Gesundheitsminister Bernard Kouchner zollte ihr Respekt: Man müsse ihr ein Denkmal setzen. Staatspräsident Jacques Chirac, ein Gegner der Sterbehilfe, rief sie an, um ihr seine Anteilnahme auszudrücken. Und die Staatsanwaltschaft, die nun, wie es das Gesetz befiehlt, eine Untersuchung einleiten muss, wird die Mutter auf Anweisung von Justizminister Dominique Perben mit `größter Menschlichkeit´ behandelt."


Bernard Kouchner, ehemaliger Gesundheitsminister und Mitbegründer von "Ärzte ohne Grenzen", sprach sich für eine grundlegende Debatte über die Sterbehilfe aus. Die derzeitige gesetzliche Lage schaffe Grauzonen. Wie die Zeitung "Liberation" berichtete, spreche sich auch Sozialminister Francois Fillon für eine Gesetzesänderung aus.

Die Diskussionen in Frankreich riefen auch in Deutschland Reaktionen von zwei Organisationen hervor. Die Deutsche Hospiz Stiftung (Dortmund) kritisierte den Vorschlag Fillons, das Strafrecht zu ändern. "Es ist unfassbar, dass der französische Sozialminister den einfachen Weg gehen will: Anstatt sich endlich für eine bessere Versorgung der Schwerstkranken und Sterbenden in Frankreich einzusetzen, wird jetzt die aktive Sterbehilfe gefordert", kritisierte der Geschäftsführer der Stiftung, Eugen Brysch. Er wies darauf hin, dass ein enger Zusammenhang zwischen der schlechten Versorgung von Schwerstkranken und dem Ruf nach aktiver Sterbehilfe bestehe.
Demgegenüber hatte der Humanistische Verband Deutschlands (Berlin) eine 10 Eckpunkte umfassende Gesetzesinitiative „Autonomie am Lebensende - für Patientenrecht und Sterbehilfe“ vorgestellt (unter: patientenverfuegung.de/pv/aktuell.htm ) und zur Unterstützung aufgerufen. Denn, so Gita Neumann vom Humanistischen Verband, "es zeigt sich immer wieder, dass auch die bestehende deutsche Rechtslage fortgesetzte Menschenrechtsverletzungen am Lebensende nicht verhindern kann".

Gast

Patientenschutz, Morphingabe, Sterbehilfe

Beitrag von Gast » 02.10.2003, 02:20

Verdacht auf Sterbehilfe: Berufsverbot für Ärztin
Staatsanwaltschaft bestätigt Anfangsverdacht / Exhumierungen und Gutachten sollen zur Aufklärung beitragen
HANNOVER (cben) Eine 53jährige Internistin aus Niedersachsen wird verdächtigt, bei 76 Patienten in der Paracelsus-Klinik Hannover/Langenhagen unzulässige Sterbehilfe geleistet zu haben. Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt wegen fahrlässiger Tötung.

Das Verwaltungsgericht hat der Ärztin die Approbation entzogen. Die Internistin wird verdächtigt, ihren Patienten Opiate verabreicht zu haben, ohne die Patienten über die potentiell lebensverkürzende Wirkung der Medikamente aufgeklärt zu haben.

Zwar lag der Staatsanwaltschaft ein von der Paracelsus-Klinik in Auftrag gegebenes Gutachten des Aachener Palliativmediziners Professor Lukas Radbruch vor, das die Ärztin entlastet. Dennoch ordnete man bei der Staatsanwaltschaft Hannover zwei Exhumierungen an und gab ein eigenes Gutachten beim Bochumer Mediziner Professor Michael Zens in Auftrag. Das Ergebnis wird im Dezember erwartet.

Joachim Bovelet, Geschäftsführer der Paracelsus-Kliniken, stellt sich vor die Ärztin: "Radbruch bescheinigt der betroffenen Ärztin abgesehen von ein paar Dokumentationsmängeln saubere Arbeit." Die Ärztin räumt selbst ein, die Krankheiten ihrer Patienten in den Dokumentationen weniger bedrohlich dargestellt zu haben, als sie tatsächlich waren.

Nun muß ein gerichtsbeständiges Gutachten prüfen, ob zu hohe Morphin-Dosierungen verabreicht wurden und ob die Patienten über die Folgen der Medikamente unterrichten waren, so Oberstaatsanwalt Thomas Klinge.

Die AOK zeigte die Ärztin im Frühjahr 2003 an. "Bei einer Abrechnungsprüfung im Frühjahr waren Auffälligkeiten festgestellt worden", sagt Klaus Altmann von der AOK Niedersachsen. Seitdem wird ermittelt.

Klinge bedauert, daß der Fall an die Öffentlichkeit gelangt ist, "denn ob an dem Vorwurf etwas dran ist, wissen wir noch nicht - wir haben lediglich einen Anfangsverdacht."

Gast

Dogmenstreit um zulässige Sterbehilfe

Beitrag von Gast » 02.10.2003, 02:41

Das Klinikunternehmen hat sich voll hinter die Ärztin gestellt und nach Angaben des Geschäftsführers Joachim Bovelet einen eigenen Gutachter mit der Prüfung des Tötungsvorwurfs beauftragt. Der Aachener Professor für Palliativmedizin Lukas Radbruch sei zu dem Ergebnis gekommen, dass in jedem Fall eine "medizinisch einwandfreie" Behandlung vorgelegen habe.

Nach Ansicht von Bovelet ist die Ärztin das Opfer eines "Dogmenstreits" über die schwierige Grenzziehung zwischen Schmerzbehandlung und Sterbehilfe.
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Im "Dogmenstreit" gibt es mit jeweils nicht unbedingt erwartungsgemäßem Tenor kontroverse Stellungnahmen. Fast scheint es, als würden Deutsche Hospiz Stiftung und Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben neuerdings in der Sterbehilfe- und Lebensschutzfrage mit vertauschten Rollen agieren:


Nach Angaben der Deutschen Hospizstiftung könnte es sich um Fälle von indirekter und damit straffreier Sterbehilfe handeln. Dabei werde bei sterbenskranken Menschen in Kauf genommen, dass der Tod in Folge einer Schmerztherapie etwas früher eintrete, sagte der Vorstand der Hospiz Stiftung (Dortmund), Eugen Brysch der dpa. "Der Patient wäre unter so unsäglichen Schmerzen gestorben, dass der Mediziner dann sagt, dann erhöhen wir die Morphin-Gabe." Dann könne es passieren, dass der Patient ein paar Stunden früher sterbe, meinte Brysch. Die Form der indirekten Sterbehilfe sei in Deutschland mit Zustimmung des Patienten erlaubt. Brysch geht im Verdachtsfall gegen die Internistin davonaus, dass es sich keinesfalls um in Deutschland verbotene aktive Sterbehilfe handelt. Aktive Sterbehilfe wird nicht mit Morphin gemacht. Morphin sei vielmehr ein hilfreiches Mittel, um aktuten Schmerz zu beseitigen und Leiden zu lindern. Der Verdachtsfall in Hannover dürfe nicht zur Verunsicherung führen, betonte Brysch. Deutschland sei beim Morphin-Verbrauch pro Kopf Schlusslicht in Europa und das liege nicht daran, "dass die im Ausland alle abhängig sind." (dpa hz/mw yyzz ca op)


Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) erklärt unter der Überschrift "Wie viele noch? Zwischen akzeptierter Sterbehilfe und Mord" am 1.10.:

... Nun also eine Ärztin in der Hannoveraner Paracelsus-Klinik, die angeblich 76 Krebspatienten getötet haben soll. Ob mithilfe von

Gast

Solidarität mit Schwerstkranken & Behinderten

Beitrag von Gast » 26.01.2004, 11:40

Ähnlich wie beim Support-Projekt in Göttingen (der pv-newsletter berichtete darüber) steht ein weiteres regionales Modellprojekt für Palliativmedizin vor dem Aus, welches eigentlich bundesweit Schule machen sollte: Im Raum Greifswald werden wohl Dr. Wolf Diemer und seine Mitstreiter nicht länger schwerstkranke und sterbende Tumorpatienten ambulant betreuen können. Das Einsatzauto mußte bereits abgegeben, die Hausbesuche eingestellt werden. Alles hängt davon ab, ob die Krankenkassenverbände "die Zeichen der Zeit erkennen und die Palliative-Care-Teams doch noch weiter finanzieren", sagte Diemer, Oberarzt am Greifswalder Universitätsklinikum. Trotz der vielversprechenden ambulanten Hilfe für die Betroffenen, welche unnötige Krankenhausaufenthalte am Lebensende vermeidet und damit unterm Strich sogar Geld spart, sind die Chancen auf einen Systemwechsel gering.

Dem Gesetzgeber ist vorzuwerfen, hier eine Lösung versäumt zu haben. Das ist ein katastrophales Signal gegen eine Humanisierung des Sterbens und gegen die Selbstbestimmungsbedürfnisse Schwerstkranker. Es darf nicht sein, dass zunächst durch Bundesmittel geförderte Modellversuche, die sich bewährt haben und sehr erfolgreich arbeiten, schließlich doch zum Scheitern verurteilt sind - nachdem sie noch bis zum Äußersten und mit Unterstützung von Ärztekammern und Sponsoren ums Überleben gekämpft haben.

Dabei scheint die Patientenautonomie am Lebensende und die Hilfe für Sterbende und Schwerstkranke durchaus in einer Gesamtregelung gesetzlich regelbar. Zumindest wird diese Auffassung von einer knappen Mehrheit in der Rechtskommission des Berner Nationalrats vertreten, wo angekündigt wurde, die Grauzone der "passiven" und "indirekten" Sterbehilfe zusammen mit der Förderung der Palliativmedizin regeln zu wollen. (Siehe: http://www.bj.admin.ch/themen/stgb-ster ... ntro-d.htm)

In Deutschland wird eine ähnliche Gesetzesinitiative vom Humanistischen Verband Deutschlands (HVD) vertreten, der dazu 10 Eckpunkte formuliert hat. Demgegenüber appelliert die katholische Bischofskonferenz angesichts europaweiter Liberalisierungstendenzen "jede Form der aktiven Sterbehilfe abzulehnen". Und die deutsche Hospiz-Stiftung warnt in einem Brief an über 600 europäische Politiker: "Die Solidarität mit schwerstkranken und sterbenden Menschen steht auf dem Spiel".

Dazu sagt die Bundesbeauftragte des HVD für Humanes Sterben, Gita Neumann: "Es gibt ja verschiedene Formen der aktiven Sterbehilfe - wie jetzt auch die deutschen Bischöfe indirekt zugegeben haben. Davon soll in unserem Entwurf - ähnlich wie in der Schweiz - lediglich die Tötung auf Verlangen unangetastet bleiben. Dies sind noch ganz neue Wege und Versuche, denn bisher ist man hierzulande gewohnt, dass Hilfe beim und zum Sterben angeblich im Gegensatz zur Palliativmedizinischen Versorgung stehen soll."

Quelle: PATIENTENVERFUEGUNG NEWSLETTER vom 25.1.2004

Gast

Gesetzliche Regelung überfällig !

Beitrag von Gast » 09.02.2004, 11:13

Neue dramatische Entwicklungen im Fall des Wachkomapatienten Peter K., der seit Jahren gegen seinen Willen in einem bayrischen Pflegeheim künstlich ernährt wird:
Wie mehrfach berichtet (siehe: http://www.patientenverfuegung.de/pv/aktuell.htm , Nachrichten vom 13.2.und 16.2. 2003), weigert sich das Pflegeheim ihn sterben zu lassen, obwohl der gesetzliche Betreuer von Peter K. (sein Vater) sowie sein behandelnder Arzt darüber volle Übereinstimmung erzielt haben. Das Amtsgericht hat korrekt festgestellt, dass unter diesen Umständen eine richterliche Genehmigung des Behandlungsabbruchs gar nicht erforderlich ist. Dennoch weigert sich das Pflegeheim, der ärztlichen Anweisung Folge zu leisten, bei Peter K. auf die Kalorienzufuhr zu verzichten und ihm stattdessen nur noch palliative Begleitung zuteil werden zu lassen. Vorgeschoben wird ein vermeintlicher "Ethikvorbehalt" der Pflegekräfte. Verfahren gab es diesbezüglich bereits vor dem Landgericht Traunstein und dem OLG München.

Nun ist nach jahrelangem Dauereinsatz die PEG-Sonde zur künstlichen Ernährung brüchig geworden und musste im Krankenhaus erneuert werden - ein vom Betreuer, also dem Vater, zustimmungspflichtiger neuer Eingriff. Dieser verweigerte folgerichtig und wie nicht anders zu erwarten seine Zustimmung dazu.
Das Pflegeheim lieferte Peter K. dennoch ins Krankenhaus ein und erwirkte beim zuständigen Amtsgericht, dass kurzfristig ein "Ergänzungsbetreuer" für Peter K. bestellt wurde. Dessen Aufgabe bestand ausschließlich darin, dem Eingriff zum Legen einer neuen PEG-Sonde zuzustimmen. Gegen den Willen des Betroffenen stellt dies eine rechtswidrige Körperverletzung dar, was zwar juristisch unumstritten ist, leider in der Praxis allerdings keine Konsequenzen hat.

Nicht nur dieser sich über Jahre hinziehende Streitfall zeigt, dass es keine Verfahrensregelungen in unserem Lande gibt, die ein natürliches, friedliches und palliativ-medizinisch begleitetes Sterben im Sinne des Patienten gewährleisten.
Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) fordert , in einem umfassenden Gesetz zu Patientenrechten und Sterbehilfe, hier klare zivil- und strafrechtliche Regelungen zu treffen. Die 10 Eckpunkte des HVD dazu siehe:
http://www.patientenverfuegung.de/pv/aktuell.htm vom 20. Sep. 2003.
Strafrechtlich geht es dem HVD nicht darum, die Tötung auf Verlangen erlauben zu wollen, sondern umgekehrt Eingriffe und fortlaufende medizinische Maßnahmen gegen den Willen des Patienten als Körperverletzung mit Strafe zu bedrohen. An einer staatsanwaltschaftlichen Verfolgung solcher Delikte besteht ohne Frage ein öffentliches Interesse. Denn anders ist nicht zu gewährleisten, dass Ärzte und Pflegeeinrichtungen einem Abwehrrecht des Patienten Folge leisten m ü s s e n .

Betreuer, Pflegekräfte und Ärzte müssten darüber hinaus zivilrechtlich verpflichtet werden, sich bei Entscheidungen über Behandlungsmaßnahmen ausschließlich am fortwirkenden Willen eines inzwischen einwilligungsunfähigen Schwerstkranken zu orientieren, v. a. wenn dies konkret in einer Patientenverfügung niedergelegt wurde. Andenfalls, etwa bei eigenen ethischen Bedenken dagegen, müssten sie selbst dafür Sorge tragen, diese Aufgabe anderen Kolleg/inn/en zu übertragen.

Der - nunmehr wieder alleinige - Betreuer von Peter K. hat Anzeige erstattet gegen den kurzfristigen "Ergänzungsbetreuer", der entgegen dem Willen seines Sohnes die weitere künstliche Ernährung ermöglicht hat. Vertreten wird er von der Kanzlei Putz und Steldinger aus München.
(Quelle: mündliche Schilderung von RA Putz mit ausdrücklicher Genehmigung für die Publikation in diesem Newsletter, die entsprechende Presseerklärung der Kanzlei folgt)

Quelle: PATIENTENVERFUEGUNG NEWSLETTER vom 9.2.2004

WernerSchell
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10 Eckpunkte zu Patientenschutz und -autonomie

Beitrag von WernerSchell » 20.02.2004, 20:35

Die „Eckpunkte am Ende des Lebens“ sind in dieser Homepage http://www.gesetzeskunde.de vorgestellt wurden.

Siehe unter:
Autonomie am Lebensende - Humanistischer Verband Deutschlands (HBV) fordert gesetzliche Regelung
Presseinfo vom 20.09.2003 mit den Eckpunkten "Autonomie am Lebensende" im Anhang!

Adresse:
http://www.wernerschell.de/Rechtsalmana ... punkte.pdf
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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