Medikation und Verabreichungsform - Abklärung geboten!

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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WernerSchell
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Medikation und Verabreichungsform - Abklärung geboten!

Beitrag von WernerSchell » 19.11.2007, 17:54

Meine Mitteilung an eine Mailingliste (anonymisiert):

Herr .... schrieb u.a.:
....eine Pflegestation bittet mich um schriftliche Genehmigung, einem schwerst demenzkranken Betreuten Medikamente in gemörserter Form verabreichen zu dürfen (ins Essen). Kommunikation ist mit dem Betreuten nicht mehr möglich. Es handelt sich primär um antivirale Medikamente aber auch um Neuroleptika (SEROQUEL regelmäßig; DIAZEPAM bei Bedarf, sehr selten). - Was muss ich dabei beachten?

Sehr geehrter Herr ....,

meine Hinweise in Kurzform:

1. Der behandelnde Arzt muss aufgrund des konkretes Krankheitsbildes die Medikation eindeutig für erforderlich erachten und Ihnen erläutern ( = Aufklärungspflicht). Der Rechtliche Betreuer entscheidet dann - und niemand anders (dabei wurde unterstellt, dass der Betroffene nicht mehr selbst einwilligungsfähig ist). Ich würde auf jeden Fall abklären, inwieweit die Verabreichung der Medikamente wirklich geboten ist und ob es nicht Alternativen gibt. Weiter würde ich nach möglichen Nebenwirkungnen fragen ( siehe auch unter viewtopic.php?t=6752 mit weiteren Hinweisen). Die therapeutische Nützlichkeit muss im Vordergrund stehen. Es muss ausgeschlossen werden, dass es sich etwa um eine "Wunschmedikation" des Pflegedienstes in Richtung "pflegeerleichternde Maßnahme" handelt.

2. Der behandelnde Arzt muss auf jeden Fall (auf Befragen) bestätigen, dass die vorgesehene Verabreichungsform pharmakologisch / medizinisch erforderlich ist und insoweit keine Ausschließungsgründe bestehen. Medikamente werden meist in einer bestimmten Darreichungsform angeboten, und das macht Sinn. Ggf. sollte über eine Apotheke für eine zweifelsfreie Abklärung gesorgt werden. Der Rechtliche Betreuer (ohne pharmakolische medizinische Kenntnisse) kann m.E. mangels entsprechender Kompetenz nicht ohne entsprechende Aufklärung darüber befinden, dass Medikamente (in Abweichung von der üblichen Verabreichungsform nach Beipackzettel) gemörsert werden.
3. Eine Bedarfsmedikation erfordert eine exakte Beschreibung über die Anwendung des Präparates. Liegt eine solche konkrete Beschreibung nicht vor, ist die Bedarfsmedikation nicht zulässig, weil sie Pflegekräfte veranlassen müsste, in eine Diagnosestellung einzutreten - und das ist rechtswidrig. Bedarfsmedikationen sollten überhaupt weitgehend vermieden werden!
4. Soweit nicht eine besondere Gefahr im Sinne von § 1904 BGB vorliegt, halte ich die Einschaltung des Vormundschaftsgerichtes für nicht erforderlich.

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell
http://www.wernerschell.de - http://www.pflege-shv.de
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Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
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