Fixierungen ohne ausreichende Anhörungen - Rechtsbeugung

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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Fixierungen ohne ausreichende Anhörungen - Rechtsbeugung

Beitrag von Service » 24.05.2007, 09:02

Fixierungen ohne ausreichende Anhörungen - Rechtsbeugung

Richter in Untersuchungshaft
Ein ehemaliger Richter am Amtsgericht Nürtingen sitzt in Untersuchungshaft. Ihm wird Rechtsbeugung vorgeworfen


Die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Stuttgart:

In dem Ermittlungsverfahren gegen einen Amtsrichter im Bezirk des Landgerichts Stuttgart hat die Staatsanwaltschaft den Erlass eines Haftbefehls gegen den Richter beantragt. Nach Auswertung der von dem Richter bearbeiteten Betreuungsakten hat sich der Verdacht einer Vielzahl weiterer Fälle der Rechtsbeugung in den Jahren 2004 bis 2006 ergeben. Der zuständige Haftrichter hat den Haftbefehl erlassen und in Vollzug gesetzt.

Dem beschuldigten Richter wird nach derzeitigem Ermittlungsstand vorgeworfen, als Vormundschaftsrichter für betreute, in Senioren und Pflegeheimen befindliche Personen freiheitsentziehende Maßnahmen ohne die gesetzlich erforderliche Anhörung angeordnet zu haben. In der Mehrzahl der Fälle soll er durch Protokolle in den Akten eine Anhörung fingiert haben. Teilweise waren die Betroffenen zum Zeitpunkt der angeblichen Anhörung jedoch bereits verstorben. Teilweise konnten die in den Protokollen als anwesend vermerkten Personen ausschließen, dass sie bei der behaupteten Anhörung dabei gewesen waren. In einigen Fällen sind gar keine Anhörungsprotokolle in den Akten vorhanden.

Der beschuldigte Amtsrichter bestreitet die Vorwürfe. Das Strafgesetzbuch sieht für Rechtsbeugung eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr vor. Die Staatsanwaltschaft geht aufgrund der zu erwartenden Strafe und bestehender Auslandsverbindungen des Beschuldigten von Fluchtgefahr aus. Der Richter wurde in ein Justizvollzugskrankenhaus gebracht.

Quelle und weitere Informationen:
http://www.lawblog.de/index.php/archive ... chungshaft

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Fixierung im Pflegeheim ...

Beitrag von PflegeCologne » 30.09.2008, 07:36

Aus Forum:
Fixierung im Pflegeheim ...
viewtopic.php?t=9920

Report Mainz hat hier einen Fall aufgegriffen, der sicherlich sehr außergewöhnlich ist. Siehe dazu im Forum:

Richter in Untersuchungshaft
Ein ehemaliger Richter am Amtsgericht Nürtingen sitzt in Untersuchungshaft. Ihm wird Rechtsbeugung vorgeworfen.
viewtopic.php?t=6594&highlight=amtsrichter

Wir fällt dabei ein, dass der Richter doch nicht allein an den Vorgängen beteiligt war. Zunächst werden doch von Ärzten Fixierungsmaßnahmen für erforderlich erachtet. Dann müssen Betreuer zustimmen. Erst dann kommen die Fälle zum Gericht.
Also: Wenn es etwas zu beanstanden gibt, zuviele Fixierungen usw., dann sind die Hauptverantwortlichen bereits vor der Einschaltung des Gerichts in Aktion getreten. Wer zieht diese Leute zur Rechenschaft?

PflegeCologne
Alzheimer - eine Krankheit, die mehr Aufmerksamkeit erfordert! - Pflegesystem muss dem angepasst werden, auch, wenn es teurer wird! - Ich bin dabei:
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Fixierung im Pflegeheim - Beugen Richter Recht?

Beitrag von WernerSchell » 03.10.2008, 07:00

Die Manuskripte und Videos von REPORT MAINZ vom 29.09.2008 sind online verfügbar; auch der Beitrag zu:

Fixierung im Pflegeheim - Beugen Richter Recht?
http://www.swr.de/report/-/id=233454/ni ... index.html

Es geht um ein Verfahren gegen die Amtsrichter Michael Irmler!
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Fixierung im Pflegeheim - Beugen Richter Recht?

Beitrag von WernerSchell » 04.10.2008, 06:54

Textübernahme aus Forum:
viewtopic.php?t=9959

Fixierung im Pflegeheim - Beugen Richter Recht?

Siehe dazu die Beiträge unter
Fixierung im Pflegeheim ... TV-Tipp
viewtopic.php?t=9920

Dazu u.a. eine Erklärung:

In einer Mailingliste habe ich zu dem Report-Mainz-Beitrag angemerkt:

....
meine Zustimmung zum Beitrag von Report Mainz über die Rechtsbeugung eines Vormundschaftsrichters hält sich in Grenzen. Dies vor allem deshalb, weil die Darstellung letztlich dazu benutzt wurde, für mehr Amtsrichter zu werben.

Dazu in Kürze ein Statement:

Dass der Richter Irmler offensichtlich zahlreiche Fehler gemacht bzw. Rechtsverstöße begangen hat, darf nicht beschönigt werden und gehört angeprangert. Bei einer Überforderung hätte er Überlastungsanzeigen schreiben sollen, so, wie wir das auch von Pflegekräften (u.a.) erwarten. Rechtsbeugung darf nie und nimmer die Lösung sein.
Ich trete aber dafür ein, dass wir die Pflege-Rahmenbedingungen in der Weise verändern, dass sich unterbringungsähnliche Maßnahmen (Fixierungen und sonstige Ruhigstellungen, z.B. durch Medikamente) weitgehend erübrigen. Dazu gibt es eigentlich genügend Vorschläge. Unzureichend ist aber, wie ich mehrfach aufzeigen konnte, die personelle Ausstattung in den Pflegeeinrichtungen. Insoweit muss es deutliche Verbesserungen geben. Denn sonst bleibt es bei so manchen Wünschen nach pflegeerleichternden Maßnahmen. - Menschliche Pflege braucht Menschen!
Im Übrigen frage ich mich, wer denn die vom Richter Irmler genehmigten freiheitsbeschränkenden Maßnahmen für notwendig befunden und vor Ort gebilligt hat? Wo sind die Fragen nach den Verantwortlichkeiten der (anordnenden) Ärzte und mitentscheidenden Betreuer. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen und die mitwirkenden Personen (Ärzte leitenden Pflegekräfte und Betreuer) ihre Pflichten sorgsam wahrnehmen, sind gerichtliche Genehmigungsverfahren - weil es nichts zu genehmigen gibt - nicht nötig Der Ruf nach mehr Richtern wäre dann entbehrlich....

Werner Schell
Zuletzt geändert von WernerSchell am 02.11.2008, 15:39, insgesamt 1-mal geändert.
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Wegen Rechtsbeugung vor Gericht

Beitrag von Gaby Modig » 19.10.2008, 09:25

Zum Amtsrichter Michael Irmler fand ich einen Artikel vom 10.10.2008:

Wegen Rechtsbeugung vor Gericht
Ein Amtsrichter versteht die Welt nicht mehr

http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/p ... icle_print
Pflegesystem verbessern - weg von der Minutenpflege. Mehr Pflegepersonal ist vonnöten!

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Rechtsbeugung durch Amtsrichter ?

Beitrag von Cicero » 19.10.2008, 14:26

Aus Forum:
viewtopic.php?t=10104

Zum Thema gibt es in diesem Vorwurf mehrere Beiträge:

Fixierung im Pflegeheim ... TV-Tipp 29.09.2008
viewtopic.php?t=9920

Fixierungen ohne ausreichende Anhörungen - Rechtsbeugung
viewtopic.php?t=6594

Fixierung im Pflegeheim - Beugen Richter Recht?
viewtopic.php?t=9959

Gut, dass darüber berichtet wird. Wichtig erscheint mir aber, darauf hinzuweisen, dass das unkorrekte Vorgehen bereits früher beginnt. Wer ordnet denn die Fixierung an und wer ist - möglicherweise rechtswidrig - daran beteiligt? Wenn weitgehend auf Fixierungen verzichtet würde, hätten wir die Amtsrichter überhaupt nicht nötig. Und diejenigen, die dann eventuell eingeschaltet werden müssen, hätten ausreichend Zeit für Anhörung und Entscheidung.

Cicero
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Im Gleichklang: Frieden - Ausgleich - Demokratie - und: "Die Menschenwürde ist unantastbar"!

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Die Fessel des Richters

Beitrag von Service » 27.10.2008, 15:32

Teure Schikane - Angriff auf Autonomie ist gescheitert

Der Gesetzesvorstoß, eine heute verbindlich geltende Patientenverfügung zu entwerten und dagegen hohe bürokratische Hürden zu errichten, wird immer massiver kritisiert. Er war vorige Woche federführend von Bosbach (CDU) zusammen mit Göhring-Eckardt und Künast (Grüne) sowie einzelnen Abgeordneten anderer Parteien unter dem irreführenden Titel "Selbstbestimmung stärken - Patientenwohl schützen" unternommen worden. Der Kern des Vorstoßes wird im Spiegel dieser Woche zutreffend mit dem Titel "Angriff auf die Autonomie" beschrieben.

Kommentare zum Entwurf von Bosbach u.a. im Spiegel:

Der Palliativmediziner Prof. Borasio: "Die letzte Lebensphase wird massiv verrechtlicht und damit entmenschlicht." Am absurdesten findet er die sie strikte Unterscheidung zwischen heilbaren und unheilbaren Krankheiten im neuen Gesetzentwurf. Medizinische Beratung sei sinnvoll, "Notarpflicht hingegen eine teure Schikane".

Bundesjustizministerin Zypries: "Wenn der eindeutige Wille der Menschen allein nicht zählt, sondern Bürokratie, Betreuer und Vormundschaftsgerichte zwingend eingeschaltet werden, dann schränkt dies das Selbstbestimmungsrecht massiv ein." "Die geltende Rechtslage stellt dieses Recht sicher, und ich will keine Verschlechterung."
Um stattdessen eine vernünftige gesetzliche Festschreibung der bestehenden Rechtslage zu erreichen, mahnt Zypries die Union. Sie soll sich an die Zusage halten, den Fraktionszwang aufzuheben. Es sei skurril, dass bisher kein einziger Abgeordneter der CDU/CSU dem von ihr favorisierten Entwurf von Stünker u.a. angeschlossen habe.
-----------------------

Bisher gibt es außerhalb der Initiatoren selbst (d. h. Bosbach und Mitstreiter/innen) keine einzige Stimme, die nicht zumindest an der Idee der notariellen Beurkundung Kritik geäußert hätte. (Die Kosten dafür sollten laut Bosbach bei Bedürftigkeit übrigens von den Kommunen übernommen werden ...). Man kann deshalb voraussagen, dass dieser Angriff auf die Patientenautonomie gescheitert ist.

Selbst der als konservativ geltende frühere Bundesjustizminister Schmidt-Jortzig hält im Ärzteblatt dagegen. Er kritisiert v. a. einen noch darüber hinausgehenden Passus im Entwurf von Bosbach u. a.: Danach soll der in einer PV ausgedrückte Wille selbst nach ärztlicher Beratung und notarieller Beurkundung dann immer noch nicht verbindlich sein, wenn der Wille in Unkenntnis der Möglichkeit späterer medizinischer Entwicklungen formuliert worden sei.
"Da diese Voraussetzung .von keinem Nichtfachmann je erfüllt werden könnte, wäre mit ihr ein Einfallstor für allfällige Zweifel an der Verfügungsverbindlichkeit gegeben", sagte Schmidt-Jortzig im Interview. "Neue Streitigkeiten" wären abzusehen.
Quelle: http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=34154

Die Fessel des Richters

Der von Bosbach u. a. vorgeschlagene Kontrollmechanismus, der quasi eine Regelüberprüfung des Sterbewunsches durch Vormundschaftsrichter vorsieht, sollte dringend mit der Überlastung dieser Berufsgruppe in der Praxis konfrontiert werden. Ein Schlaglicht auf die Situation bei schon bestehenden richterlichen Genehmigungspflichten wirft der folgende Beitrag:
<< Die Fesseln des Richters
700 Anfragen pro Jahr. Das war Amtsrichter Michael Irmler zu viel. Deshalb ließ er Bewohner von Pflegeheimen an die Betten fesseln, ohne die Notwendigkeit solcher "Fixierungen" nachzuprüfen. Jetzt steht er wegen Freiheitsberaubung vor Gericht. Und mit ihm ein unmenschliches System. ... >>
Weiter: http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/ ... 17,2644569

Quelle: PATIENTENVERFUEGUNG NEWSLETTER vom 27.10.2008

WernerSchell
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Freiheitsrechte konsequent beachten !

Beitrag von WernerSchell » 02.11.2008, 15:35

Freiheitsrechte konsequent beachten !

Zu meinem Statement (oben am 4.10.2008 eingestellt):

Dass der Richter Irmler offensichtlich zahlreiche Fehler gemacht bzw. Rechtsverstöße begangen hat, darf nicht beschönigt werden und gehört angeprangert. Bei einer Überforderung hätte er Überlastungsanzeigen schreiben sollen, so, wie wir das auch von Pflegekräften (u.a.) erwarten. Rechtsbeugung darf nie und nimmer die Lösung sein.
Ich trete aber dafür ein, dass wir die Pflege-Rahmenbedingungen in der Weise verändern, dass sich unterbringungsähnliche Maßnahmen (Fixierungen und sonstige Ruhigstellungen, z.B. durch Medikamente) weitgehend erübrigen. Dazu gibt es eigentlich genügend Vorschläge. Unzureichend ist aber, wie ich mehrfach aufzeigen konnte, die personelle Ausstattung in den Pflegeeinrichtungen. Insoweit muss es deutliche Verbesserungen geben. Denn sonst bleibt es bei so manchen Wünschen nach pflegeerleichternden Maßnahmen. - Menschliche Pflege braucht Menschen!
Im Übrigen frage ich mich, wer denn die vom Richter Irmler genehmigten freiheitsbeschränkenden Maßnahmen für notwendig befunden und vor Ort gebilligt hat? Wo sind die Fragen nach den Verantwortlichkeiten der (anordnenden) Ärzte und mitentscheidenden Betreuer. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen und die mitwirkenden Personen (Ärzte leitenden Pflegekräfte und Betreuer) ihre Pflichten sorgsam wahrnehmen, sind gerichtliche Genehmigungsverfahren - weil es nichts zu genehmigen gibt - nicht nötig Der Ruf nach mehr Richtern wäre dann entbehrlich....


gab es folgende Zuschrift - anonymisiert vorgestellt:

Zu Ihrem u.a. Statement kann ich Ihnen nicht beipflichten. Gestatten Sie mir eine Anmerkung.
Der Gesetzgeber hat als Gegengewicht zu praktischen Zwängen (meist finanzieller Art-Personalbudget) doch als Gewährleistung der Einhaltung der Art. 1-19 GG die höchste im Alltag umsetzbare Prüfungsinstanz dagegengesetzt. Ein Richter muss über die Einschränkung der Grundrechte wachen. Es kann doch nicht sein, dass ein Richter diesen Grundgedanken beiseite legt. Alle Richter (Juristen) müssen sich fragen lassen, warum sie nicht schon längst gegen diese Missstände protestierten.
In der Praxis ist es doch so, wenn JEDE Einrichtung jeden Verstoß nach der Frist einem Richter vorlegen würde, dann würde das System zusammenbrechen (Ich darf nur an die Medikation mit dem Ziel der „Beruhigung“/Eindämmung Fluchttendenz erinnern. Dies wäre für die Gerichte schlicht und ergreifend, so meine Einschätzung, nicht leistbar. Der Gesetzgeber kann doch nicht bei der schnell anflutenden Zahl von Dementen, Pflegebedürftigen, bald auch alte (ab Jg 1946) „Behinderte“, welche nicht mehr in Werkstätten betreut werden können darauf hoffen, dass die Pflegenden und Ärzte schon richtig entscheiden. Ich unterstelle, dass die meisten sich nach Kräften bemühen; doch steigt mit der Vehemenz des ökonomischen Zwanges auch die Gefahr, dass dieser über die Grundrechte (Schleichend) gestellt wird. Es ist doch eine bekannte Schwäche aller im Gesundheitswesen tätigen, daß es eine Tendenz dazu gibt, besser als der Betroffene (auch mutmaßlich), zu wissen was gut für ihn ist. Wenn jetzt Vorschläge diskutiert werden Langzeitarbeitslose auf Demenzkranke „loszulassen“, dann sehe ich um so mehr die Notwendigkeit staatlicher Fürsorge für die Schwachen und Wehrlosen. Und zwar direkt situations- und personenbezogen.
Herr Irmler hat meines Erachtens, falls die Vorwürfe zutreffen, den Grundgedanken dieser wichtigen Aufsichtspflicht eines Richters nicht gesehen bzw. verdrängt. Ich bin auf die Entscheidung des OLG und v.a. auf Ihre Auswirkung auf die Praxis gespannt. ...

Dazu habe ich heute, 2.11.2008, folgende Rückmeldung übermittelt:

Das Gesundheits- und Pflegesystem muss grundsätzlich so strukturiert sein, dass die geschaffenen Vorschriften, auch die der Verfassung und des Bürgerlichen Rechts, uneingeschränkt umgesetzt werden können. Insoweit gibt es erhebliche Mängel, die beseitigt werden müssen. Daher trete ich seit Jahren u.a. dafür ein, dass die Pflegeversicherung einen neuen ausgeweiteten Pflegebegriff erhält und im Gefolge dieser Veränderung eine deutliche Personalaufstockung erfolgt. Auch in den Krankenhäusern sind deutliche Personalaufstockungen notwendig. - Zuwendung ist nur durch Menschen möglich!

Dass die jüngste Pflegereform in diesem Sinne nichts wirklich verändert hat, muss beklagt werden. Allerdings habe ich nichts dagegen, wenn zusätzliche Betreuungshilfen eingestellt werden, die mit geringer Qualifizierung unterstützend wirken, aber selbst weder medizinisch noch pflegerisch tätig werden. Dass insoweit auch Arbeitslose bei Eignung Berücksichtigung finden können, halte ich für nicht beanstandungswürdig. Dazu habe ich mich auch klar geäußert.

Grundsätzlich muss erwartet werden können, dass freiheitsbeschränkende oder freiheitsentziehende Maßnahme wirklich als "ultima ratio" eingestuft werden. Es müssen immer (!) alle anderen Betreuungs- und Pflegemöglichkeiten ausgeschöpft werden. Wenn dies geschieht, werden eingreifendere Maßnahmen der hier beschriebenen Art weitgehend unterbleiben können. Daran müssen auf jeden Fall alle Beteiligten arbeiten. In diesem Sinne gibt es bereits vereinzelte Fortschritte mit dem Ergebnis, dass z.B. in einigen Einrichtungen nicht mehr fixiert wird.

Wenn sich solche Praktiken überall durchsetzen ließen, könnten wir auf die meisten Eingriffsmaßnahmen verzichten und die Gerichte hätten mehr Zeit für andere Aufgaben. Dabei denke ich auch an eine sorgfältigere Auswahl bei der Betreuung und und Aufsicht der eingesetzten Rechtsvertreter. Ich werde fast täglich mit Beschwerden, die genau in diese Richtung gehen, befasst.

Gleichwohl ist mir bekannt, dass in Kommentierungen zum Betreuungsrecht immer noch von bis zu. 400.000 freiheitsbeschränkenden Maßnahmen / Tag gesprochen wird. Davon wird noch ein kleiner Teil bei den Gerichten bekannt. Dies gehört offen diskutiert, hinterfragt und abgestellt! Aber leider finden solche Themen, besonders in den Medien, wenig Beachtung. Es werden vereinzelt Skandale präsentiert und damit erledigt. Börsennachrichten gibt es jeden Tag vor der Tagesschau, Trendmeldungen aus dem Gesundheits- und Pflegesystem findet man in dieser Weise nicht. Auch die Lokalpresse spielt bei der Pflegeberichterstattung kaum mit. Es stehen dem offensichtlich auch werbliche Interessen entgegen.

Die Interessenlosigkeit mancher Zeitgenossen an wirklichen Veränderungen zu Gunsten alter Menschen zeigt sich auch dadurch, dass z.B. der Landesgesetzgeber in NRW nicht bereit ist, die "Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen" für verbindlich zu erklären. Wie Sie sicherlich gelesen haben, ist insoweit von mir eine Aktion gestartet worden, die Landespolitiker in NRW mobil zu machen (siehe unten).

Wir müssen uns alle deutlicher für wirkliche Verbesserungen im Gesundheits- und Pflegesystem einsetzen. Im nächsten Jahr ist übrigens Bundestagswahl, so dass für Bürgerinitiativen Aufmerksamkeit anzunehmen ist. In diesem Sinne wird auch mein Pflegetreff am 17.02.2009 hier in Neuss-Erfttal ablaufen.


Statement von "Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk" zum geplanten Heimrecht in Nordrhein-Westfalen:
"Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen" verbindlich machen!
Pressemitteilung vom 29.10.2008 hier!
http://www.wernerschell.de/ProPflege/be ... tement.htm
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
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Nürtinger Betreuungsrichter zu Haftstrafe verurteilt

Beitrag von WernerSchell » 15.11.2008, 07:33

Nürtinger Betreuungsrichter zu Haftstrafe verurteilt

Kurzbeschreibung:

Die 16. große Strafkammer des Landgerichts Stuttgart hat heute am siebten Verhandlungstag den vom Dienst suspendierten Amtsrichter wegen Rechtsbeugung in 54 Fällen, davon in 7 Fällen versucht, zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt.

Am 10. Oktober 2007 hatte die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen den zuvor in einem Betreuungsreferat tätigen Vormundschaftsrichter Anklage zum Landgericht erhoben.

Die 16. große Strafkammer hat unter dem Vorsitz der Vorsitzenden Richterin am Landgericht Helga Müller 27 Zeugen und einen psychiatrischen Sachverständigen vernommen. Sie ist zu der Überzeugung gelangt, dass der voll schuldfähige Angeklagte im Zeitraum von März 2003 bis November 2006 ohne eine persönliche Anhörung der in einem Heim untergebrachten, betreuungsbedürftigen Personen durchgeführt oder sich einen unmittelbaren Eindruck von den Betroffenen verschafft zu haben, freiheitsentziehende Maßnahmen, wie die Anbringung von Bettgittern und Fixierungen, genehmigte. In einem Fall brachte er zudem einen Betreuten in einer geschlossenen Einrichtung unter, ohne das vorgeschriebene Sachverständigengutachten einzuholen. In allen 54 Fällen täuschte er mit fingierten Anhörungsprotokollen eine Anhörung vor. Zum überwiegenden Teil wurden die Beschlüsse in den Pflegeheimen vollzogen, sieben Betroffene waren jedoch zum Zeitpunkt der angeblichen Anhörung bereits verstorben.

Der Angeklagte hat den ihm zur Last gelegten Vorwurf der Rechtsbeugung bis zuletzt bestritten. Er vertritt die Meinung, sich durchweg korrekt verhalten zu haben. So habe er jedenfalls in einigen Fällen die Anhörung tatsächlich durchgeführt. Im Übrigen sei den gesetzlichen Vorschriften aus seiner Sicht bereits genüge getan worden, wenn er sich einen mittelbaren Eindruck von den Betroffenen durch Gespräche mit dem Pflegepersonal vor Ort und durch Einsicht in die Pflegeakten verschafft habe.

Die Vorsitzende Helga Müller hat in ihrer Urteilsbegründung darauf hingewiesen, dass sich der Angeklagte dadurch, dass er nach dem Ergebnis der umfangreichen Beweisaufnahme die vorgeschriebenen Anhörungen unterließ und sich auch anderweitig keinen persönlichen unmittelbaren Eindruck von den Betroffenen verschafft hat, bewusst und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt habe. Der persönliche Kontakt zwischen dem Betreuten und dem Vormundschaftrichter sei eines der wichtigsten Anliegen des Betreuungsrechts. Ein solcher könne gerade nicht durch die Anhörung des möglicherweise anderweitige Interessen verfolgenden Pflegepersonals ersetzt werden. Die ihm vorgeworfenen Rechtsbrüche habe der Angeklagte in Kenntnis der Vorschriften bewusst begangen, um sich die Arbeit zu erleichtern und um mehr freie Zeit für sich und seine Familie zur Verfügung zu haben. Die konkrete Gefahr eines Nachteils für die Betroffenen habe er dabei billigend in Kauf genommen.

Da der Angeklagte wegen einer Vielzahl von Straftaten verurteilt wurde, die jeweils mit einer Mindeststrafe von einem Jahr bedroht sind, kam die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe, die noch zur Bewährung hätte ausgesetzt werden können, nicht in Betracht.

Nach den einschlägigen Vorschriften endet das Dienstverhältnis eines Richters, der wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde, mit Rechtskraft des Urteils. Zeitgleich entfallen die Ansprüche auf Dienstbezüge. Auch bei den Versorgungsansprüchen hat der ausgeschiedene Richter mit deutlichen Einbußen zu rechnen.

Urteil vom 14.11.2008 - 16 KLs 180 Js 10961/06 -

Eva Bezold, stellv. Pressesprecherin in Strafsachen

Quelle: Pressemitteilung vom 14.11.2008
http://www.lgstuttgart.de/servlet/PB/me ... OT=1169294

Vorschriften:

§ 339 StGB: Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren bestraft.

§ 1906 BGB: (1) Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen Schaden zufügt. … (2) Die Unterbringung ist nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zulässig. … (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend, wenn dem Betreuten, der sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, ohne untergebracht zu sein, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll.

§ 70c FGG: Vor einer Unterbringungsmaßnahme hat das Gericht den Betroffenen persönlich anzuhören und sich einen unmittelbaren Eindruck von ihm zu verschaffen…S.5: im Übrigen gilt § 68 Abs.1 S.5, Abs.2 bis 5 entsprechend..

§ 68 Abs.2 FGG: Die persönliche Anhörung des Betroffenen kann unterbleiben, wenn......der Betroffene nach dem unmittelbaren Eindruck des Gerichts offensichtlich nicht in der Lage ist, seinen Willen kundzutun.

§ 70e FGG: Vor einer Unterbringungsmaßnahme … hat das Gericht das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen, der den Betroffenen persönlich zu untersuchen oder zu befragen hat. Der Sachverständige soll in der Regel Arzt der Psychiatrie sein … Für eine … [Maßnahme nach § 1906 Abs.4 BGB] … genügt ein ärztliches Attest.
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Rechtsbeugung eines Richters

Beitrag von WernerSchell » 18.11.2008, 11:37

Rechtsbeugung eines Richters im Forum:

Nürtinger Betreuungsrichter zu Haftstrafe verurteilt
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Fixierung im Pflegeheim ... TV-Tipp 29.09.2008
viewtopic.php?t=9920
Fixierungen ohne ausreichende Anhörungen - Rechtsbeugung
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Fixierung im Pflegeheim - Beugen Richter Recht?
viewtopic.php?t=9959

Aktuelles Statement:

Das Gesundheits- und Pflegesystem muss grundsätzlich so strukturiert sein, dass die geschaffenen Vorschriften, auch die der Verfassung und des Bürgerlichen Rechts, uneingeschränkt umgesetzt werden können. Insoweit gibt es erhebliche Mängel, die beseitigt werden müssen. Daher trete ich seit Jahren u.a. dafür ein, dass die Pflegeversicherung einen neuen ausgeweiteten Pflegebegriff erhält und im Gefolge dieser Veränderung eine deutliche Personalaufstockung erfolgt. Auch in den Krankenhäusern sind deutliche Personalaufstockungen notwendig. - Zuwendung ist nur durch Menschen möglich!

Dass die jüngste Pflegereform in diesem Sinne nichts wirklich verändert hat, muss beklagt werden. Allerdings habe ich nichts dagegen, wenn zusätzliche Betreuungshilfen eingestellt werden, die mit geringer Qualifizierung unterstützend wirken, aber selbst weder medizinisch noch pflegerisch tätig werden. Dass insoweit auch Arbeitslose bei Eignung Berücksichtigung finden können, halte ich für nicht beanstandungswürdig. Dazu habe ich mich auch klar geäußert.

Grundsätzlich muss erwartet werden können, dass freiheitsbeschränkende oder freiheitsentziehende Maßnahme wirklich als "ultima ratio" eingestuft werden. Es müssen immer (!) alle anderen Betreuungs- und Pflegemöglichkeiten ausgeschöpft werden. Wenn dies geschieht, werden eingreifendere Maßnahmen der hier beschriebenen Art weitgehend unterbleiben können. Daran müssen auf jeden Fall alle Beteiligten arbeiten. In diesem Sinne gibt es bereits vereinzelte Fortschritte mit dem Ergebnis, dass z.B. in einigen Einrichtungen nicht mehr fixiert wird.

Wenn sich solche Praktiken überall durchsetzen ließen, könnten wir auf die meisten Eingriffsmaßnahmen verzichten und die Gerichte hätten mehr Zeit für andere Aufgaben. Dabei denke ich auch an eine sorgfältigere Auswahl bei der Betreuung und und Aufsicht der eingesetzten Rechtsvertreter. Ich werde fast täglich mit Beschwerden, die genau in diese Richtung gehen, befasst.

Gleichwohl ist mir bekannt, dass in Kommentierungen zum Betreuungsrecht immer noch von bis zu. 400.000 freiheitsbeschränkenden Maßnahmen / Tag gesprochen wird. Davon wird noch ein kleiner Teil bei den Gerichten bekannt. Dies gehört offen diskutiert, hinterfragt und abgestellt! Aber leider finden solche Themen, besonders in den Medien, wenig Beachtung. Es werden vereinzelt Skandale präsentiert und damit erledigt. Börsennachrichten gibt es jeden Tag vor der Tagesschau, Trendmeldungen aus dem Gesundheits- und Pflegesystem findet man in dieser Weise nicht. Auch die Lokalpresse spielt bei der Pflegeberichterstattung kaum mit. Es stehen dem offensichtlich auch werbliche Interessen entgegen.

Die Interessenlosigkeit mancher Zeitgenossen an wirklichen Veränderungen zu Gunsten alter Menschen zeigt sich auch dadurch, dass z.B. der Landesgesetzgeber in NRW nicht bereit ist, die "Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen" für verbindlich zu erklären.

Zum Fall Richter Irmler ist zu sagen:

Dass der Richter Irmler offensichtlich zahlreiche Fehler gemacht bzw. Rechtsverstöße begangen hat, darf nicht beschönigt werden und gehört angeprangert. Die verhängte Strafe war folgerichtig. Bei einer Überforderung hätte der Richter Überlastungsanzeigen schreiben sollen, so, wie wir das auch von Pflegekräften (u.a.) erwarten. Rechtsbeugung darf nie und nimmer die Lösung sein.

Ich trete aber dafür ein, dass wir die Pflege-Rahmenbedingungen in der Weise verändern, dass sich unterbringungsähnliche Maßnahmen (Fixierungen und sonstige Ruhigstellungen, z.B. durch Medikamente) weitgehend erübrigen. Dazu gibt es eigentlich genügend Vorschläge. Unzureichend ist aber, wie ich mehrfach aufzeigen konnte, die personelle Ausstattung in den Pflegeeinrichtungen. Insoweit muss es deutliche Verbesserungen geben. Denn sonst bleibt es bei so manchen Wünschen nach pflegeerleichternden Maßnahmen.

Im Übrigen frage ich mich, wer denn die vom Richter Irmler genehmigten freiheitsbeschränkenden Maßnahmen für notwendig befunden und vor Ort gebilligt hat? Wo sind die Fragen nach den Verantwortlichkeiten der (anordnenden) Ärzte und mitentscheidenden Betreuer. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen und die mitwirkenden Personen (Ärzte leitenden Pflegekräfte und Betreuer) ihre Pflichten sorgsam wahrnehmen, sind gerichtliche Genehmigungsverfahren - weil es nichts zu genehmigen gibt - nicht nötig Der Ruf nach mehr Richtern wäre dann entbehrlich.
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Personalnot in den Heimen

Beitrag von WernerSchell » 18.11.2008, 14:49

Textübernahme aus
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Sehr geehrter Herr Schell,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich stimme Ihnen ganz überwiegend in Ihrem Statement und all dem dort gesagten zu, dennoch möchte ich zu bedenken geben, dass die ewige (und sicherlich zurecht geführte) Personaldiskussion auch nicht die Lösung des Rätsels an sich sein kann und wird.
Eher bin ich davon überzeugt, dass es erster Schritt sein muss die tatsächliche Pflegerealität in Deutschland doch bitte endlich einmal zur Kenntnis zu nehmen:
Ausreichend oft und auch ausreichend wissenschaftlich belegt ist inzwischen nun die Tatsache, das Pflegebedürftige in Deutschland nicht überwiegend in stationären Einrichtungen gepflegt werden.

Es ist entgegen gebetsmühlenartiger Darstellung von Lobbyisten und Berufsverbänden in Deutschland noch immer so, dass die ganz überwiegende Mehrheit von Pflegebedürftigen ( tatsächlich 70 von 100) in ihrer Häuslichkeit durch Angehörige, Nachbarn und Freunde in Zusammenarbeit mit ambulanten Pflegediensten (oder auch nicht) oder teilstationären Einrichtungen wie die der Tagespflege gepflegt werden
Insofern ist kaum bis gar nicht die tatsächliche Pflegesituation in der Öffentlichkeit wieder gegeben und wenn denn die Rede von Pflege ist ist es zumeist die stationäre Pflege in Heimen, die nachgewiesener Maßen tatsächlich den geringsten Teil von Pflege in Deutschland ausmacht. Das sind und bleiben nun einmal Fakten die sich nicht vom Tisch wischen lasen.
Verbesserung von Rahmenbedingungen muss also an den tatsächlichen Bedürfnissen des Pflegebdürftigen und nicht an den immer steigenden Wünschen einer in der Minderheit befindlichen Pflegeform gemessen werden!!!
Eine Änderung der Zustände (wenn man diese denn tatsächlich will) muss somit an der Änderung der Rahmenbedingungen zur häuslichen Pflege ansetzen und nicht den Trend zur Institutionaliesierung unterstützen.
Mir persönlich ist nicht ein Pflegehaushalt bekannt indem überhaupt Mittel zur mechanischen Fixierung vorhanden sind und jeder Pflegebedürftige der nicht in ein Heim geht entlastet ganz objektiv die Heimversorgung. Allerdings steht dies natürlich entgegen den wirtschaftlichen Interessen der Heimbetereiber die sich nun einmal auf einem Markt zu behaupten behaben der nicht an den Bedürfnissen des Kunden orientiert ist.
Man wird in Deutschland noch so tolle Bewertungssysteme und ähnliches für Heime einrichten und Geld verbrennen oder die wirtschaftlichen Grundlagen vermeindlicher "Interessenvertretungen" sichern können, wenn man sich nicht an dem tatsächlich vorhandenen Wunsch zu Hause gepflegt zu werden orientiert.
Mir ist völlig unplausibel weshalb in anderen europäischen Ländern Einrichtungen wie unsere Heime zur Sicherung einer qualitativ hochwertigen Sicherstellung von Pflege gar nicht bekannt sind, aber ausgrechnet in Deutschland uns eingeredet werden soll das wir diese unbedingt bräuchten.
Alles Andere halte ich für eine Anpassung des Pflegebedürftigen an vorhandene Strukturen was Sinn und Zweck der Pflege einschließlich von der Pflegeindustrie selbst geprädigter Prinzipien zuwider läuft.
Gerd Fröhlich-Rockmann

Antwort:
Sehr geehrter Herr Fröhlich-Rockmann,
die hier geführte Diskussion betr. Rechtsbeugung eines Richters bezog sich allein auf die stationäre Pflege. In diesem Pflegebereich gibt es eindeutig eine Personalnot. Wenn es dort keine personelle Verstärkung gibt, können Mangelsituation, z.B. Fixierungen, zuviel Psychopharmka, Mangelernährung, kaum minimiert werden.
MfG Werner Schell
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WernerSchell
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Personalnot der Heime

Beitrag von WernerSchell » 19.11.2008, 07:03

Textübernahme aus
posting.php?mode=editpost&p=38988

Sehr geehrter Herr Schell,

die Personalnot in Heimen werde ich nicht bestreiten, jedoch hat auch diese zwei Ebenen: Die Eine ist das zu wenig vorhandene Personal und die Andere wohl die zu hohe Anzahl der Heimbewohner.
Somit kann man also entweder das Personal erhöhen oder aber die Anzahl der Bewohner zur Entspannung der Situation senken.
Die Einschränkung von Grundrechten (ob nun mit oder ohne Inanspruchnahme von Richtern) kann und will ich jedoch auf keinen Fall als geeignete Maßnahme akzeptieren.
Sowohl das Personal in Heimen als auch Richter kennen wohl Systeme die eine Überlastung anzeigen nur muss eben von den Überlasteten auch von diesen Regularien gebrauch gemacht werden.

Mit freundlichen Grüßen
Gerd Fröhlich-Rockmann
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Gaby Modig
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Strukturreformen notwendig

Beitrag von Gaby Modig » 19.11.2008, 07:13

Hallo,
die hier beschriebene Rechtssituatuion muss anhand der vorhandenen Sachlage beurteilt werden. Danach gibt es zweifelsfrei eine gravierende Personalnot in den Heimen. Menschen können nur durch Menschen gepflegt werden!
Richtig ist, dass überfordertes Personal durch Überlastungsanzeigen reagieren muss. Dazu gibt es gerade hier im Forum immer wieder Vorschläge. Auch der hier in Rede stehende Richter hätte eine Überlastungsanzeige abgeben müssen.
Eine andere Frage ist, ob endlich das Prinzip "ambulant vor stationär" zur Geltung gebracht wird. Insoweit muss es strukturelle Reformen geben. Im Übrigen ist zu bedenken, dass immer mehr Menschen in eine Schwerstpflegebedürftigkeit hineinwachsen, die in der häuslichen Versorgung - trotz bester Vorsätze und weiterer Hilfen - nicht mehr aufgefangen werden kann, aus vielerlei Gründen.
MfG
Gaby
Pflegesystem verbessern - weg von der Minutenpflege. Mehr Pflegepersonal ist vonnöten!

Lutz Barth
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Tatbestand ist hinreichend klar!

Beitrag von Lutz Barth » 19.11.2008, 08:00

Unabhängig von irgendwelchen Personalnöten oder überfordertem Personal kann kein Zweifel daran aufkommen, dass die Verwirklichung des Tatbestandes der Rechtsbeugung in der Gänze nicht "entschuldbar" ist.
Der rechtssuchende Bürger hat einen Anspruch darauf, dass seine Rechte in einem ordentlichen rechtsförmigen Verfahren gewahrt bleiben.

Sofern dann Richter in der Folge überfordert sind, sollten diese Konsequenzen ziehen, bevor diese meinen, dass Recht beugen zu müssen.

Mfg.
L. Barth
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

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Umgang mit Mängeln in Pflegeeinrichtungen - Buchtipp

Beitrag von WernerSchell » 14.02.2016, 07:42

Was sollten Pflegekräfte tun, wenn sie merken, dass die Pflege nicht mehr optimal gewährleistet werden kann? Welche Möglichkeiten bestehen,
um korrekt auf Mängel aufmerksam zu machen, ohne dabei persönliche Nachteile (z.B. Rüge, Abmahnung, Kündigung) erfahren zu müssen? Das Buch
"100 Fragen zum Umgang mit Mängeln in Pflegeeinrichtungen" informiert zur Rechtslage. Weil es hier in jüngster Zeit hier zahlreiche Anfragen
(per Telefon bzw. E-Mail) von Pflegekräften gegeben hat, wird auf die Veröffentlichung aufmerksam gemacht wird
> viewtopic.php?f=5&t=21519
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https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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