Obhutspflichten / Verkehrssicherungspflichten im Heim
OLG Koblenz, Beschluss vom 17.06.2013, 3 U 240/13
Hinweis: Der Beschluss der Vorinstanz LG Koblenz - 6 O 70/11 - ist rechtskräftig durch Rücknahme der Berufung.
Leitsätze:
1. Bei einem Heimvertrag werden Obhutspflichten und inhaltsgleiche allgemeine Verkehrssicherungspflichten zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Bewohner begründet, die sie vor Schädigungen wegen Krankheit oder einer sonstigen körperlichen oder geistigen Einschränkung durch sie selbst und durch die Einrichtung und bauliche Gestaltung des Altenheims schützen sollen. Diese Pflicht ist allerdings beschränkt auf das Erforderliche und das für die Heimbewohner und das Pflegepersonal Zumutbare. Dabei ist insbesondere auch zu beachten, dass beim Wohnen in einem Heim die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bewohner vor Beeinträchtigungen zu schützen und die Selbstständigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung der Bewohner zu wahren und zu fördern sind (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HeimG; in Anknüpfung an BGH, Urteil vom 28. April 2005 - III ZR 399/04 - Z 163, 53 ff.; vgl. auch OLG Koblenz, Urteil vom 21. März 2002 - 5 U 1648/01 - NJW-RR 2002, 867 ;OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Juli 2010, 24 U 16/10).
2. Welchen konkreten Inhalt die Verpflichtung hat, einerseits die Menschenwürde und das Freiheitsrecht eines alten und kranken Menschen zu achten und andererseits sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit zu schützen, kann nur aufgrund einer sorgfältigen Abwägung sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden. Dabei verbleibt hinsichtlich der zu treffenden Entscheidungen sowohl für das Pflegepersonal eines Altenheims, als auch für Betreuer, Vorsorgebevollmächtigte und Familienangehörige ein Beurteilungsspielraum. Wird eine Entscheidung im Rahmen des Vertretbaren getroffen, kann sie nicht im Nachhinein mit dem Stempel der Pflichtwidrigkeit versehen werden, wenn es zu einem Unfall kommt.
3. Ein Heimbetreiber ist nicht von sich aus verpflichtet, einen Antrag auf Genehmigung einer Fixierung zu stellen oder einen Arzt einzuschalten, um prüfen zu lassen, welche Fixierungsmaßnahmen aus medizinischer Sicht indiziert sind. Er kann nach einer Benachrichtigung des Vorsorgebevollmächtigten zunächst abwarten, ob dieser sich nach sorgfältiger Abwägung aller Umstände dafür entscheidet, freiheitsentziehende Maßnahmen zu ergreifen und das Notwendige veranlasst (vgl. KG, Urteil vom 25. Mai 2004, 14 U 37/03). (amtlicher Leitsatz)
4. Befindet sich ein Heimbewohner nicht krankheitsbedingt permanent in einer Gefahrenlage, ist er zur Vermeidung eines Sturzes im normalen Tagesablauf nicht ständig zu fixieren oder ununterbrochen zu bewachen.
Die Entscheidung ist wie folgt abrufbar:
http://www3.mjv.rlp.de/rechtspr/Display ... 3D7E8FF511}
Obhutspflichten / Verkehrssicherungspflichten im Heim
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