Lauf und Hemmung der Verjährung im Arzthaftungsrecht

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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Lauf und Hemmung der Verjährung im Arzthaftungsrecht

Beitrag von Presse » 15.07.2012, 14:55

Zum Lauf und zur Hemmung der Verjährung im Arzthaftungsrecht
§§ 195, 199 Abs. 1, 203 BGB


Urteil des OLG Jena vom 05.06.2012 - 4 U 159/11 -

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Leitsätze :
1. Deliktische Ansprüche aus § 823 BGB verjähren innerhalb von drei Jahren (§ 195 BGB). Die(se) regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Geschädigte Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schädigers erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste (§ 199 Abs. 1 BGB).
2. Im Arzthaftungsrecht gilt für die Kenntnis vom Behandlungsfehler als Haftungsgrund und damit den Beginn des Laufs der Verjährung folgendes:
(Behandlungsfehler)
Die Kenntnis vom Misserfolg oder einer Behandlungskomplikation reicht allein noch nicht für die Kenntnis eines haftungsrelevanten Behandlungs-fehlers aus. Dem Patienten müssen vielmehr diejenigen Behandlungstatsachen positiv bekannt geworden sein, die – im Blick auf den Behandlungsfehler – ein ärztliches Fehlverhalten und – im Blick auf die Schadenskausalität – eine ursächliche Verknüpfung der Schadensfolge mit dem Behandlungsfehler bei objektiver Betrachtung nahelegen; medizinische Detailkenntnisse sind nicht erforderlich. Das setzt ein Grundwissen über den konkreten Behandlungsverlauf voraus, zu dem neben der Kenntnis der gewählten Therapiemethode auch gehört, dass der Patient die wesentlichen Umstände des konkreten Behandlungsverlaufs positiv kennt oder grob fahrlässig nicht kennt, d.h. auch Kenntnis von Tatbestand und Art des Eintretens von Komplikationen und die zu ihrer Beherrschung getroffenen ärztlichen Maßnahmen. Darüber hinaus erforderlich ist die Kenntnis eines vom medizinischen Standard abweichenden ärztlichen Verhaltens, weil erst diese Verletzung der Berufspflicht des Arztes dessen Haftung begründet.
(Aufklärungsmängel)
Bei Aufklärungsfehlern reicht nicht schon die Kenntnis einer unterlassenen Aufklärung als solcher. Hinzutreten muss die Kenntnis des Patienten von den Tatsachen, aus denen sich die Verletzung der Aufklärungspflicht begründet; im Einzelfall also, dass das nach der Behandlung verwirklichte Risiko der Schädigung als Operationsrisiko dem behandelnden Arzt bekannt war oder hätte bekannt sein müssen und er deshalb den Patienten hierüber hätte aufklären müssen.
3. Verhandlungen des geschädigten Patienten mit dem Krankenhausträger oder dessen Haftpflichtversicherer hemmen die Verjährung von Ansprüchen gegen den behandelnden Arzt nur dann, wenn nach den gesamten Umständen zweifelsfrei und eindeutig davon auszugehen ist, dass der auch für den verantwortlichen Arzt eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer bei den Regulierungsverhandlungen nicht nur für seinen Versicherungsnehmer – also den Krankenhausträger – sondern auch für den Arzt als mitversicherte Person tätig geworden ist.
Hat dabei der Haftpflichtversicherer erkennbar nur für den Krankenhausträger ge- und verhandelt, berührt dies den Lauf der Verjährung für Ansprüche gegen den behandelnden Arzt nicht.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Jena vom 10.07.2012
http://www.thueringen.de/de/olg/entscheidungen/

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Behandlungsfehler: Vorsicht, verlängerte Verjährungsfrist

Beitrag von Presse » 15.08.2013, 12:54

Behandlungsfehler: Vorsicht, verlängerte Verjährungsfrist
Nach dem neuen Patientenrechtegesetz müssen Ärzte ihre Patienten über Behandlungsfehler informieren.
Tun sie dies nicht, verlängert sich die Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche. Das ist aber nur eine Falle,
die in der Informationspflicht lauert.
mehr »
http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=843 ... etz&n=2906

WernerSchell
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Hemmung der Verjährung im Arzthaftungsrecht

Beitrag von WernerSchell » 01.03.2017, 09:05

Urteil des Bundesgerichtshofes vom 17.01.2017 - VI ZR 239/15 -
Download: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... os=0&anz=1

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Leitsätze:
a) Die unwiderlegliche Vermutung des Einvernehmens nach § 15a Abs. 3 Satz 2 EGZPO (im Streitfall: in der bis zum 31. März 2016 geltenden Fassung) findet bei den von den Ärztekammern eingerichteten Schlichtungsstellen auch im Rahmen von § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB (im Streitfall: in der bis zum 25. Februar 2016 geltenden Fassung, im Folgenden: § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB aF) Anwendung.
b) Macht ein Patient gegen den ihn behandelnden Arzt Schadensersatzansprüche bei einer von den Ärztekammern eingerichteten Schlichtungsstelle geltend, so setzt der Eintritt der Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB aF nicht voraus, dass sich der Arzt oder der hinter diesem stehende Haftpflichtversicherer auf das Schlichtungsverfahren einlässt. Dies gilt auch dann, wenn ein Schlichtungsverfahren nach der Verfahrensordnung der jeweiligen Schlichtungsstelle nur dann durchgeführt wird, wenn Arzt und Haftpflichtversicherer der Durchführung des Verfahrens zustimmen.


Quelle und weitere Informationen:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... os=0&anz=1
http://www.rechtsprechung-im-internet.d ... focuspoint
http://community.beck.de/2017/02/25/kei ... ungssachen
http://www.otto-schmidt.de/news/zivil-u ... 02-13.html
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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