Krankendokumentation - zeitnahe Erstellung !

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

Moderator: WernerSchell

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Gast

Krankendokumentation - zeitnahe Erstellung !

Beitrag von Gast » 29.02.2004, 17:26

In einem Beweisbeschluß des Gerichtes steht.

Ein Arzt ist verpflichtet, eine Behandlung zu dokumentieren. Es bestehen keine Fristen, bis wann ein Arzt eine Behandlung dokumentiert haben muss.

In unserem Fall wurde die Dokumentation ca. 1 Jahr später gemacht, bzw. es wurde eine Jahr später eine neue Krankenakte erstellt. Dies ist am Datum erkennbar. Ausserdem strotzt es vor Lügen.
Nun heißt es ja, dass es egal ist, wann ein Arzt etwas dokumentiert.
Hat man überhaupt noch eine Chance, was kann man da vielleicht machen, wer hat Ähnliches erlebt?
Wir sind total verzweifelt, wir müssen beweisen, dass er lügt, aber die Tatsache, dass die Akte später erstellt wurde, ist doch theoretisch Beweis genug, aber dann doch nicht.
Gibt es dazu Gesetzestexte, wie ist der Auszug vom Gericht zu verstehen, wo kann man sich erkundigen, wem gehts geanuso?

Bitte Antwort - vielen Dank!

Mfg
Volker

Gast

Re: Dokumentationspflicht von Arzt und wann

Beitrag von Gast » 29.02.2004, 17:51

Hallo Volker,

das hört sich ja ziemlich schlimm an! Bis wann ein Dokumentation gemacht worden sein muß, steht meines Wissens in keinem Gesetzestxt. Überhaupt ist das ganze Arzthaftungsrecht ja praktisch "Richterrecht", d.h. der Gesetzgeber hat sich vornehm zurückgehalten (und die Ärzte übrigens auch), und die Richter haben den in zahlreichen Einzelentschidungen die Maßstäbe festgelegt.

Die Krankenakte ist dabei eine vertragliche Nebenpflicht. Sie ist nicht (nur) Gedächtnisstütze des Arztes, sondern dient (auch) dem Recht des Patienten auf reibungslose Weiterbehandlung bei einem anderen Arzt. Daher sind sowohl Änderungen, als auch die Anfertigung nach über einem Jahr wohl kaum "im Sinne des Erfinders". Derartige Dokumentationsmängel können zu Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr führen. Der Arzt muß übrigens auf Ihren Wunsch hin die "Vollständigkeit und Richtigkeit" der Krankenakte schriftlich bestätigen (Urteile dazu hier: http://www.mgdh.de/tips_1.html).

Ich bin kein Rechtsanwalt, aber bei nachträglichen Änderungen kann man wohl auch mal an eine Anzeige wegen Urkundenfälschung oder sowas denken.

Gruß Sabine

WernerSchell
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Krankendokumentation zeitnah erstellen !

Beitrag von WernerSchell » 01.03.2004, 11:54

Sehr geehrter Herr Volker T.,

ich werde mich zu Ihrer Texteinstellung auch noch äußern.
Wegen anderweitiger Terminverpflichtungen muss ich Sie allerdings um etwas Geduld bitten.

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell
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Gast

Re: Dokumentation durch den Arzt - bis wann?

Beitrag von Gast » 01.03.2004, 13:33

Danke Team Werner Schell. Freue mich auf Info.

Eine Frage an Sabine bzw. die erste Antwort.

Wie soll man den beweisen, dass er lügt. Das ist ja das Problem. Ein arzt lügt nie, nur immer der Patient, der kann sich an nichts erinnern, ist psychisch labil etc.
Das Wort des Arztes, auch das GELOGENE Wort, hat mehr Wert als die Wahrheit des patienten. Der Arzt darf ja alles, selbst das Gericht lässt ihn alles machen.

Urkundenfälschung ist harter Tobak und ohne Beweise nicht möglich. Was die Richtigkeit und Vollständigkeit der Akte angeht, auch dass hatten wir versucht aber nie von dem Arzt oder irgendeinen Arzt eine Unterschrift bekommen. Es gibt viel zu viele Gesetzeslücken für die Ärzte. Uns ist schleierhaft, wieso keine Polikitiker darauf Rücksicht nicht.

Nochmals Danke
Volker

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Zeitnahe Krankendokumentation !

Beitrag von WernerSchell » 04.03.2004, 11:29

Stellungnahme:

Das ärztliche und pflegerische Personal ist rechtlich verpflichtet, über die Krankenbehandlung und Pflege eine Krankendokumentation anzufertigen, die einen Gesamtüberblick über die diagnostischen, therapeutischen und pflegerischen Maßnahmen ermöglicht. Die Krankendokumentation dient nicht nur der Qualitäts- und Beweissicherung, sondern sie ist auch eine Art Rechenschaftsbericht dem Patienten gegenüber. Die Dokumentationspflichten ergeben sich aus einer Vielzahl von gesetzlichen Vorschriften und sind wiederholt in höchstrichterlichen Entscheidungen bekräftigt worden.

Bei dem gesamten Dokumentationsgeschehen wird einhellig davon ausgegangen, dass die Erstellung der entsprechenden Unterlagen immer zeitnah, d.h. während der Behandlung bzw. Pflege oder unverzüglich, zu erfolgen hat. Wenn sich im Einzelfall Gründe ergeben, die eine zeitnahe Dokumentation nicht zulassen (z.B. Arbeitsüberlastung), ist das aufzeichnungspflichtige Geschen nachzutragen und mittels Angabe des Datums und ggf. der Uhrzeit als nachträgliche Dokumentation kenntlich zu machen (vgl. Schell, W. „Staatsbürgerkunde, Gesetzeskunde und Berufsrecht für die Pflegeberufe in Frage und Antwort“, 11. Auflage, Thieme Verlag Stuttgart).

„Eine unzulängliche, lückenhafte oder gar unterlassene erforderliche Dokumentation (Dokumentationsmangel) kann zu Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr zugunsten des Patienten führen. Dies betrifft sowohl den Bereich der ärztlichen als auch der pflegerischen Dokumentation. Eine unterbliebene oder lückenhafte Dokumentation kann zwar grundsätzlich sowohl durch eine – entsprechend gekennzeichnete – nachträgliche Dokumentation, als auch im Prozess durch andere Beweismittel (z.B. Zeugenvernehmung) nachträglich ersetzt bzw. ausgefüllt werden. Bei einem häufig erst Jahre später geführten Rechtsstreit kann es jedoch zu einer Abschwächung des Beweiswertes von Zeugenaussagen kommen. Dies findet seinen Grund darin, dass es für den einzelnen Krankenhausmitarbeiter in der Regel schwierig sein dürfte, sich auch nach einer längeren Zeit noch an Einzelheiten der Behandlung erinnern zu können. Das mangelnde Erinnerungsvermögen führt daher im Prozess häufig dazu, dass der Mitarbeiter nur noch unzureichende Aussagen machen kann. Ferner ist zu befürchten, dass der Richter einer derartigen Zeugenaussage nicht mehr allzu viel Gewicht beimessen wird. Dokumentationslücken können u.U. durch nachträglich aus dem Gedächtnis vorgenommene Aufzeichnungen gefüllt werden, bzw. es kann u.U. auf ein ärztliches Gedächtnisprotokoll ergänzend zu Beweiszwecken zurückgegriffen werden (Quelle: „Die Dokumentation der Krankenhausbehandlung – Hinweise zur Durchführung, Archivierung und zum Datenschutz“, DKG; mit Hinweis auf das Urteil des OLG Oldenburg vom 30.04.1991 – 5 U 120/90 = MedRecht 1992, 111).

Literaturhinweise:
Jürgen Peter „Das Recht auf Einsicht in Krankenunterlagen“, Heymanns Verlag, Köln 1989
Alida Koeve / Dieter Koeve „Ärztliche Aufzeichnungen und Recht“. Thieme Verlag, Stuttgart 1994
Deutsche Krankenhaus Gesellschaft (DKG) „Die Dokumentation der Krankenhausbehandlung – Hinweise zur Durchführung, Archivierung und zum Datenschutz“, 1999
Marina Schnabel / Uwe Krämer (Hrsg.) „Pflegedokumentation leicht gemacht. Verlag Hans Huber, Bern 2003

Werner Schell
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Gast

Re: Krankendokumentation - zeitnahe Erstellung !

Beitrag von Gast » 04.03.2004, 16:42

Bitte nochmal eine Antwort.

Wie ist es zu verstehen, wenn es heisst, dass:

Bei dem gesamten Dokumentationsgeschehen wird einhellig davon ausgegangen, dass die Erstellung der entsprechenden Unterlagen immer zeitnah, d.h. während der Behandlung bzw. Pflege oder unverzüglich, zu erfolgen hat

aber der Beweisbeschluß selber, also das Gericht sagt, dass es keine Fristen gibt, es also offensichtlich nicht zeitnah erstellt werden muss. Es scheint dem Gericht egal zu sein, wann was erstellt wurde. Die ORiginalakte wurde ja auch zeitgleich erstellt, aber die gefälschte Akte, die wurde ein Jahr später erstellt, und nur die liegt dem Gericht vor, und nur die kennt das Gericht. Ich kann ja nicht mal beweisen, dass es eine andere Akte gab, die ich selber während der Behandlung gesehen hatte.

Wo gibt es einen Gesetzestext, der zb. sagt, innerhalb der Behandlung oder 1 Monat muss es erstellt werden. 1 Jahr ist eine lange Zeit!
Man hat als patient ja gar keine Handhabe. Auf was soll man denn da verweisen. Es glaubt einem ja keiner.

Das ist alles Unglaublich. Wir sind am Ende.
Bitte nochmals Antwort

MfG

Volker

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Krankendokumentation - zeitnahe Erstellung !

Beitrag von WernerSchell » 04.03.2004, 17:13

... Wo gibt es einen Gesetzestext, der z.B. sagt, innerhalb der Behandlung oder 1 Monat muss es erstellt werden. 1 Jahr ist eine lange Zeit! ....
Sehr geehrter Herr Volker T.,

es ist nicht gesetzlich geregelt, dass eine Dokumentation innerhalb einer bestimmten Zeit zu erfolgen hat. Insoweit kann der zitierten Anmerkung des Gerichts nicht widersprochen werden.
Es entspricht aber der Vernunft bzw. der Erkenntnis, dass das menschliche Gedächtnis Schwächen hat, zeitnah, d.h. möglichst schnell, zu dokumentieren. Wer später dokumentiert, muss sich fragen lassen, ob er seine Aufzeichnungen noch korrekt hat anfertigen können. Werden insoweit berechtigte Zweifel deutlich, muss dies beweisrechtliche Folgerungen nach sich ziehen. Dies wird u.a. in der Literatur, auf die verwiesen wurde, näher ausgeführt.
Darauf sollte in einem Verfahren in geeigneter Weise hingewiesen werden.

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell
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Gast

Krankendokumentation - zeitnahe Erstellung !

Beitrag von Gast » 05.03.2004, 21:21

.... Ein Arzt ist verpflichtet, eine Behandlung zu dokumentieren. Es bestehen keine Fristen, bis wann ein Arzt eine Behandlung dokumentiert haben muss. ...
Diese richtige Feststellung sagt aber nichts darüber aus, dass die Dokumentation beliebig erstellt werden darf. Denn jeder Tag, der nach den zu dokumentierenden Ereignissen verstreicht, lässt Vermutungen hinsichtlich Vergesslichkeit usw. zu. Eine spät - und erst recht eine sehr späte - Dokumentation hat eher schon die Vermutung der Ungenauigkeit für sich.
An diesen Erkenntnissen kommt auch kein Gericht vorbei, selbst dann nicht, wenn es keine gesetzlichen Fristen im o.a. Sinne gibt.

Fredericke Möhler

Gast

Krankendokumentation sofort erstellen !

Beitrag von Gast » 07.03.2004, 13:45

... Beweisbeschluß des Gerichtes .... Es bestehen keine Fristen, bis wann ein Arzt eine Behandlung dokumentiert haben muss.
Hi Volker,
wenn das Gericht der Auffassung zuneigen sollte, die zeitliche Erstellung einer Krankendokumentation sei beliebig möglich, nur weil es keine konkrete Fristenregelung des Gesetzgebers gibt, liegt es glatt neben der Sache.
Wie schon wortreich bekundet wurde, entspricht es allein schon den Regeln der Vernunft, eine sofortige, d.h. schnellstmögliche, Dokumentation zu verlangen. Geschieht dies nicht bzw. erfolgt die Dokumentation erst nach längerer Zeit, müssen die sich dann ergebenden Zweifelsfragen zu Lasten der beklagten Partei gehen. Dies muss, wie schon angeregt wurde, dem Gericht vorgetragen werden.
Gruß
Hans-Hubert Bartels

Tom_Nollendorf

Krankendokumentation - zeitnahe Erstellung !

Beitrag von Tom_Nollendorf » 12.03.2004, 12:02

Hallo Volker,

ich habe den Schriftwechsel verfolgt und finde, dass die Stellungnahmen von Herrn Schell den Kern exakt treffen.
Ich nehme an, dass es sich bei Dir um einen gerichtlichen Streit wegen eines vermuteten Fehlers handelt. Dann wirst Du auch anwaltlich vertreten sein. Hoffentlich gut!
Dein Anwalt muss daher die gegebenen Hinweise aufgreifen und dem Gericht klarzumachen versuchen, dass trotz fehlender gesetzlicher Vorschriften für die zeitnahe Dokumentation, eine erst nach einem Jahr erfolgte Aufzeichnung problematisch und zweifelhaft ist. Es muss m.E. ausdrücklich angedeutet werden, dass man sich nach einer so langen Zeit kaum noch zutreffend und vollständig erinnern kann und daher die Dokumentation „nach Gutdünken“ erstellt zu sein scheint. Die Zweifel an der Korrektheit müssen dann zu Lasten des Beklagten gehen. Dies alles näher zu beschreiben, muss einem kundigen Anwalt doch nicht schwer fallen.
Ich sehe hier zunächst nicht, dass seitens des Gerichts durch die zitierte Anmerkung eine Patientenbenachteiligung liegen soll.

MfG
Tom Nollendorf

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