Kind bei Geburt infiziert - 1,4 Mio Euro für HIV-Infektion

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Kind bei Geburt infiziert - 1,4 Mio Euro für HIV-Infektion

Beitrag von Presse » 30.11.2009, 10:34

Pressemitteilung der Medizinrechtlichen Sozietät Putz & Steldinger vom 30.11.2009:

1,4 Millionen für HIV-Infektion
Kind bei Geburt infiziert, weil Arzt keinen HIV-Test in Schwangerschaft gemacht hat


Der Fall:

Der achtjährige Axel (Name geändert) ist seit seinem ersten Lebensjahr geistig und körperlich behindert. Doch er könnte gesund sein, wenn bei seiner Mutter während der Schwangerschaft ein HIV-Test gemacht worden wäre.

Seine Mutter war seit vielen Jahren Patientin eines prominenten Gynäkologen in der Münchener Innenstadt mit vornehmlich Privatklientel. Er betreute ihre gesamte Schwangerschaft im Jahre 2000/2001. Axel wurde im März 2001 als gesundes Kind in einer Münchener Belegklinik geboren.

Doch bereits in den ersten Monaten hatte der Säugling immer wieder Darminfektionen mit Erbrechen und Durchfälle. Schließlich wurde Axel Ende Mai 2001 unter der Verdachtsdiagnose einer atypischen Lungenentzündung und einer Virusinfektion stationär eingeliefert. Noch am selben Tag kam es zu einer massiven Atemnot. Axel musste sofort auf die Intensivstation wo er über Wochen künstlich beatmet werden musste. Trotz aller ärztlichen Bemühungen verschlechterte sich sein Zustand weiter. Niemand konnte sich erklären, warum Axel auf keine Therapie ansprach. Lebensrettend war für ihn schließlich, dass die Ärzte gerade noch rechtzeitig auch dem eigentlich sehr unwahrscheinlichen Verdacht einer frühkindlichen HIV-Infektion nachgingen. Schließlich wurde dann die ausgebrochene AIDS-Erkrankung bei Axel festgestellt.

In einer Münchner Universitätskinderklinik erholte Axel sich dank der Hilfe von Spezialisten und neuen HIV-Medikamenten von seinen Infektionen. Doch leider hatte das Virus bereits wesentliche Teile seines Kindergehirns zerstört. Axel ist daher heute sowohl geistig wie körperlich schwer behindert.

Es wurde festgestellt, dass die Mutter unerkannt schon lange vor der Schwangerschaft seit vielen Jahren infiziert gewesen war. Das Virus wurde wohl bei der Geburt oder durch das Stillen auf das Kind übertragen.

Der Frauenarzt hat einen eindeutigen Behandlungsfehler begangen. Er hätte der Mutter während der Schwangerschaft zwingend die Durchführung eines HIV-Tests anbieten müssen, so das Landgericht München in seinem Urteil.

Hätte der Frauenarzt diesen Test der Mutter angeboten, hätte sie diesen selbstverständlich machen lassen. Der positive Test hätte zu einer entsprechenden Therapie während der Schwangerschaft, unter der Geburt und nach der Schwangerschaft (kein Stillen!) geführt, welche die Übertragung des Virus auf das Kind, anders als noch in den 90er Jahren, so sicher verhindert hätte. Selbst in dem sehr unwahrscheinlichen Fall, dass das Kind durch Komplikationen in der Schwangerschaft doch infiziert worden wäre, hätte dann durch rechtzeitige Therapie bei Axel die Erkrankung und damit auch die schwere Behinderung sicher vermieden werden können.

Der Arzt argumentierte, seine „wohlsituierten“ Patientinnen würden auf das Angebot eines HIV-Tests sicher entrüstet reagieren. Er könne daher den Test nicht anbieten ohne das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patientin zu zerstören. Außerdem wäre die Mutter von Axel eine „attraktive und gepflegte“ Person, da würde man keine HIV-Infektion erwarten.

Diese Argumentation ist ein Skandal. Bekanntlich ist die HIV-Infizierung nicht mehr nur auf Randgruppen begrenzt wie noch in den achtziger Jahren sondern in allen Schichten anzutreffen. Die meisten Frauen, bei denen heute eine HIV-Infektion festgestellt wird, gehören keiner Risikogruppe an. Häufig wird hier die Infektion durch die Untersuchungen zur Schwangerschaftsvorsorge erstmals entdeckt.

Eine vom Gericht bestellte Umfrage bei allen in München tätigen Gynäkologen erbrachte schließlich auch, dass eine überwältigende Mehrheit ihren Patientinnen in der Frühschwangerschaft einen HIV-Test empfiehlt.

Der Arzt wurde vom Landgericht München zur Haftung verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig. Die Höhe des Schadens wurde in einem gerichtlichen Vergleich festgelegt. Da Axel durch die geistige und körperliche Behinderung sein Leben lang auf fremde Hilfe angewiesen sein wird, erhält er einen Schadenersatzbetrag von 1.435.000,00 €.

Zudem hat die Klage dazu geführt, dass die Schwangerschaftsrichtlinien in diesem Punkt konkretisiert worden sind. Im Mutterpass jeder Schwangeren wird nun vermerkt: „Über HIV-Test aufgeklärt“. Dies ist jedoch nicht ausreichend. Im Hinblick darauf, dass hier nicht nur die Gesundheit der Schwangeren sondern auch die Gesundheit des Kindes auf dem Spiel steht, sollte der Test bei allen Schwangeren, wie z.B. die Untersuchung auf Hepatitis, routinemäßig durchgeführt werden.

Für Fragen steht Ihnen Beate Steldinger, Fachanwältin für Medizinrecht, unter der unten angegebenen Telefonnummer gerne zur Verfügung.

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PUTZ & STELDINGER
Medizinrechtliche Sozietät
Quagliostr. 7
81543 München
Tel. 089/ 65 20 07
Fax. 089/ 65 99 89
http://www.putz-medizinrecht.de

WernerSchell
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71.000 Euro Schmerzensgeld für Partnerin nach HIV-Infektion

Beitrag von WernerSchell » 20.02.2017, 08:47

Ärzte Zeitung online - 08.02.2017
OLG München
71.000 Euro Schmerzensgeld für Partnerin nach HIV-Infektion
MÜNCHEN. Ein Mann, der seine ehemalige Partnerin mit HIV angesteckt hat, muss ihr 71.000 Euro Schmerzensgeld plus Zinsen zahlen. Das hat das Oberlandesgericht München am Mittwoch entschieden (Az.: 20 U 2486/16).
Er muss außerdem ihre Anwaltskosten übernehmen und für eventuelle materielle und immaterielle Schäden, die der Frau künftig entstehen, zu zwei Dritteln aufkommen. Die heute 60-Jährige hatte in dem Zivilprozess
160.000 Euro Schmerzensgeld verlangt. Revision wurde nicht zugelassen.
… (weiter lesen unter) … http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirt ... ktion.html
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