Patientenwille mit Gewalt durchgesetzt

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

Moderator: WernerSchell

Rauel Kombüchen
phpBB God
Beiträge: 542
Registriert: 15.11.2005, 15:04

Patientenwille mit Gewalt durchgesetzt

Beitrag von Rauel Kombüchen » 02.07.2009, 12:15

Patientenwille mit Gewalt durchgesetzt
Polizei und Staatsanwalt werden prüfen, ob hier gegen Rechtsvorschriften verstoßen oder nur ein rechtmäßiger Zustand gemäß Patientenwillen durchgesetzt wurde

Die Medien berichten lebhaft über den Tod einer 82-jährigen Frau auf einer Kölner Intensivstation. Dort hat ein 44 Jahre alter Mann gewaltsam die Patientenverfügung seiner schwer kranken Schwiegermutter durchsetzen wollen. Am 29.06.2009 trennte der Mann die Frau von den Infusionen mit Adrenalin und Kochsalzlösung. So der Bericht eines Polizeisprecher am 2.7.2009. Nach einer kurzen Rangelei mit dem Mann und seinem 17-jährigen Sohn habe das Pflegepersonal die Versorgung der Patientin zwar wieder herstellen können, dennoch sei die Frau etwa drei Stunden später gestorben. Die 82-Jährige Frau war mit einer Lungenentzündung und in einem schlechten Allgemeinzustand in die Klinik eingeliefert worden. Um die Frau am Leben zu erhalten, mussten die Ärzte sie an ein Beatmungsgerät anschließen. Nach Überzeugung der Angehörigen missachteten die Mediziner damit eine fünf Jahre alte Patientenverfügung der Frau, in der sie sich eindeutig gegen lebenserhaltende Maßnahmen, wie künstliche Beatmung ausgesprochen hatte. Nach Angaben des Krankenhauses hatten die Ärzte die Gültigkeit der Patientenverfügung noch nicht prüfen können. Die Leiche der Frau soll obduziert werden, um zu klären, ob das Handeln des Schwiegersohns den Tod mit verursacht hat.

Erneut ein interessanter Fall, bei dem auch zu prüfen sein wird, ob sich die MitarbeiterInnen des Krankenhauses rechtswidrig über den Willen der Frau hingesetzt haben. Denn anscheinend gab es eine Patientenverfügung, die lebenserhaltende Maßnahme ausschloss.
Pflegeversicherung - Pflegebegriff erneuern und Finanzierung nachhaltig sichern! BürgerInnen müssen mehr Informationen erhalten - z.B. wg. Individualvorsorge!

Presse
phpBB God
Beiträge: 14256
Registriert: 10.11.2006, 12:44

Sterbehilfe-Fall in Köln: Selbstjustiz ist keine Lösung

Beitrag von Presse » 02.07.2009, 12:30

Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung zum Sterbehilfe-Fall in Köln: Selbstjustiz ist keine Lösung / Patientenverfügungen prüfen und Hilfe in Anspruch nehmen

Dortmund. "Selbstjustiz ist keine Lösung", kommentiert der Geschäftsführende Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, die Berichte über einen Kölner, der die Beatmungsgeräte seiner Schwiegermutter eigenmächtig abgeschalt hat. Angeblich habe sie eine Patientenverfügung gehabt, die vom Krankenhaus nicht beachtet wurde. "Dass die Staatsanwaltschaft jetzt wegen des Verdachts eines Tötungsdeliktes ermittelt, ist richtig und konsequent", stellt Brysch klar. "Wenn Patientenschutz und Menschenrechte nicht zu leeren Floskeln verkommen sollen, muss jetzt durchgegriffen werden."

Die Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung hat gerade eine Schiedsstelle eingerichtet, die bei Konflikten rund um Patientenverfügungen berät. Sowohl Angehörige als auch Ärzte können dort Hilfe von Experten in Anspruch nehmen, wenn die Auslegung einer Verfügung zweifelhaft ist. "Diesen Service bieten wir allen Betroffenen gebührenfrei an - und zwar bundesweit. Innerhalb von zwei Werktagen prüfen unsere Experten jede Patientenverfügung. Bei Bedarf machen wir uns ein genaues Bild vor Ort und vermitteln zwischen den Beteiligten. Wir müssen verhindern, dass es zu einer Eskalation zwischen Angehörigen und Ärzten am Patientenbett kommt. Darum ist es bedauerlich, dass der Service der Schiedsstelle nicht in Anspruch genommen wurde." Die Schiedsstelle ist im Internet unter http://www.die-schiedsstelle.de und telefonisch unter 0231/ 7380730 erreichbar.

Mit dem gerade beschlossenen Patientenverfügungsgesetz hat der Gesetzgeber die Verfahrensregeln bei Uneinigkeit zwischen Arzt und Bevollmächtigtem klar beschrieben. Gibt es unterschiedliche Meinungen bei der Auslegung der Patientenverfügung, so hat grundsätzlich das Vormundschaftsgericht zu entscheiden. "Als Patientenschutzorganisation der Schwerstkranken und Sterbenden, begrüßen wir diese Regelung", so Brysch. "Daher gibt es für Selbstjustiz null Toleranz."

Quelle: Pressemitteilung vom 2.7.2009
Bei Rückfragen und Interview-Wünschen:
Matthias Hartmann: Tel.: 030/ 2 84 44 84 2 hartmann@hospize.de
http://www.die-schiedsstelle.de http://www.hospize.de

Rauel Kombüchen
phpBB God
Beiträge: 542
Registriert: 15.11.2005, 15:04

Re: Sterbehilfe-Fall in Köln: Selbstjustiz ist keine Lösung

Beitrag von Rauel Kombüchen » 02.07.2009, 12:35

Presse hat geschrieben: .... Mit dem gerade beschlossenen Patientenverfügungsgesetz hat der Gesetzgeber die Verfahrensregeln bei Uneinigkeit zwischen Arzt und Bevollmächtigtem klar beschrieben. Gibt es unterschiedliche Meinungen bei der Auslegung der Patientenverfügung, so hat grundsätzlich das Vormundschaftsgericht zu entscheiden. "Als Patientenschutzorganisation der Schwerstkranken und Sterbenden, begrüßen wir diese Regelung", so Brysch. "Daher gibt es für Selbstjustiz null Toleranz." ....
Ich denke, dass die Umstände eigentlich zunächst genau abgeklärt werden müssen. Bisher gibt es wohl nur Medienberichte und knappe Erklärungen der Polizei.
Das Gesetz zur Patientenverfügung kann, soweit es verfahrensrechtliche Vorschriften enthält, überhaupt keine Anwendung finden. Denn es wird, falls der Bundesrat keine Schwierigkeiten macht, erst am 1.9.2009 in Kraft treten. Das müsste die Deutsche Hospiz Stiftung doch wissen.
Im Übrigen frage ich, wer denn diese Hospiz Stiftung ermächtigt hat, eine Schiedsstelle einzurichten. Das kann doch nur eine ganz private Hilfestellung sein!

Rauel K.
Pflegeversicherung - Pflegebegriff erneuern und Finanzierung nachhaltig sichern! BürgerInnen müssen mehr Informationen erhalten - z.B. wg. Individualvorsorge!

Anja Jansen
Sr. Member
Beiträge: 410
Registriert: 05.12.2005, 08:38

Diskussionen um Sterbehilfe und assistierte Sterbebegleitung

Beitrag von Anja Jansen » 02.07.2009, 12:48

Ich sehe, so weit man das bis jetzt beurteilen kann, Zusammenhänge mit der Streitsache Putz, juristisch betrachtet:
viewtopic.php?t=11786
viewtopic.php?t=11710
Man darf gespannt sein, wie die Angelegenheit weiter behandelt wird. Hoch interessant, auch mit Rücksicht auf die sonst laufenden Diskussionen um Sterbehilfe und assistierte Sterbebegleitung ....

Anja
Es ist mehr Aufmerksamkeit für dementiell erkrankte Menschen nötig. Unser Pflegesystem braucht deshalb eine grundlegende Reform!

Lutz Barth
phpBB God
Beiträge: 1148
Registriert: 26.12.2007, 10:05
Kontaktdaten:

Schiedsstelle ist privater Natur!

Beitrag von Lutz Barth » 02.07.2009, 17:07

Angehörige als auch Ärzte können bei der Schiedsstelle Hilfe von Experten in Anspruch nehmen, wenn die Auslegung einer Verfügung zweifelhaft ist.

Aus gegebenem Anlass darf hier allerdings zum weiteren Nachdenken angeregt werden: So sehr die Einrichtung einer Schiedsstelle auch wünschenswert sein mag, sind allerdings einige rechtliche Aspekte zu berücksichtigen.

Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass ein „Streitfall“ sich erst wohl dann stellen dürfte, wenn und soweit der Verfügende nicht mehr aktuell einwilligungsfähig ist. Insofern muss der zur Verschwiegenheit verpflichtete Arzt von seiner obligatorischen Schweigepflicht entbunden werden, da eine sinnvolle Interpretation der Patientenverfügung vor dem Hintergrund der zum Konflikt führenden Behandlungssituation selbstverständlich eine Offenlegung der medizinischen Indikation erfordert. Im Zweifel wird daher der Betreuer resp. der Vorsorgebevollmächtigte den Arzt mit Blick auf die „Anrufung“ der Schlichtungsstelle für den Fall der Einwilligungsunfähigkeit von der Schweigepflicht entbinden müssen. In Betracht gezogen werden kann allerdings eine konkludente resp. mutmaßliche Einwilligung des einwilligungsunfähigen Patienten, so dass es hier dem Wohl des Betreuten entsprechen muss, dass etwaige Konflikte bei der Auslegung einer Patientenverfügung durch die Anrufung einer Schiedsstelle geklärt werden können. Insofern würde der Arzt im vermeintlichen Interesse und Einverständnis des Patienten als Geheimnisgeschützen handeln. Von einer regelmäßig unterstellten mutmaßlichen Einwilligung allerdings auszugehen, erscheint verfehlt. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen ggf. Auslegungsschwierigkeiten bezüglich einer Patientenverfügung eines Demenzerkrankten geschlichtet werden sollen; hier muss grundsätzlich der Erkrankte einbezogen werden, da nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass der Demenzpatient nicht die Trageweite einzelner Entscheidungen zu überblicken vermag.

Prinzipiell ist zu berücksichtigen, dass das Recht auf die sog. informationelle Selbstbestimmung grundsätzlich darauf abzielt, selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden dürfen.

Selbstjustiz ist in einem Rechtsstaat selbstredend keine Lösung.

Sofern die Deutsche Hospiz Stiftung ihr Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht hat, dass der Service nicht in Anspruch genommen wurde, ist für sich genommen nicht aussagekräftig. Dies zu entscheiden, obliegt den Parteien des ärztlichen Heilbehandlungsvertrages und hier näher die Frage, ob diese überhaupt eine Entbindung von der ärztlichen Verschwiegenheit in Erwägung gezogen haben.

Im Übrigen ist das Engagement der Deutschen Hospiz Stiftung insofern bemerkenswert und es stellt sich die Frage, welche "Experten" hier einen (sicherlich unverbindlichen) Rat erteilen?
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

Presse
phpBB God
Beiträge: 14256
Registriert: 10.11.2006, 12:44

Ermittlungen nach Streit um Patientenverfügung

Beitrag von Presse » 03.07.2009, 07:00

Medienberichte; u.a.:

44-Jähriger schaltet Geräte ab
Dramatische Szenen müssen das gewesen sein: Ein 44-Jähriger Mann steht am Krankenbett seiner sterbenden Schwiegermutter, nur noch ein Beatmungsgerät und Infusionen halten sie am Leben.
.... (mehr)
http://www.wdr.de/tv/aks/sendungsbeitra ... uegung.jsp

Ermittlungen nach Streit um Patientenverfügung
Mann versucht aktive Sterbehilfe

Eine 82-Jährige ist am Montagabend (29.06.09) in einer Kölner Klinik gestorben, nachdem ihr Schwiegersohn sich auf eine Patientenverfügung berufen und mehrere Geräte abgestellt hatte. Der Staatsanwalt ermittelt wegen des Verdachts auf ein Tötungsdelikt.
... (mehr)
http://www.wdr.de/themen/panorama/26/ko ... ndex.jhtml

Für die kranke Schwiegermutter
Köln: Mann wollte Sterbehilfe erzwingen

zuletzt aktualisiert: 03.07.2009 - 07:21 (RP) Auf der Intensivstation eines Kölner Krankenhauses hat ein 44 Jahre alter Mann gewaltsam die Patientenverfügung seiner schwer kranken Schwiegermutter durchsetzen wollen. Am Montagabend trennte der Mann die 82-Jährige von den Infusionen, so ein Polizeisprecher am Donnerstag.
... (mehr)
http://www.rp-online.de/public/article/ ... ingen.html

Mann setzt gewaltsam Patientenverfügung von Schwiegermutter durch
Köln – Auf der Intensivstation eines Kölner Krankenhauses hat ein 44 Jahre alter Mann gewaltsam die Patientenverfügung seiner schwer kranken Schwiegermutter durchsetzen wollen. Am Montagabend trennte der Mann die 82-Jährige von den Infusionen, wie [mehr]
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/lette ... m&id=31507

Weitere Quellen:

http://www.news-adhoc.com/uebersicht-ne ... 070238379/

http://www.die-topnews.de/koeln-patient ... tzt-358326

http://www.bild.de/BILD/news/2009/07/03 ... te-ab.html

http://www.express.de/nachrichten/news/ ... 12726.html

Cicero
Sr. Member
Beiträge: 388
Registriert: 30.06.2007, 10:11

Patientenwille muss Beachtung finden !

Beitrag von Cicero » 03.07.2009, 11:43

Der Tenor zu den Beiträgen müsste eigentlich lauten:

Patientenwille - in einer Patientenverfügung geäußert - wurde von den Krankenhausverantwortlichen ignoriert - Daher blieb den Angehörigen nur die Eigeninitiative!

Dennoch: Eine abschließende Beurteilung ist nicht möglich, weil alle Fakten nicht klar sind. Es wird aber deutlich, dass man einer bekannten Patientenverfügung seitens des Krankenhauses nicht zeitgerecht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt hat. Dies deutet auf eine Missachtung des Patientenwillens hin.
Abenteuerlich ist die Bemerkung der Staatsanwaltschaft, die Verfügung sei schon fünf Jahre alt und bisher nicht aktualisiert worden. Daraus ergibt sich sowas wie Unkenntnis: Eine Patientenverfügung braucht nämlich - entgegen den immer wieder auftauchenden Behauptungen - nicht aktualisiert zu werden.
Die Deutsche Hospiz Stiftung liegt mit ihrer Meinungsäußerung auch klar daneben. Sie bringt ihre Schiedsstelle ins Gespräch. Eine solche Schiedsstelle ist zu nichts legitimiert, es ist eine private Veranstaltung, und sonst nichts.

Man darf gespannt sein, wie sich die Angelegenheit weiter entwickelt. Eine strafrechtliche Verurteilung der Angehörigen halte ich für ausgeschlossen. Die Justiz wird schon Argumente finden (müssen), um aus der Sache heraus zu kommen.

Cicero
Politisch interessierter Pflegefan!
Im Gleichklang: Frieden - Ausgleich - Demokratie - und: "Die Menschenwürde ist unantastbar"!

Presse
phpBB God
Beiträge: 14256
Registriert: 10.11.2006, 12:44

Ethikrat lehnte Patientenverfügung ab

Beitrag von Presse » 03.07.2009, 12:13

Tod einer 82-Jährigen
Ethikrat lehnte Patientenverfügung ab


Von Eveline Kracht und Daniel Taab

Nach dem Tod einer 82-jährigen Frau in einem Ehrenfelder Krankenhaus soll nun ein Gutachten die Todesursache klären. Der Sohn und ein Enkel hatten die Geräte abgestellt und beriefen sich auf eine Patientenverfügung. Doch der Ethikrat hatte das Papier nicht anerkannt.
.... (mehr)
http://www.rundschau-online.de/html/art ... 7305.shtml

Cicero
Sr. Member
Beiträge: 388
Registriert: 30.06.2007, 10:11

Patientenwille geht vor Erwägungen des Ethikrates

Beitrag von Cicero » 03.07.2009, 12:18

Presse hat geschrieben: .... Ethikrat lehnte Patientenverfügung ab ....
Wenn es eine klare Patientenäußerung gibt, haben irgendwelche Gremien, auch wenn es sich um Ethikräte handelt, nichts zu entscheiden. "Der Patientenwille ist das höchste Gesetz".
Möglicherweise wäre es sinnvoll, auch strafrechtliche Ermittlungen gegen solche Personen einzuleiten, die sich über den Patientenwillen hinweggesetzt und damit möglicherweise rechtswidrig gehandelt haben.

Cicero
Politisch interessierter Pflegefan!
Im Gleichklang: Frieden - Ausgleich - Demokratie - und: "Die Menschenwürde ist unantastbar"!

thorstein
Sr. Member
Beiträge: 457
Registriert: 04.03.2008, 22:22

Beitrag von thorstein » 03.07.2009, 12:58

Auch wenn der Patientenwille das höchste Gesetz ist, bleibt die Frage, wer diesen Willen duchsetzt bzw. durchsetzen darf. Bislang bin ich davon ausgegangen, dass es in einem Rechtstaat dafür ein verbindliches Vorgehen gibt. Und sollte es dabei Lücken geben - siehe neues Gesetz zur Patientenverfügung - so sind diese zu schließen.

Rauel Kombüchen
phpBB God
Beiträge: 542
Registriert: 15.11.2005, 15:04

Patientenwille muss Beachtung finden !

Beitrag von Rauel Kombüchen » 03.07.2009, 13:36

thorstein hat geschrieben: .... Auch wenn der Patientenwille das höchste Gesetz ist, bleibt die Frage, wer diesen Willen duchsetzt bzw. durchsetzen darf. Bislang bin ich davon ausgegangen, dass es in einem Rechtstaat dafür ein verbindliches Vorgehen gibt. Und sollte es dabei Lücken geben - siehe neues Gesetz zur Patientenverfügung - so sind diese zu schließen. ....
Ich kann die Einschätzungen von Cicero grundsätzlich gut nachvollziehen. Nein, ich stimme ausdrücklich zu.
Wenn ein Patientenwille dergestalt missachtet wird, dass in die körperliche Integrität eingegriffen wird, ist das ein Verfassungsverstoß und strafrechtlich relevant = Körperverletzung, Nötigung usw. Insoweit kann es eine angemessene Lösung darstellen, wenn der gesetzmäßige Zustand - ggf. durch Angehörige - schnellstens hergestellt wird, sozusagen als Notstandsmaßnahme. Es kann doch nicht angehen, dass ein rechtswidriger Zustand über längere Zeit aufrecht erhalten bleibt, nur weil Ärzte, Ethikrat usw. den Patientenwillen nicht in den Mittelpunkt rücken (wollen).
Das neue Gesetz zur Patientenverfügung lässt noch viele Fragen offen. Für den konkreten Fall war es bedeutungslos, weil es noch nicht in Kraft ist. Theoretisch kann der Bundesrat das Gesetz noch per Einspruch verhindern, zumindest den Versuch dazu machen.

Ich will das in Köln Geschehene nicht in jeder Hinsicht rechtfertigen. Es sollte schon geordnete Verfahren geben. Aber, solange Ärzte und Ethiker meinen, der Patientenwille unterliege ihrer Deutungshoheit muss wohl gelegentlich in "anderer Weise" gehandelt werden.

Man darf auch einmal darüber nachdenken, warum die organisierte Ärzteschaft so vehement das Gesetz zur Patientenverfügung verhindern wollte. Es gab bis zum letzten Tag heftige Statements gegen ein solches Gesetz. Das geschah sicherlich nicht im puren Patienteninteresse.

Rauel
Pflegeversicherung - Pflegebegriff erneuern und Finanzierung nachhaltig sichern! BürgerInnen müssen mehr Informationen erhalten - z.B. wg. Individualvorsorge!

WernerSchell
Administrator
Beiträge: 25302
Registriert: 18.05.2003, 23:13

Patientenwille - Durchsetzungsprobleme

Beitrag von WernerSchell » 03.07.2009, 14:13

Schriftwechsel in Mailingliste (anonymsiert):

Frau .... schrieb:
.... vielleicht war da noch nicht klar, dass sie zur Gesundung an Geräte muss? Das ist keine Meinungsäußerung zur Patientenverfügung! (ich selber zweifele die Aktualität dieser Verfügungen immer an, denn die wenigsten wissen wirklich vorher, was sie wollen, wenn es soweit ist. Aber wenn man dieser Überzeugung ist, kann es schon eine logische Erklärung für den Vorfall geben, meine ich). .....

Sehr geehrte Frau ...,

auch wenn es grundsätzlich empfehlenswert erscheint, gibt es keinerlei Rechtspflicht, eine Patientenverfügung zu aktualisieren. Ein klar geäußerter Patientenwille gilt fort, auch über viele Jahre hinweg. Mit Rücksicht auf die Patientenautonomie halte ich, mit anderen, wenig davon, für eine vorrangige Deutungshoheit von Ärzten und anderen Personen einzutreten. Dazu gibt es auch einige interessierte Textbeiträge:
viewtopic.php?t=12292
Ich habe in der Vergangenheit gegen ein Gesetz zur Patientenverfügung votiert, weil es m. E. in Sachen Patientenwille weniger ein Erkenntnis-, sondern eher ein Durchsetzungsproblem gibt (v.a. auf ärztlicher Seite). Diese Problematik wird möglicherweise auch nach dem 1.9.2009 fortbestehen, leider!

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell - http://www.wernerschell.de
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
Bild

PflegeCologne
phpBB God
Beiträge: 734
Registriert: 23.09.2007, 09:47

Re: Patientenwille - Durchsetzungsprobleme

Beitrag von PflegeCologne » 03.07.2009, 14:25

WernerSchell hat geschrieben: .... auch wenn es grundsätzlich empfehlenswert erscheint, gibt es keinerlei Rechtspflicht, eine Patientenverfügung zu aktualisieren. Ein klar geäußerter Patientenwille gilt fort, auch über viele Jahre hinweg. Mit Rücksicht auf die Patientenautonomie halte ich, mit anderen, wenig davon, für eine vorrangige Deutungshoheit von Ärzten und anderen Personen einzutreten. ...
Hallo aus Köln,
ich bin auch dafür, dass der Patientenwille konsequent Beachtung findet. Man erlebt es immer wieder, wie einzelne (oder die meisten) Ärzte, "von oben herab" die Regie führen und dabei die Patientenwünsche und Patientenentscheidungen nach Belieben drehen und wenden. Das muss ein Ende haben. Ich begrüße es daher, dass dieser Punkt hier so klar angesprochen wird. In der Pflege gibt es kaum Möglichkeiten, dem ärztlichen Verhalten entgegen zu treten, es sei denn, man riskiert seinen Job.
MfG Pflege Cologne
Alzheimer - eine Krankheit, die mehr Aufmerksamkeit erfordert! - Pflegesystem muss dem angepasst werden, auch, wenn es teurer wird! - Ich bin dabei:
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de

thorstein
Sr. Member
Beiträge: 457
Registriert: 04.03.2008, 22:22

Beitrag von thorstein » 03.07.2009, 14:54

Hallo Pflege-Cologne,

ich diskutiere sehr wohl mit Ärzten über Patientenverfügungen, wenn ich es für notwendig halte. Ärzte sind auch nur Dienstleister und wir Pflegekräfte kennen die Wünsche der BewohnerInnen in der Regel besser. Insofern sehe ich hier sogar eine Verpflichtung. Wenn sich dann ein Halbgott in weiss bedroht fühlt oder bei der Heimleitung beschwert, lässt mich das ziemlich kalt. Kommt aber auch nur sehr selten vor. Bislang hatte ich auch noch nie den Eindruck, meinen Job zu riskieren. Entscheidend ist doch die Sachebene und eine entsprechende Dokumentation.

Zur obigen Diskussion:
Ich bin absolut gegen jede Form von Selbstjustiz und unterstütze auch keinerlei Rechtfertigungsformeln wie Notstandsmaßnahme.

Der Glaube, das gerade Angehörige am besten in der Lage sind, den mutmaßlichen Willen durchzusetzen, ist naiv. Dazu bracht man auch nicht den Hinweis auf den möglichen Erbschleicher, sondern es genügt der Hinweis auf die in der Regel hochgradige emotionale Belastung.

enno
Full Member
Beiträge: 170
Registriert: 25.11.2005, 23:43
Wohnort: M/V

Beitrag von enno » 05.07.2009, 00:15

ich bin froh über die neue patientenverfügung.
endlich darf kein arzt und gericht entscheiden,wie ich meinen abgang von dieser geldgierigen welt mache.
wenn es soweit ist,werde ich meinen mann mitnehmen,um seinem wunsch zu entsprechen(dafür gibt es mehre zeugen).
mfg enno

Antworten