RA Putz - Courage und patientenrechtliches Engagement

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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Wahrung der Patientenautonomie kann kein Unrecht sein

Beitrag von WernerSchell » 02.04.2010, 12:28

Wahrung der Patientenautonomie kann kein Unrecht sein

Die im Thieme Verlag, Stuttgart, erscheinende Zeitschrift "intensiv" hat in ihrer Ausgabe 2/10 einen Beitrag von mir zur Streitsache Putz abgedruckt (Seiten 99-100):

Patientenautonomie am Lebensende erneut im Streit
Totschlagsverfahren gegen Rechtsanwalt Wolfgang Putz (München) wegen aktiver Sterbehilfe


Ich habe in diesem Beitrag das Urteil des Landgerichts Fulda vom 30.04.2009 kritisiert und herausgestellt, dass im Revisionsverfahren die Verurteilung aufgehoben werden muss: aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen.

Werner Schell
Zuletzt geändert von WernerSchell am 05.04.2010, 10:34, insgesamt 1-mal geändert.
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Cicero
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Wahrung der Patientenautonomie kann kein Unrecht sein

Beitrag von Cicero » 03.04.2010, 07:32

WernerSchell hat geschrieben: ..... Wahrung der Patientenautonomie kann kein Unrecht sein ....
Die im Thieme Verlag, Stuttgart, erscheinende Zeitschrift "intensiv" hat in ihrer Ausgabe 2/10 einen Beitrag von mir zur Streitsache Putz abgedruckt (Seiten 99-100):
Patientenautonomie am Lebensende erneut im Streit
Totschlagsverfahren gegen Rechtsanwalt Wolfgang Putz (München) wegen aktiver Sterbehilfe
Ich habe in diesem Beitrag das Urteil des Landgerichts Fulda vom 30.04.2009 kritisiert und herausgestellt, dass im Revisonsverfahren die Verurteilung aufgehoben werden muss: aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen. ...
Das Urteil ist eine glatte Fehlentscheidung. Die Entscheidung wird vom BGH zu korrigieren sein. Die Urteilskritik ist sehr zu begrüßen.

Cicero
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Grundsatzurteil des BGH zur Sterbehilfe zu erwarten

Beitrag von Presse » 19.04.2010, 15:34

Medizinrechtliche Sozietät
Putz & Steldinger
München


Im Juni 2010 BGH-Grundsatzurteil zur Sterbehilfe!

Am 2. Juni 2010 um 9.00 Uhr findet die Hauptverhandlung über die Revision von Rechtsanwalt Wolfgang Putz gegen ein Urteil des Schwurgerichts Fulda statt. Dieser Fall bietet dem 2. Strafsenat die Gelegenheit, nicht nur bisherige Fragen der strafrechtlichen Erlaubtheit und Grenzen von passiver Sterbehilfe zu klären sondern auch zur gesamten Rechtslage nach dem neuen Patientenverfügungsgesetz vom 1. September 2009 Stellung zu nehmen.

Rückblick:
Das Landgericht Fulda hatte am 30. April 2009 den Münchner Rechtsanwalt Wolfgang Putz, Medizinrechtler und Lehrbeauftragten für Recht und Ethik der Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wegen aktiver Sterbehilfe zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

Der Fall:
Ein Pflegeheim in Hessen wollte gegen Indikation und Patientenwille eine bereits beendete ärztliche Infusionstherapie eigenmächtig wieder aufnehmen, um das Sterben einer Patienten zu verhindern. Da ließ Rechtsanwalt Putz die Sonde entfernen. Darin sah das Landgericht ein Tötungsdelikt. Die Revision stellt dagegen das Handeln von Rechtsanwalt Wolfgang Putz als die zwingend gebotene Abwehr des rechtswidrigen Handelns des Pflegeheimes dar.

Das Landgericht Fulda hatte festgestellt, dass es rechtmäßig und geboten war, die Patientin palliativ begleitet sterben zu lassen. Weiter stellte es fest, dass die geplante eigenmächtige Wiederaufnahme der Ernährungstherapie durch das Pflegeheim eine Körperverletzung gewesen wäre. Rechtsanwalt Putz sei verpflichtet gewesen, diesen strafbaren Angriff der Pflegekräfte abzuwehren.

Ob er mit dem Entfernen der Sonde das falsche oder das naheliegendste Mittel gewählt hat, wird vom BGH zu beurteilen sein.

Weitere Infos zum Fall auf unserer Homepage http://www.putz-medizinrecht.de

Quelle: Pressemitteilung vom 19.04.2010
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RA Putz vor Freispruch

Beitrag von WernerSchell » 27.05.2010, 12:25

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes:
http://www.bundesgerichtshof.de/cln_134 ... _node.html

Verhandlungstermin: 2. Juni 2010
2 StR 454/09
Landgericht Fulda – Urteil vom 30. April 2009 – 16 Js 1/08 - 1 Ks –


Das Landgericht hat den Angeklagten P. wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die ursprünglich mitangeklagte Frau G. hat das Landgericht rechtskräftig freigesprochen.

Der Angeklagte ist ein auf Medizinrecht, insbesondere auf Palliativmedizin spezialisierter Rechtsanwalt. Nach den Feststellungen des Landgerichts beriet er seit dem Jahr 2006 die beiden Kinder der 1931 geborenen Frau K., nämlich die mitangeklagte Frau G. und deren inzwischen verstorbenen Bruder. Frau K. lag seit Oktober 2002 nach einer Hirnblutung in einem Wachkoma. Sie wurde in einem Pflegeheim in Bad Hersfeld über einen Zugang in der Bauchdecke, eine sog. PEG-Sonde, künstlich ernährt. Eine Besserung ihres Gesundheitszustandes war nicht mehr zu erwarten.

Entsprechend einem von Frau K. im September 2002 mündlich für einen solchen Fall geäußerten Wunsch bemühten sich die Geschwister, die seit dem Sommer 2007 zu Betreuern ihrer Mutter bestellt worden waren, um die Einstellung der künstlichen Ernährung, um ihrer Mutter ein Sterben in Würde zu ermöglichen. Der behandelnde Hausarzt unterstützte dieses Vorhaben, weil eine medizinische Indikation für eine Fortsetzung der künstlichen Ernährung nicht gegeben war. Die Bemühungen, die der Angeklagte als von den Betreuern mandatierter Rechtsanwalt der Frau K. entfaltete, stießen aber auf den Widerstand der Heimleitung. Nachdem auch die ausdrückliche Anordnung des Hausarztes zur Einstellung der künstlichen Ernährung vom Heimpersonal nicht befolgt wurde, schlug die Heimleiterin schließlich einen Kompromiss vor. Um den moralischen Vorstellungen aller Beteiligten gerecht zu werden, sollte sich das Heimpersonal nur noch um die Pflegetätigkeiten im engeren Sinne kümmern, während ihre Kinder selbst die Ernährung über die Sonde einstellen, die erforderliche Palliativversorgung durchführen und ihrer Mutter im Sterben beistehen sollten.

Nachdem Frau G. am 20.12.2007 die Nahrungszufuhr über die Sonde beendet und begonnen hatte, die Flüssigkeitszufuhr zu reduzieren, wies die Geschäftsleistung des Gesamtunternehmens am 21.12.2007 jedoch die Heimleitung an, die künstliche Ernährung umgehend wieder aufzunehmen. Den Kindern der Frau K. wurde ein Hausverbot für den Fall angedroht, dass sie sich hiermit nicht einverstanden erklären sollten. Darauf erteilte der Angeklagte P. Frau G. am gleichen Tag den Rat, den Schlauch der PEG-Sonde unmittelbar über der Bauchdecke zu durchtrennen, weil gegen die rechtswidrige Fortsetzung der Sondenernährung durch das Heim ein effektiver Rechtsschutz nicht kurzfristig zu erlangen sei. Nach seiner Einschätzung der Rechtslage werde danach keine Klinik eigenmächtig eine neue Sonde einsetzen, so dass Frau K. würde sterben können.

Frau G. folgte seinem Rat und schnitt Minuten später mit Unterstützung ihres Bruders den Schlauch durch. Nachdem das Heimpersonal dies bereits nach einigen weiteren Minuten entdeckt und die Heimleitung die Polizei eingeschaltet hatte, wurde Frau K. auf Anordnung eines Staatsanwalts gegen den Willen ihrer Kinder in ein Krankenhaus gebracht, wo ihr eine neue PEG-Sonde gelegt und die künstliche Ernährung wieder aufgenommen wurde. Sie starb dort zwei Wochen darauf eines natürlichen Todes auf Grund ihrer Erkrankungen.

Das Landgericht hat das Handeln des Angeklagten als einen gemeinschaftlich mit Frau G. begangenen versuchten Totschlag durch aktives Tun – im Gegensatz zum bloßen Abbruch einer lebenserhaltenden Behandlung durch Unterlassen – gewürdigt, der weder durch die mutmaßliche Einwilligung der Frau K. noch nach den Grundsätzen der Notwehr oder des rechtfertigenden Notstandes gerechtfertigt sei. Auch auf einen entschuldigenden Notstand nach § 35 StGB könne sich der Angeklagte nicht berufen, weil die Tötung des zu Schützenden kein Ziel der Gefahrenabwehr im Sinne dieser Vorschrift sein könne. Auch habe Frau K. die Fortdauer der künstlichen Ernährung bis zu einer Entscheidung eines Gerichts über einen Behandlungsabbruch zugemutet werden können; zudem sei der Angeklagte keine ihr nahe stehende Person gewesen. Soweit er sich in einem sog. Erlaubnisirrtum befunden habe, sei dieser für ihn als einschlägig spezialisierten Rechtsanwalt vermeidbar gewesen.

Die Mitangeklagte G. hat das Landgericht freigesprochen, weil sie sich angesichts des Rechtsrats des Angeklagten in einem unvermeidbaren Erlaubnisirrtum befunden und deshalb ohne Schuld gehandelt habe.

Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision verfolgt der Angeklagte seinen Freispruch, während die zu seinen Ungunsten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft die Strafzumessung durch das Landgericht beanstandet.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs wird sich mit grundsätzlichen Rechtsfragen des Abbruchs und der Unterbrechung der Behandlung eines unheilbar erkrankten und selbst nicht mehr entscheidungsfähigen Patienten zu befassen haben.
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Beitrag von thorstein » 28.05.2010, 17:08

"Die Zeit" widmet Putz in der gestrigen Ausgabe ein ganzseitiges Porträt. Leider online nicht verfügbar.

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Sterbehilfe - Der Tod als Erlösung

Beitrag von WernerSchell » 31.05.2010, 06:36

Die Revisionsverhandlung in Sachen RA Putz findet am 02.06.2010 vor dem BGH statt. Kurz danach ist mit der Entscheidung zu rechnen. - Wie schon wiederholt ausgeführt, kann ernstlich nur ein Freispruch erfolgen!

Die Zeitschrift "Die Zeit" berichtete in ihrer Ausgabe vom 27.05.2010 über die Streitsache und den Anwalt Wolfgang Putz. Diese Ausführungen sind auch online lesbar unter:

Sterbehilfe - Der Tod als Erlösung
Der Anwalt Wolfgang Putz kämpft seit Jahrzehnten für das Recht der Patienten auf ein würdiges Sterben. Jetzt steht er selbst vor Gericht – und kurz vor dem Ziel ..... (weiter lesen unter)
http://www.zeit.de/2010/22/P-Sterbehilfe-Putz
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Mumifizierung einer Wachkomapatientin

Beitrag von WernerSchell » 31.05.2010, 06:45

Siehe auch die Beiträge (mit Foto und weiteren Hinweisen dazu) unter
Pflegeheim lässt Wachkomapatientin lebend mumifizieren
viewtopic.php?t=5084
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Sterbehilfe im Streit ....

Beitrag von WernerSchell » 01.06.2010, 14:58

Aus Forum:
viewtopic.php?p=52250#52250

02.02.2010, 22.15 - 23.00 Uhr PHOENIX RUNDE

Wer bestimmt über den Tod? - Streit um Sterbehilfe

Ein Befürworter des selbstbestimmten Sterbens steht vor Gericht. An diesem Mittwoch fällt der Bundesgerichtshof ein Grundsatzurteil zur Sterbehilfe.

Aus Angst vor Schmerzen sind viele Menschen für aktive Sterbehilfe, während andere befürchten, dass so Schwerstkranke einfach entsorgt werden. Was ist ein würdiger Tod?

Anne Gesthuysen diskutiert in der PHOENIX RUNDE mit Günther Jonitz (Bundesärztekammer Berlin), Matthias de Ridder (Chefarzt in Berlin Kreuzberg), Eugen Brysch (Deutsche Hospiz Stiftung) und Matthias Karmann (Journalist, DIE WELT),

Wiederholung um 0.00 Uhr und am Donnerstag, 09.15 Uhr

Quelle: Pressemitteilung vom 1.6.2010
Pressekontakt: PHOENIX
PHOENIX-Kommunikation
Telefon: 0228 / 9584 193
Fax: 0228 / 9584 198
pressestelle@phoenix.de

Anmerkung der Moderation:

Das vor dem BGH per Revision angefochtene Fuldaer Urteil vom 30.04.2010 wurde von hier als Fehlentscheidung bewertet. Siehe dazu im Netz:

-- Urteil des Landgerichts Fulda – 1 Strafkammer – Schwurgerichtskammer - vom 30.04.2009 – 16 JS 1/08 – 1 Ks – Strafsache Rechtsanwalt Wolfgang Putz wegen versuchten Totschlags hier: (PDF) http://www.wernerschell.de/Rechtsalmana ... 042009.pdf

Urteilsschelte im Forum Werner Schell unter
-- Totschlagsverfahren wegen aktiver Sterbehilfe ...
viewtopic.php?t=11786
-- RA Putz - Courage und patientenrechtliches Engagement
viewtopic.php?t=11710
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Sterbehilfe-Verfahren gegen RA Wolfgang Putz

Beitrag von WernerSchell » 02.06.2010, 14:55

Sterbehilfe-Verfahren gegen RA Wolfgang Putz
Freispruch durch den Bundesgerichtshof steht außer Zweifel – Patientenautonomie gestärkt


Sehr geehrte Damen und Herren,

die Sozietät Putz & Steldinger, München, hat am 02.06.2010 mitgeteilt:

In der heutigen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof wurden die offenen Fragen zur strafrechtlichen Zulässigkeit der passiven Sterbehilfe und die Abgrenzung zur verbotenen Patiententötung erörtert.
Der Verteidiger des Angeklagten und die Staatsanwaltschaft hielten ihre Plädoyers. Sowohl die Verteidigung als auch die Staatsanwaltschaft beantragten einen Freispruch. Beide Seiten erläuterten dem Gericht ausführlich ihre Gründe, warum das Urteil des Landgerichts Fulda und die Verurteilung von RA Wolfgang Putz nicht haltbar ist.
RA Wolfgang Putz bat in seinem „Letzten Wort“ um eine klare Entscheidung bzw. um klare Entscheidungsgründe, um damit den Ärzten die belastende strafrechtliche Unsicherheit zu nehmen. Bis heute werden nicht indizierte oder vom Patienten eindeutig nicht gewünschte Behandlungen zur Verlängerung des Lebens durchgeführt, weil sich Ärzte unter Verweis auf eine widersprüchliche Rechtsprechung vor strafrechtlicher Verfolgung fürchten.
Das Urteil wird am 25.06.2010 verkündet werden und wird hoffentlich endlich die notwendige strafrechtliche Rückendeckung für die Palliativmedizin bringen und klarstellen, dass die Selbstbestimmung des Patienten bis zum Ende des Lebens zu achten ist.
Quelle: PUTZ & STELDINGER - Medizinrechtliche Sozietät
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http://www.putz-medizinrecht.de

Der Verfahrensablauf zeigt, dass es am 25.06.2010 zu einem Freispruch kommen wird. Wir fühlen uns damit sehr bestätigt, weil wir die angegriffene Fuldaer Verurteilung von Anfang an als Fehlurteil bezeichnet und auf eine Aufhebung gesetzt haben. Damit wird die Rechtslage zu Gunsten der Patienten gestärkt.

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell
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Lutz Barth
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"Glatter Freispruch und Fehlurteil" (?!)

Beitrag von Lutz Barth » 02.06.2010, 22:33

Zwischenzeitlich sind die ersten Meldungen über den Verlauf der mündlichen Verhandlungen veröffentlicht worden, die sich einerseits durch Euphorie und andererseits verhaltener Skepsis auszeichnen.

Ich persönlich sehe trotz zwischenzeitlicher Anfragen von einer „ersten Einschätzung“ ab, weil ich den Prozessverlauf persönlich nicht mitverfolgt habe und zudem eine Kammerentscheidung oftmals Wege zu gehen scheint, die gelegentlich überraschend sein können. Es verbleibt bei der diesseitigen generellen Einstellung, dass der „Teufel“ im Detail steckt und von daher eine Wertung ohne Kenntnis der Entscheidungsgründe derzeit nicht abgegeben werden soll.

Die Berichterstattung in den Medien ist einigermaßen „verwirrend“, so dass diesseits mit einer Stellungnahme bis zu dem Zeitpunkt zugewartet wird, bis die konkrete Entscheidung vorliegt. Erst dann wird zu diskutieren sein, ob das Urteil des LG Fulda ein „krasses Fehlurteil“ gewesen ist.

Entscheidend wird letztlich die Qualität der Entscheidungsgründe und deren Argumentationsstränge sein und zwar ungeachtet der Tatsache, dass ggf. der Angeklagte aufgrund seines Engagements einen Freispruch „verdient hätte“, wie wohl überwiegend in der Öffentlichkeit vertreten wird.

In diesem Zusammenhang stehend möchte ich nur darauf hinweisen, dass es in Anbetracht des Sachverhaltes nicht zwingend notwendig angezeigt ist, dass der BGH in einem obiter dictum Ausführungen in seinen Entscheidungsgründen vornimmt, die im Zweifel zu „kurz“ geraten sein könnten. Dies gilt vornehmlich im Hinblick darauf, dass es nach hiesiger Auffassung sehr wohl einen Unterschied macht, ob der jeweilige Träger, in dem die Patienten betreut werden, einer bestimmten Konfession zugehörig sind oder nicht.

Nun – ich möchte meiner Linie aber treu bleiben und eine Kommentierung sowohl der erstinstanzlichen und der zu erwartenden Revisionsentscheidung einstweilen aussparen.
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

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Patientenwille hat grundlegende Bedeutung

Beitrag von WernerSchell » 03.06.2010, 06:52

Sehr geehrte Damen und Herren,

es gibt mittlerweile zahlreiche Medienberichte zur mündlichen Verhandlung am 02.06.2010 vor dem Bundesgerichtsgericht. U.a. berichtet das Deutsche Ärzteblatt:
Bundesgerichtshof will Grenzen der Sterbehilfe klären
Karlsruhe – Der Bundesgerichtshof (BGH) will die rechtlich umstrittene Abgrenzung zwischen passiver und verbotener aktiver Sterbehilfe klären und dazu ein Grundsatzurteil am 25. Juni verkünden. Bei der Verhandlung am Mittwoch wurde deutlich, dass die Umsetzung des Patientenwillens dabei stärker in den Vordergrund rücken wird. Ärzte und Betreuer, die diesem Willen Geltung verschaffen, wären dann womöglich besser vor Strafe geschützt. ....
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/4 ... laeren.htm

Dass das Deutsche Ärzteblatt in seinem Artikel ausgerechnet die Deutsche Hospiz Stiftung mit ihrem neben der Sache liegenden Statement erwähnt, lässt vermuten, dass hier noch einmal Stimmung gegen den RA Putz gemacht werden soll.

Ich gehe davon aus, dass die Fehlentscheidung des Landgerichts Fulda vom 30.04.2010 vom Bundesgerichtshof am 25.06.2010 mit einem klaren Freispruch beantwortet wird. Alles andere wäre eine weitere Fehlbeurteilung und mit Rücksicht auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben (Art. 1 und 2 GG) nicht hinnehmbar.

Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang die Einschätzung der Bundesanwaltschaft. Das Deutsche Ärzteblatt dazu:
"Wenn es der Wille eines unheilbar Kranken ist, auf lebensverlängernde Maßnahmen zu verzichten, und wenn sein Betreuer und Arzt diesen Willen umsetzen, dürfe das nicht als strafbares Töten auf Verlangen bewertet werden. Einen Schlauch wie im aktuellen Fall durchzuschneiden, sei dann zwar aktives Tun, es sei aber „gerechtfertigt“, weil der Patientenwillen „Vorrang“ habe.
Genau so ist es!

Zum Thema gibt es Beiträge in diesem Forum unter
viewtopic.php?t=14254
viewtopic.php?t=11710
viewtopic.php?t=11786
viewtopic.php?t=5084

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell
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Bist „Du“ nicht „willig“, so nehme ich die „Schere“ (!?)

Beitrag von Lutz Barth » 03.06.2010, 08:15

Auch wenn ich erklärtermaßen die verfassungsrechtliche Position der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung bei weitem nicht teile – so wie im Übrigen namhafter Ärztefunktionäre und Medizinethiker ebenfalls nicht – scheint mir doch der „Teufel im Detail“ zu stecken.

Kann „Selbstjustiz“ die Lösung sein und wenn ja, wo verlaufen dann die Grenzen?

In rechtlichen Kategorien gewendet werden sicherlich die Grenzen des „Notwehrrechts“ einschließlich des wohl nach wie vor umstrittenen Putativnotwehrexzess vor dem selbstbestimmten Willen eines schwersterkrankten, zumal komatösen Patienten, auszuloten sein und dies sind beileibe keine einfachen Fragen.

Hierbei steht außer Frage, dass auch das Pflegeheim tatbestandlich eine Körperverletzung begangen haben dürfte, wenn und soweit eine (Weiter)Behandlung vom Willen des Patienten nicht mehr getragen war. Ungeachtet dessen bleiben gleichwohl die Grenzen eines „Notwehrrechts“ durchaus diskutabel, zumal hierbei auch die Biografie des Einzelschicksals eines Schwersterkrankten in den letzten Lebensjahren von nicht untergeordneter Bedeutung ist, will heißen: War das „Durchtrennen“ die ultima ratio einer Gefahrenabwehr im Sinne der klassischen Notwehr für ein hochrangiges Rechtsgut?
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

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Patientenwille hat grundlegende Bedeutung

Beitrag von WernerSchell » 03.06.2010, 08:39

Lutz Barth hat geschrieben:Auch wenn ich erklärtermaßen die verfassungsrechtliche Position der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung bei weitem nicht teile – so wie im Übrigen namhafter Ärztefunktionäre und Medizinethiker ebenfalls nicht – scheint mir doch der „Teufel im Detail“ zu stecken.
Kann „Selbstjustiz“ die Lösung sein und wenn ja, wo verlaufen dann die Grenzen?
In rechtlichen Kategorien gewendet werden sicherlich die Grenzen des „Notwehrrechts“ einschließlich des wohl nach wie vor umstrittenen Putativnotwehrexzess vor dem selbstbestimmten Willen eines schwersterkrankten, zumal komatösen Patienten, auszuloten sein und dies sind beileibe keine einfachen Fragen.
Hierbei steht außer Frage, dass auch das Pflegeheim tatbestandlich eine Körperverletzung begangen haben dürfte, wenn und soweit eine (Weiter)Behandlung vom Willen des Patienten nicht mehr getragen war. Ungeachtet dessen bleiben gleichwohl die Grenzen eines „Notwehrrechts“ durchaus diskutabel, zumal hierbei auch die Biografie des Einzelschicksals eines Schwersterkrankten in den letzten Lebensjahren von nicht untergeordneter Bedeutung ist, will heißen: War das „Durchtrennen“ die ultima ratio einer Gefahrenabwehr im Sinne der klassischen Notwehr für ein hochrangiges Rechtsgut?
Sehr geehrter Herr Barth,

die Deutsche Hospiz Stiftung spricht von "Wild-West-Methoden" und plädiert für die Achtung des Patientenwillens. Genau um die Achtung und vor allem Gewährleistung dieses Patientenwillens ging es im konkreten Fall. - Das war auch keine Selbstjustiz.

Dass die wachkomatöse Patientin nicht künstlich ernährt werden wollte, war allen Beteiligten klar. Die Magensondenernährung wurde daher allseits als rechtswidrig beschrieben.

Unter den gegebenen Umständen war es daher vertretbar, wie geschehen, einen rechtmäßigen Zustand zu gewährleisten bzw. wieder herzustellen. Ich erinnere an diesem Zusammenhang daran, dass ich eine Verbindung zu dem seinerzeitigen Ravensburger Fall sehe. Diesen Zusammenhang hat dankenswerterweise auch der Bundesanwalt in seinem Statement vor dem BGH erwähnt.

Nicht RA Putz bzw. die Tochter als Betreuerin haben rechtswidrig gehandelt, sondern andere, die die Willensentscheidung der Patientin nicht sehen bzw. nicht respektieren wollten.

Ich sehe nach all dem einem Freispruch entgegen. Offen ist lediglich, wie deutlich sich der 2. Strafsenat des BGH für eine Stärkung der Patientenrechte einsetzen wird. Sollte es insoweit in Teilen der Begründung unbefriedigende Ausführungen geben, wird insoweit auf den Gesetzgeber einzuwirken sein, dass er im Rahmen des Patientenrechtegesetzes "nachbessert".

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell
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Freispruch für RA Putz - Behandlungsabbruch rechtens

Beitrag von WernerSchell » 03.06.2010, 08:50

Wie vorhersehbar, wird es in der Revisonsverhandlung von RA Wolfgang Putz um Sterbehilfe einen eindeutigen Freispruch geben. Unsere Prozessbeobachterin Jaqueline Janquel informiert uns heute mittag aus Karlsruhe darüber, dass – neben der Verteidigung von Putz – auch Oberstaatsanwalt Lother Maur Freispruch beantragt hat. Das endgültige Urteil mit grundsätzlicher Begründung des 2. Strafsenats soll in drei Wochen verkündet werden. Atmosphärisch und seitens des Richter dürfte über den Freispruch aber kein Zweifel mehr bestehen.

Der Humanistische Verband Deutschlands hatte den erwarteten Freispruch vorab begrüßt und gab heute um 14.30 Uhr eine Presseerklärung dazu heraus.

Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) begrüßt eine damit verbundene Grundsatzentscheidung. Damit sei allerdings kein Freibrief zum Behandlungsabbruch ohne sorgfältige Einzelfallprüfung erteilt.

„Der Courage von Putz ist es zu verdanken, dass nunmehr eine andauernde, unerträgliche Streitsituation am Sterbebett beendet ist“, kommentiert Gita Neumann, Bundesbeauftragte des HVD für Patientenverfügung und Humanes Sterben den Fall. „Niemand kann jetzt mehr behaupten, dass es als so genannte aktive Sterbehilfe strafbar sein soll, was als Behandlungsabbruch gemäß dem Patientenwillen vom bürgerlichen Gesetzbuch gefordert wird“, erläutert die Expertin.

„Die dramatischen Streitfälle am Bett von Schwerkranken und Sterbenden, die alle Beteiligten schwer belasten, werden sich nunmehr erheblich reduzieren lassen“, führte Gita Neumann weiter aus. „Dazu muss aber eine möglichst präzise Patientenverfügung vorliegen oder der Wille des Betroffenen auf anderem Weg sorgfältig ermittelt sein. Das neue BGH-Urteil ist keinesfalls als Freibrief zu werten, einwilligungsunfähig gewordene Patienten sterben zu lassen, schon gar nicht, indem einfach die Magensonde durchgeschnitten wird.“

Mehr:
http://www.patientenverfuegung.de/view/aktuelles

Lebensschützer werfen Rechtsanwalt Putz umgekehrt vor, ein "Überzeugungstäter in Sachen Sterbehilfe" zu sein. Eugen Brysch von der Deutschen Hospizstiftung meint gar, Putz gehe es vorrangig darum, sich selbst profilieren.

Quelle: Pressemitteilung vom 02.06.2010
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Dogmatische Fragen

Beitrag von Lutz Barth » 03.06.2010, 09:55

Sehr geehrter Herr Schell,

es steht nicht in Abrede, dass es zuvörderst gilt, den patientenautonomen Willen nicht nur zu respektieren und zu schützen sondern ggf. auch durchzusetzen. Die dogmatisch interessante Frage hierbei jedoch ist - ungeachtet des konkreten Einzelfalls - ob der Rechtsstaat hierzu einen Weg vorzeichnet, um entsprechende Positionen durchsetzen zu können und ob dieses ggf. auf das Strafrecht durchschlägt, zumal ich anderenorts bereits zu bedenken gegeben habe, dass der übergeordnete Konflikt einer Lösung bedarf, nämlich die Frage, ob ggf. der Träger resp. das Pflegepersonal sich auf ihr Recht zur freien Gewissensentscheidung berufen kann und somit aus der Perspektive beider "Parteien" die Möglichkeit bestanden hätte, den Heimvertrag aufzukündigen, zumal dem Sachverhalt insofern (auch) entnommen werden kann, dass mit der Leitung der Einrichtung "verhandelt" wurde.

Nun - es gab eigentlich Nichts zu "verhandeln", wenngleich doch hieraus der Schluss gezogen werden kann, dass wenn schon "verhandelt" wird, auch eine andere Lösung hätte in Betracht gezogen werden können.

Andererseits verdeutlicht dieser Fall, dass in der Praxis weiterhin für Aufklärung Sorge zu tragen ist, denn unter medizinrechtlichen Aspekten betrachtet wirft der Sachverhalt keine nennenswerten rechtlichen Probleme auf und zwar ungeachtet der neuen Rechtslage (PatVG): Ein Behandlungszwang entgegen dem Willen (von Sonderkonstellationen abgesehen) besteht eben ausdrücklich nicht und demzufolge war das Verhalten des Trägers mehr als bedenklich (insbesondere mit der Androhung eines Hausverbots).

Gleichwohl plädiere ich für eine angemessene Vorgehensweise, die im Dialog zwischen allen Beteiligten zu klären ist und sofern sich dann ein Träger "weigert", ggf. die künstliche Ernährung einzustellen, käme in der Tat eine Verlegung nach Kündigung des Vertrages in Betracht. Ich neige dazu, eben auch die ethische Gewissensentscheidung der Pflegenden resp. der Leitung zu akzeptieren, wenngleich natürlich ein solches Szenario bereits im Aufnahmegespräch eine adäquate Berücksichtigung finden sollte, damit derartige Konflikte später erst gar nicht auftauchen.
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