Bettgitter im „Betreuten Wohnen“

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

Moderator: WernerSchell

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Nicole
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Bettgitter im „Betreuten Wohnen“

Beitrag von Nicole » 13.04.2009, 12:56

Bettgitter im „Betreuten Wohnen“

Hallo,
bei der Suche nach einer Regelung zum Einsatz von „Bettgittern“ komme ich nicht weiter und bitte um Hinweise zur Lösung.
Meine Chefin erwartet von mir als QB eine rechtssichere Regelung des Problems „freiheitsentziehende Maßnahmen“.
Im Bereich stationäre und ambulante Pflege sind die Vorschriften relativ klar.
Aber wie verhält es sich im „Betreuten Wohnen“, wenn ein Pflegedienst die Betreuung der Bewohner übernimmt?
In einem speziellen Fall liegt für einen dementen Bewohner die Empfehlung des Hausarztes vor, die Bettgitter einzusetzen. Der Interpretation zwischen freiem Willen des Bewohners, der ärztlichen Empfehlung und der Fürsorgepflicht der Mitarbeiter vor einem Bettsturz sind hier keine Grenzen gesetzt.
Im BGB unter § 1906, Abs.(4) lese ich, dass die Absätze 1 bis 3 für betreute Personen entsprechend gelten, die sich „in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält ohne untergebracht zu sein“.
Bezieht sich der Begriff „sonstige Einrichtung“ auch auf das betreute Wohnen?
Zur entsprechenden Anfrage beim zuständigen Vormundschaftsgericht erhielt ich die Antwort, dass im betreuten Wohnen keine richterliche Entscheidung zu freiheitsentziehenden Maßnahmen vorliegen muss.
Nach meinem pflegerischen Verständnis ist es unrelevant, wo einem Menschen seine Freiheit entzogen wird.
mit der Bitte um Hilfe
freundlichst
Nicole

WernerSchell
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Unterbringungsähnliche Maßnahmen bei betreutem Wohnen

Beitrag von WernerSchell » 13.04.2009, 18:16

Unterbringungsähnliche Maßnahmen bei betreutem Wohnen

Das angesproche Vormundschaftsgericht hält den für notwendige befundenem Einsatz von Bettgittern im Rahmen des betreuten Wohens für nicht genehmigungspflichtig.

Sehr geehrte Fragestellerin (Nicole),

soweit es erforderlich ist, eine unterbringungsähnliche Maßnahme nach § 1906 BGB zu veranlassen, ist m.E. nach den üblichen Regeln vorzugehen: Anordnung durch den zuständigen Arzt, Genehmigung durch den rechtlichen Vertreter (Bevollmächtigter oder Betreuer) und dann, wenn die Maßnahme länger oder regelmäßig erfolgt, Genehmigung durch das Gericht. Ich sehe das Gericht nicht frei zu entscheiden, ob solche Maßnahmen der Genehmigungspflicht unterliegen. Die Maßnahmen sind nach den üblichen Regeln unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Gebote zu treffen. Dazu gehört bei Vorliegen der entsprechenden Gefahrenlage auch die Mitwirkung des Gerichts. Zu behaupten, in der Wohnung bzw. bei betreutem Wohnen sei keine Genehmigungspflicht anzunehmen, halte ich für mit dem geltenden Recht nicht vereinbar. Diese Frage ist aber ein wenig umstritten.

Siehe dazu im Forum die folgenden Beiträge:
Freiheitsentzug in der eigenen Wohnung - Genehmigung!
viewtopic.php?t=9997&highlight=wohnung
Bettgitter in der Wohnung – genehmigungspflichtig?
viewtopic.php?t=2797&highlight=wohnung
Bettgitterfixierung zu Hause - Genehmigung?
viewtopic.php?t=2798&highlight=wohnung
Ruhigstellung von Patienten - Weniger ist oft mehr!
viewtopic.php?t=9495&highlight=wohnung
Fixierung mit Billigung des Betroffenen - Genehmigung ?
viewtopic.php?t=10312&highlight=wohnung

Mit diesen Hinweisen kann natürlich nicht bestätigt werden, ob eine unterbringungsähnliche Maßnahme im konkreten Fall überhaupt erforderlich ist und ob das angesprochene Bettgitter die richtige Maßnahme wäre.

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell - http://www.wernerschell.de
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
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Gaby Modig
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Freiheitsentzug im häuslichen Umfeld - Wohnung

Beitrag von Gaby Modig » 02.08.2009, 06:44

Guten Morgen!

Ich kann auch über Probleme mit dem Gericht informieren. Wenn im häuslichen Umfeld, auch beim betreuten Wohnen, irgendwelche Maßnahmen des Freiheitsentzugs anstehen, will sich das Vormundschaftsgericht immer raushalten. Es wird auf die Rechtslage verwiesen und auch auf den Umstand, dass es personelle Engpässe gebe, die zur Folge hätte, dass man sich nur um das dringend Notwendige kümmern musse.
Ich denke, dass hier ein Missstand vorliegt, der unbedingt aufgegriffen gehört. M.E. muss auch im häuslichen Umfeld eine Kontrolle beim Freiheitsentzug vorgenommen werden. Es kann und darf nicht sein, dass nur in "Anstalten" geprüft und genehmigt werden muss. Freiheit und Freiheitsentzug muss immer im Lichte des Grundgesetzes gesehen werden. Und dazu gehört eben eine gerichtliche Kontrolle, wo auch immer der Entzug stattfindet.

Mit freundlichen Grüßen
Gaby
Pflegesystem verbessern - weg von der Minutenpflege. Mehr Pflegepersonal ist vonnöten!

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